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Potenzielle Blockbuster 2015

Am Ende eines umsatzschwachen Kinojahres blickt die Filmbranche voller Optimismus auf 2015. Mehrere potenzielle Blockbuster, unter anderem die Fortsetzung der "Star Wars"-Reihe sowie ein neuer Bond, versprechen Rekordeinnahmen. Bereits ab dem 2. Weihnachtstag laufen die Filmbiografie "Die Entdeckung der Unendlichkeit", das Road Movie "Honig im Kopf" und das Bibelepos "Exodus: Götter und Könige".

Von Jörg Albrecht | 22.12.2014
    "Ich komme, um dir zu sagen, dass etwas bevorsteht, das jenseits unserer Macht steht."
    "Exodus: Götter und Könige" von Ridley Scott
    Gemeint sind die Plagen, die Ägypten heimsuchen werden: Angefangen beim Blut, welches das Wasser sieben Tage ungenießbar machen wird, bis hin zum Tod aller Erstgeborenen. Insgesamt zehn an der Zahl. Bis es in Ridley Scotts Bibelepos "Exodus: Götter und Könige" allerdings soweit ist und sich die Computerspezialisten an Blutströmen, Hagelschauern und Heuschreckenschwärmen austoben können – bis es also soweit ist, hat der Zuschauer schon anderthalb Stunden lang mit einer elften Plage zu kämpfen. Diese Plage ist das mittelmäßige, teilweise sogar schauderhafte Schauspiel. Sie hat hier sämtliche Darsteller – einschließlich Christian Bale in der Rolle von Moses – heimgesucht.
    "Nach 400 Jahren der Sklaverei sind die Dinge hier sehr viel schlimmer geworden. Lass dir sagen, Bruder: Du musst sie freilassen. – Ist das eine Drohung? – Ja."
    Nun ist Ridley Scott in seiner langen Karriere häufiger der großspurige Actionregisseur gewesen als der subtile Geschichtenerzähler. Und so erstaunt es nicht, dass seine Verfilmung vom 2. Buch Mose aussieht wie ein Zwitter aus Sandalenfilm und Fantasy-Abenteuer. Nach "Gladiator" und "Königreich der Himmel" jetzt eben ein Bibelepos: Eines, das der Vorlage weitgehend gerecht wird, sie sogar versucht – wie viele Exegeten auch – historisch zu verorten.
    "Im Jahre deiner Geburt gab es eine Prophezeiung, dass uns ein Anführer geboren würde, der uns befreien wird. Und dieser Anführer bist du, Moses."
    Vielleicht ist es vermessen, von einem Film über Moses zu erwarten, dass dieser tieferen Einblick in das Seelenleben seiner Hauptfigur gibt. Ein Film, der von Moses´ Zweifeln und der Suche nach seiner Identität erzählt. Dass so etwas selbst in Hollywood möglich ist, hat Darren Aronofskys "Noah" gezeigt. Scotts Exodus-Geschichte aber ist weit entfernt von einer ähnlichen Charakterstudie, die etwas wirklich Neues bieten würde. Im Stil von Cecil B. DeMilles "Die Zehn Gebote" läuft der Auszug aus Ägypten ab als seelenloses, mit heutiger Tricktechnik aufgemotztes Fantasy-Spektakel.
    "Soll mich das demütig machen. Das tut es nämlich nicht."
    Für Diskussionsstoff könnte allenfalls Ridley Scotts Einfall sorgen, in der berühmten Szene am Berg Horeb Gott in Gestalt eines kleinen verdrießlichen Jungen zu präsentieren. Eine seltsame Idee, aber auch die einzig originelle in zweieinhalb Stunden.
    "Exodus: Götter und Könige": enttäuschend.
    "Das Universum entstand aus einem explodierenden schwarzen Loch. – Machen Sie weiter! – Was meinen Sie mit weiter? – Entwickeln Sie die Mathematik!"
    "Die Entdeckung der Unendlichkeit" von James Marsh
    Für Gott ist in den Theorien von Stephen Hawking kein Platz. Weil es die Gesetze der Schwerkraft gibt, so Hawking, habe sich das Universum aus dem Nichts selbst geschaffen. Dass es über den berühmten britischen Astrophysiker einmal einen Spielfilm geben würde, erstaunt kaum.
    "Die Entdeckung der Unendlichkeit" basiert auf dem Buch Die Liebe hat elf Dimensionen von Hawkings erster Ehefrau Jane. Anfang der 1960er-Jahre begegnen sich die Beiden als Studenten in Cambridge und werden ein Paar. Wenig später – Hawking ist 21 – diagnostizieren die Ärzte bei ihm eine Erkrankung des motorischen Nervensystems. Sie geben ihm noch maximal zwei Jahre.
    "Wenn dir irgendwas an mir liegt, dann geh jetzt. – Ich kann nicht. – Ich habe noch zwei Jahre zu leben. Ich muss arbeiten. – Ich liebe dich. ... Das ist ein Fehlschluss. – Ich will, dass wir zusammen sind, solange wie es geht. Und selbst, wenn das nicht lange ist, dann muss es reichen. – Du weißt nicht, was noch kommt. Das wird alles verändern."
    Diese Beziehung werde kein Kampf, sondern eine schlimme Niederlage. Befürchtet Stephen Hawking. "Die Entdeckung der Unendlichkeit" ist weniger klassische Filmbiografie. Der Film erzählt vor allem von der Beziehung zwischen ihm und Jane. Zwar überragt Eddie Redmaynes brillante Darstellung des Astrophysikers hier alles andere, aber es ist genauso auch die Geschichte von Jane Hawking, die von Felicity Jones nicht weniger eindrucksvoll verkörpert wird. Regisseur James Marsh zieht sämtliche Register, um ein Maximum an Emotionen beim Zuschauer freizusetzen. Das macht er so kalkuliert, dass er gelegentlich übers Ziel hinaus schießt. Aber so muss das wohl sein, wenn man eine Ode an das Leben und die Liebe dreht.
    Hawking, der in zwei Wochen 72 wird, schlägt dem Schicksal übrigens seit 50 Jahren ein Schnippchen.
    "Die Entdeckung der Unendlichkeit": empfehlenswert.
    "Ein typischer Til-Schweiger-Film ist, dass du am Ende nicht depressiv aus dem Kino gehst."
    "Honig im Kopf" von Til Schweiger
    Das macht Til Schweiger zum perfekten Gegenentwurf von Lars von Trier. Und weil Filmkritiker, wie Schweiger wohl meint, generell missmutig sind, die Depressionen viel, Glücksgefühlen aber nur wenig abgewinnen können, haben wir wieder einmal seinen neuen Film vor dem Start nicht begutachten dürfen.
    Macht aber nichts, denn er wird genauso sein wie seine anderen: eine heiter-sentimental-harmlose Familiengeschichte, in der sich alle Probleme in kürzester Zeit in Luft aufgelöst haben, während im Hintergrund diverse Popsongs dudeln. Bei "Honig im Kopf" geht es übrigens um Opa, der Alzheimer hat und ins Heim abgeschoben werden soll. Dieter Hallervorden spielt ihn. Nach seinem großartigen Comeback als Marathonläufer in "Sein letztes Rennen" immerhin vielleicht doch ein Grund, für den neuen Til-Schweiger-Film ins Kino zu gehen.
    "Honig im Kopf": ohne Bewertung.