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Planet Mensch

Vom Leben in diversen Facetten erzählt einmal wieder das Kino in dieser Woche: wie nämlich der Mensch den Planeten „umgräbt“, wie eine palästinensische TV-Serie Palästinenser wie Israelis bewegt, und wie ein russischer Oligarch eine Wiener Stadtbrücke zu seinem Domizil machen will.

Von Hartwig Tegeler |
Drehbuchautor Salam (Kais Nashif) und der israelische Kommandeur Assi (Yaniv Biton) diskutieren über das Drehbuch
"Tel Aviv On Fire" von Sameh Zoabi (imago stock&people)
Die Dinosaurier, sagt die ungarische Museumsführerin Veronika Watah in Nikolaus Geyrhalters Dokumentarfilm "Erde", haben den Planeten länger beherrscht als der Mensch, aber der hat den Planeten viel stärker umgewandelt als jede Spezies zuvor.
Das Menschenprojekt sich die Erde untertan zu machen
Von diesem Transformations- und Zerstörungsprozess mit Baggern, Bohrern und Dynamit gibt die Doku "Erde" ein eindrucksvolles Bild auf Baustellen und Tagebaugebieten in Kalifornien, in einer spanischen Kupfermine, im neuen Tunnel am Brenner oder beim Ölsandabbau im kanadischen Alberta. Sieben Kapitel, jedes eingeleitet mit einem aus der Vogelperspektive, das die Ausmaße dieses Menschenprojekts zeigt, sich die Erde untertan zu machen und sie auszubeuten.
Nikolaus Geyrhalter lässt die, die die Arbeit verrichten – über und unter Tage - zu Wort kommen. Den verstörendsten Eindruck allerdings hinterlässt der Film, wenn diese Menschen in ihren gigantischen Maschinen von oben in dieser Landschaft, in die sie riesige Wunden schlagen, klein wie Ameisen wirken. "Erde" ist nicht nur eine großartige Doku, sondern auch ein gelungener filmischer Essay über die Hybris des Menschen, weil Nikolaus Geyrhalter für das, was er uns zeigen will, Bilder findet.
"Erde" von Nikolaus Geyrhalter – herausragend.
"Tel Aviv On Fire", die palästinensische TV-Serie, glänzt mit solchen Dialogen:
"Ich gehöre dir!"
Der verpeilte Dialog-Coach Salam – Palästinenser - kommt auf die dämliche Idee, am Checkpoint ins Westjordanland eine israelische Soldatin zu fragen, ob es unhöflich sei, einer Frau zu sagen, sie sehe "bombig" aus. Nun sitzt Salam vor Assi, dem israelischen Kommandanten.
Assi: "Du weißt gar nichts von der Armee, oder?"
Salam: "Nein, sieht ganz so aus."
Assi: "Sieht ganz so aus. Hör zu, Yehuda ist ein israelischer Offizier. Nicht so ein bescheuerter Araber. Er ist israelischer Offizier, insofern muss er männlich sein und romantisch. Und ein Gentleman."
Schlechter Geschmack und Humor verbindet
Lange Rede: Assi verlangt Drehbuchänderungen von Salam für die Daily Soap, die seine Frau so liebt. Abstruse Irrungen und Wirrungen nehmen ihren Lauf. Er höre immer wieder, erzählt Regisseur Sameh Zoabi, sein Humor sei sehr jüdisch. Seine Erklärung: "Teil dieses jüdischen Humors ist es, sich umzingelt zu fühlen. Das ist dasselbe Gefühl, das Palästinenser haben".
"Tel Aviv On Fire" hat im übrigen eine Botschaft: Wenn Palästinenser wie Israelis bei einer Schund-Serie einen so herrlich schlechten Geschmack beweisen, können sie doch nicht so verschieden sein. Wozu dann eine Grenze?
"Tel Aviv On Fire" von Sameh Zoabi – empfehlenswert.
Es war einmal ein Politiker, der saß auf Ibiza mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen zusammen, und danach war er nicht mehr österreichischer Vizekanzler, weil die Deals, die er abschließen wollte, Recht und Gesetz fundamental widersprachen. Kurzum: Vor der Ibiza-Affäre hätten wir den Plot von Elena Tikhonovas Film "Kaviar" als abstrus abgetan. Dass ein russischer Oligarch die Schwedenbrücke mitten in Wien kaufen will...
Hemmunglose "Gag Gier"
"Es muss ja keiner wissen, wo das Geld herkommt."
... um seine Protz-Villa darauf zu bauen.
"Stell dir vor, die Schwedenbrücke wie die Ponte Vecchio in Florenz."
Doch nun hat "Kaviar" eine enorme Realitätsverschränkung bekommen.
Im Mittelpunkt: Klaus, Schwindler: "Was soll mit dem Verkehr werden? -
Klaus: Der Verkehr ist natürlich das Wichtigste, der muss fließen. Da wird uns schon was einfallen."
Klaus wird von Georg Friedrich gespielt - als egomanischer, skrupelloser Geldgeier, der aber ein Dämlack ist. Deswegen wird Klaus von seiner Gattin, die er betrügt, und von der Dolmetscherin des Oligarchen, sowie deren Babysitterin über den Tisch gezogen.
"Sauber, diskret, wie echte Profis."
"Kaviar", Elena Tikhonovas Film über die hemmungslose Gier, schielt manchmal arg auf den Gag, aber der Parforceritt von Georg Friedrich ist allererste Güte.
"Kaviar" von Elena Tikhonova – empfehlenswert.