Statt "Mamma Mia! 2" ein beherztes "Here we go again". Alternativ wäre ebenfalls "Einer geht noch!" oder "Die nächste Runde geht rückwärts!" möglich gewesen. Und auch alle anderen Rummelsprüche hätten es getan. Wie die Musicalverfilmung von 2008 ist auch die Fortsetzung Kirmes mit Karaoke auf Kalokairi, dem fiktiven Idyll in der Ägäis, wo sich erneut Tragödien und Komödien abspielen. Nicht nur das komplette Originalpersonal ist wieder am Start. Sämtliche Hauptfiguren sind jetzt zusätzlich in ihren jungen Ausgaben zu sehen, denn die Hälfte von "Mamma Mia! Here we Go again" spielt 1979 und erzählt davon, wie Donna, die auf Kalokairi ein Hotel betreibt, seinerzeit auf die Insel kam.
"Das war kein Witz gestern. Ich meinte es ernst. Ich denke, wir sollten uns bewusst entscheiden und etwas Radikales tun und Großartiges und hier an diesem außergewöhnlichen Ort leben mit jemandem, der wundervoll ist."
Cher als Großmutter
Zum großen Teil ist das Sequel also ein Prequel. Bedeutet, dass Meryl Streep nicht länger die Hauptrolle spielt. Ansonsten gibt es in der Fortsetzung zum Teil dieselben ABBA-Klassiker zu hören wie im ersten Film sowie viele der nicht ganz so bekannten Nummern des Quartetts. Und wieder erstaunt es, wie sich die perfekten dreieinhalbminütigen Popsongs eingliedern in eine kitschige Seifenoper, die neben dem Sturm der Gefühle dieses Mal auch einen richtigen entfacht. Gute Laune pur, vorgetragen von aufgedreht agierenden Darstellern, zu denen sich unter anderem auch Cher in ihrer ersten Oma-Rolle gesellt.
"Ich habe mich entschlossen, ab jetzt die Verpflichtung als Großmutter anzunehmen."
"Dafür ist es 25 Jahre zu spät."
"Ich glaube, das können wir hinter uns lassen. Verbitterten Groll zu hegen, macht einen fett."
"Mamma Mia! Here we Go again": akzeptabel
Filmische Kapitalismuskritik
"Und du? Einzelgänger oder mehr der gesellige Typ?"
Fragt Jule Jan, den sie an einer Tankstelle kurz hinter Berlin getroffen und in ihrem Wohnmobil mitgenommen hat. Jan antwortet ihr:
"Weder noch. Ein paar Freunde, ein paar gute Bekannte. Ganz normal."
"Weißt du, wie viele Leute in Deutschland mittlerweile alleine leben?"
Die intime Frage nach Jans sozialen Kontakten dient hier als Einstieg in einen Diskurs über die Haltung der beiden Protagonisten zu allen möglichen gesellschaftlich relevanten Themen.
"Ich glaube, da steckt ein System dahinter, eine Strategie."
"Ach ja?"
"Hat ökonomische Gründe. Nimm mal vier Leute, die in vier verschiedenen Wohnungen leben. Die brauchen vier Kühlschränke, vier Staubsauger, vier Wasserkocher, vier ..."
"Flachbildschirme."
"Genau."
Zeit dafür, solche Thematiken zu erörtern, wird Jule und Jan noch ausreichend bleiben. Denn 2.500 Kilometer auf den Straßen quer durch Europa liegen vor ihnen. Für den Zuschauer macht das - umgerechnet - etwas lange 145 Filmminuten.
1995 war Weingartner Regieassistent bei "Before Sunrise". "303" - der Titel bezieht sich auf die Marke von Jules Wohnmobil - erinnert sowohl inhaltlich als auch formal und im authentischen Spiel der Darsteller an Richard Linklaters Film. Aus Jesse und Céline ist damals ein Paar geworden. Diese Chance bekommen jetzt auch Jule und Jan, die von Mala Emde und Anton Spieker gespielt werden. Wer die Gespräche der Beiden - viele spiegeln das für Weingartner typische Sendungsbewusstsein - wer diese Dialoge also über zweieinhalb Stunden anregend findet, der wird es erfahren.
"303": empfehlenswert
Abschied von der Großstadt
"Zehn U-Bahn-Linien, dazu 152 Buslinien. Ein Klub für jeden Tag im Jahr. Immer neue Designerdrogen. Six Startups täglich. Drei Millionen Menschen. Unendliche viele Geschlechter und viel Verkehr. Und jetzt habe ich keine Wahl mehr."
Abschied von Berlin nimmt auch Toni, die Protagonistin aus Lisa Millers Spielfilmdebüt "Landrauschen". Für Toni geht es zurück in die Heimat - genau gesagt ins schwäbische Bubenhausen. Einwohnerzahl: 694.
Nach ihrem Studium hat Toni in der Hauptstadt nicht Fuß fassen können: weder beruflich noch privat. Zurück also ins Elternhaus und zu den Freunden von früher, die nie den Absprung geschafft haben. Am Lagerfeuer bricht es aus Toni heraus.
"Ach, ihr könnt euch alle das nicht vorstellen. Es ist die Hölle mit meiner Mutter. Ich bin richtig eingeengt."
Damit der Zuschauer das alles auch nachvollziehen kann, greift Filmemacherin Lisa Miller, die ihre eigenen Erfahrungen in "Landrauschen" hat einfließen lassen, tief in die dörfliche Klischeekiste. Bubenhausen zeigt hier die Fratze der hässlichen Provinz, wird zum Ort der gelebten Spießigkeit mit Faschingsumzügen, kollektiver Gefühlsseligkeit und Haltungen von vorgestern.
Für "Landrauschen" gab es auf dem Max-Ophüls-Festival im Januar den Hauptpreis. Warum - das will sich einem bei diesem leidlich charmanten, eher laienhaft inszenierten und gespielten Heimatfilm nicht so recht erschließen.
"Landrauschen": enttäuschend