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Nobelpreisträgerin, Superstar und Missbrauchsopfer

Marie Curie war nicht nur die erste Frau, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Ihr wurde diese Ehre sogar zwei Mal zuteil. Über die aus Polen stammende Forscherin kommt in dieser Woche ein Filmporträt ins Kino. Außerdem starten die palästinensische Produktion "Ein Lied für Nour" und das Familiendrama "Die Hände meiner Mutter".

Von Jörg Albrecht |
    Regisseur Florian Eichinger posiert am 01.07.2016 in München bei der Veranstaltung "Förderpreis neues Deutsches Kino" in der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) mit dem Preis "Beste Regie" für den Film "Die Hände meiner Mutter" und stellvertretend für den Schauspieler Andreas Döhler mit dem Preis "Bestes Schauspiel", ebenfalls für den Film "Die Hände meiner Mutter".
    Regisseur Florian Eichinger posiert bei der Veranstaltung "Förderpreis neues Deutsches Kino" mit den Preisen "Beste Regie" und "Bestes Schauspiel" für den Film "Die Hände meiner Mutter". (picture alliance / dpa / Felix Hörhager)
    "Die Hände meiner Mutter" von Florian Eichinger
    "Ich habe mich erinnert. Meine Mutter hat mich angefasst, als ich ein Kind war. Die hat so Sachen mit mir gemacht. - Bist du sicher?"
    Das Missbrauchsopfer: männlich. Der Täter: weiblich, die eigene Mutter. Bei der Auswahl ihrer Stoffe handeln Filmemacher häufig nach der Journalistenregel "Mann beißt Hund". So wie für die Medien alles das, was nicht häufig passiert, Nachrichtenwert hat, machen sich auch Drehbuchautoren auf die Suche nach den besonderen, den abseitigen Geschichten. Florian Eichinger, der sich schon in seinen beiden ersten Spielfilmen mit dem Thema Gewalt in der Familie beschäftigt hat, war bei seinen Recherchen darauf gestoßen, dass der Frauenanteil unter den Missbrauchstätern bei bis zu 20 Prozent liegt.
    "Ich habe geahnt, dass so etwas irgendwann kommt. Was willst du von mir hören? Dass ich dich um Verzeihung bitte? - Irgendwie hatte ich gehofft, dass ich mir das alle nur einbilde, dass ich das nur geträumt habe."
    Ein Vorfall auf einer Familienfeier hat die verdrängten Erinnerungen aus Markus' Kindheit wieder ans Tageslicht gebracht. Anders als in Thomas Vinterbergs Dogma-Film "Das Fest", dem der Auftakt des Films ähnelt, leugnet die Mutter den Missbrauch nicht. Der 39-jährige Markus steht vor der großen Frage, wie es jetzt weitergehen soll.
    "Wie wollt ihr euch denn jetzt begegnen? - Gar nicht. Für mich existiert sie nicht mehr."
    So einfach aber lässt sich kein Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen. Sowohl der Fragilität des Familiengefüges als auch der von Markus' Psyche gilt Florian Eichingers Interesse. "Die Hände meiner Mutter" - mit einem empfindsam agierenden Andreas Döhler in der Hauptrolle - beeindruckt durch Genauigkeit und Zurückhaltung.
    "Die Hände meiner Mutter": empfehlenswert
    "Ein Lied für Nour" von Hany Abu-Assad
    "Mach dir keine Sorgen! Irgendwann kommen wir hier raus. Und wir spielen in Kairo."
    Rauskommen aus dem Gazastreifen ist das eine, groß rauskommen als Musiker das andere. Mohammeds Schwester Nour ist fest davon überzeugt, dass beides kein Traum bleiben wird. Die Musik soll das möglich machen, denn Mohammed besitzt eine außergewöhnliche Stimme. Gemeinsam mit zwei Freunden haben die Geschwister bereits eine Band gegründet. Dann aber wird Nour krank und muss an die Dialysemaschine. Geld für eine Nierentransplantation hat die Familie nicht.
    "Du musst deine Stimme mit deiner Seele und deiner Leidenschaft vereinen. - Und wird das meiner Schwester helfen, eine neue Niere zu bekommen? - Lass dir nie einreden, dass deine Träume unwichtig wären!"
    Wenn Hany Abu-Assads Film "Ein Lied für Nour" nach knapp der Hälfte einen Sprung macht vom Jahr 2005 ins Jahr 2012, ist dieser Traum jedoch ferner denn je. Nour ist in der Zwischenzeit gestorben und Mohammed verdient sein Geld als Taxifahrer. Er sieht nur noch eine Chance: Er muss es nach Kairo schaffen zum letzten Casting für die Fernsehshow Arab Idol. Wie aber soll er die Grenze passieren?
    "Du weißt ja, Leute schwimmen von Kuba nach Amerika, um zu fliehen. Du kannst doch von hier nach Ägypten schwimmen. - Ahmad, lass die Witze! Ich brauche ein Visum. - Ich glaube, schwimmen ist wesentlich einfacher."
    Mit "Ein Lied für Nour" hat der Filmemacher Hany Abu-Assad die wahre Geschichte des Arab Idol-Gewinners Mohammed Assaf verfilmt. So wie Mohammed mit seinem Gesang die Stimme Palästinas hörbar machen will, ergreift auch der Filmemacher eindeutig Partei für den Staat und zeigt in seinen Bildern immer wieder die prekären Zustände im Gazastreifen. Diese Haltung mag man kritisieren, wenngleich sie - wie schon in Abu-Assads Film "Paradise Now" - konsequent die palästinensische Perspektive einnimmt.
    "Ein Lied für Nour": empfehlenswert
    "Marie Curie" von Marie Noëlle
    "Darf ich vorstellen: Professor Pierre Curie. - Sehr erfreut. - Und Madame Curie. - Enchanté."
    Eine Frau, die nicht nur schmückendes Beiwerk ihres Gatten, sondern selbst eine Forscherin ist: In der Welt der Wissenschaft ist das zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Sensation, für die viele männliche Kollegen nur frauenfeindliche Worte finden.
    "Nun wissen wir doch alle, dass Marie Curie keineswegs alleine zu ihren Resultaten gekommen ist. Weil eine Frau so etwas nicht kann. - Diese Frau ist visionär."
    In ihrem Film über Marie Curie konzentriert sich die französische Regisseurin Marie Noëlle auf die acht Jahre, die zwischen Curies erstem Nobelpreis 1903 und dem zweiten liegen. Nach dem Unfalltod ihres Mannes Pierre 1906 - Curie ist fast 40 - treibt sie, obwohl sie unter Depressionen leidet, ihre Forschungen weiter allein voran.
    "Immerhin sind Sie ja die Beste unter den Frauen. - Unter den Männern ebenfalls."
    Ein häufig anzutreffendes Problem in Filmbiographien bekommt auch Marie Noëlle anfangs nicht in den Griff: Die einzelnen Stationen werden von ihr akkurat abgehandelt, ohne dass sie dabei aber der Protagonistin, die von der polnischen Schauspielerin Karolina Gruszka verkörpert wird, wirklich nahekommt. Erst in der zweiten Filmhälfte, wenn Marie Curies Liebesaffäre mit einem Schüler ihres Mannes die Handlung beherrscht, nehmen Geschichte und Titelheldin schärfere Konturen an.
    "Marie Curie": zwiespältig