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Paranoiker, Superhelden und ein Roadmovie

Der Film "Bauernopfer" erzählt von Schach, dem gefährlichen Real-Spiel des Kalten Krieges sowie von Genie und Wahnsinn. Außerdem: Die Geschichte einer belgischen Rock-Band, die sich in die kanadische Provinz verirrt, und Fortsetzungsfilme, die gar nicht schlimm sein müssen.

Von Hartwig Tegeler | 27.04.2016
    Die Schauspieler Paul Bettany, Robert Downey Jr., Regisseur Anthony Russo, sowie die Schauspieler Emily VanCamp und Daniel Brühl bei der Deutschlandpremiere ihres neuen Films: "The first Avenger: Civil War".
    Ein Teil der Besetzung bei Deutschlandpremiere von "The First Avenger: Civil War" (dpa / Jörg Carstensen)
    "Bauernopfer - Spiel der Könige" von Edward Zick
    Genial und durchgeknallt.
    "Hey! Ich mache Sie fertig!"
    Brüllt Schach-Genie Bobby Fischer seinen russischen Kontrahenten Boris Spasski an. Paranoia. Pur. 1972. Weltmeister-Turnier in Reykjavik. Da wird es dann auch das "Match des Jahrhunderts" geben. - Jahre zuvor, schon als Junge in New York schlägt Bobby Fischer jeden am Brett.
    "Ich werde dir zeigen, wie du in 13 Zügen hättest gewinnen können."
    "Bauernopfer" zeigt Fischer als gefährdetes Genie. Als er immer bekannter wird, taucht ein Anwalt auf. CIA?
    "Sie sind der einzige Mann in diesem Land, der diesen Kampf aufnehmen könnte."
    "Bauernopfer" ist ein Film über Schach, über das große, gefährliche Real-Spiel des Kalten Krieges ...
    "Und jetzt fängt die wahre Attacke an."
    ... und eine Geschichte über Genie und Wahnsinn.
    "Schach!"
    Wobei uns leider von Anfang an zu klar ist, dass ein Paranoiker wie Fischer in diesem Spiel der Großmächte, in dem er das titelgebende Bauernopfer ist, nur untergehen kann. Der Regisseur Edward Zwick schafft es leider auch nicht, uns eine Vorstellung von der Faszination des Schach-Spiels zu geben. Leider. Aber!
    Es ist ein Genuss, den beiden Kontrahenten, Fischer und Spasski, mit anderen Worten Toby Maguire und Liev Schreiber zu zuschauen. Tobey Maguire schreit, dreht durch, benutzt alle schauspielerischen Mittel, um eine Figur zu spielen, die immer Gefahr läuft, abzugleiten. Liev Schreiber hingegen erinnert in "Bauernopfer" an seine Rolle in "Spotlight", dem Oscar-Sieger 2016. Bei Schreiber hat man den Eindruck, als spiele er gar nicht. Und entwickelt genau damit eine ungeheure Ausdruckskraft. Faszinierend, das zu sehen. Manchmal zeigt sich auch in Filmen, die keine Meisterwerke sind, Meisterliches.
    "Bauernopfer" von Edward Zwick - empfehlenswert.
    "The First Avenger: Civil War" von Anthony und Joe Russo
    "Sie haben mit unbegrenzter Macht und ohne Befugnis agiert. Das kann die Welt nicht länger tolerieren."
    Und nun bekommen die Avengers in "The First Avenger: Civil War" ein Problem - nicht nur mit der UN. Die Helden aus der Marvel-Comic-Reihe, als da wären Captain America, Iron Man, Hawkeye, Black Widow, Black Panther und Spider-Man - ja, auch der ist jetzt mit dabei - und noch ein paar Andere, bekämpfen sich nun auch untereinander. Dabei geht es im Kern um die Frage, wie viele Kollateralschäden bei den Zerstörungsorgien der Superhelden legitim sind. Eine politisch alles andere als blöde Frage.
    "The First Avenger: Civil War" von Anthony und Joe Russo - empfehlenswert
    Und das nehmen wir jetzt einmal als die gute Nachricht der Kinowoche: Fortsetzungen müssen nicht per se getretener Quark sein, sondern können gut - so viel Realismus muss nun sein - angesichts des zeitgenössischen Recyling-Kinos, das ist jetzt hier natürlich die Ausnahme, aber immerhin. Jedenfalls beweist dieser "Avengers"-Film, dass Fortsetzungen auch spannende Weitererzählungen sein können. Nicht anders übrigens bei "Rico, Oskar und der Diebstahlstein".
    "Rico, Oskar und der Diebstahlstein" von Neele Leana Vollmar
    "Ich hätte nie gedacht, dass Steinzucht etwas mit Kühen zu tun hat. - Hä? - Es ist doch ein Kalb-Stein. - Mann, Doretti, wenn Gletscher und Eisberge sich teilen, dann sagt man, dass sie kalben. Verstehste. Und dat selbe gilt für Steine."
    Die dritte Verfilmung von Andreas Steinhöfels Geschichten über den tiefbegabten Rico und seinen cleveren Freund Oscar erzählt erneut von Mut und Solidarität zwischen zwei ganz Unterschiedlichen. Besetzt übrigens ist der Film - von Karoline Herfurth über Ronald Zehrfeld bis Fahri Yardim - mit der Crème de la Crème deutscher Kinoschauspieler. Also: Manchmal geht Fortsetzung doch!
    "Rico, Oskar und der Diebstahlstein" von Neele Leana Vollmar - empfehlenswert
    "Ich bin tot, macht was draus!" von Stéphane und Guillaume Malandrin
    Kommen wir schließlich zur nun wirklich nicht mehr erfolgreichen belgischen Rock-Band im Film "Ich bin tot, macht was draus". Yvan und Wim stehen an der Scheibe der unverschämten Villa von Jipés Bruder, dem Schnulzensänger.
    "Wieso macht dieser Idiot mit so einer Scheißmusik so viel Kohle. Kannst du mir das mal sagen? - Ganz einfach, weil wir in einer Scheißzeit leben. Deswegen."
    Jipé, der ehemalige Sänger der Rock-Band, segnete kurz vor der lang ersehnten US-Tournee das Zeitliche. Jipés Bruder - Schnulzensänger wie gesagt - kaperte die Trauerfeier quasi durch Terminverlegung. Nun steht auf dem Schnulzen-Klavier die gekidnappte Urne. Was Yvan und Wim in dieser wunderbar skurrilen Szene nun unternehmen, vermittelt sich akustisch eindeutig.
    Mit der geklauten Urne machen sich Yvan und Wim in "Ich bin tot, macht was draus!" auf zur großen US-Tour. Nur landen sie nicht in Los Angeles, sondern töffeligerweise in der kanadischen Provinz. Und wie es sich für ein richtiges Roadmovie gehört, auch eines über ein paar abgehalfterte belgische Rock-Musiker, die ihren letzten und ohne Frage einzigen Hit vor Jahrzehnten hatten: beim Roadmovie ist der Weg das Ziel. Das so menschlich, voller Liebe, inklusive Durchgeknalltheit zu erzählen, das ist große Kinokunst.
    "Ich bin tot, macht was draus" von Stéphane und Guillaume Malandrin - herausragend