"Es ist Krieg, ich kann mich überhaupt nicht mehr erinnern, dass kein Krieg war."
"Maikäfer, flieg! Der Vater ist im Krieg. Die Mutter ist im Pulverland. Und Pulverland ist abgebrannt. Maikäfer, flieg!"
Was für ein trauriges, was für ein brutales Bild: Der zarte Maikäfer und die Zerstörung des Krieges. Während in der akustischen Anfangscollage von Mirjam Ungers Film "Maikäfer, flieg!" Flugzeuge und Bomben zu hören sind und das Haus von Christines Familie gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in Wien zerbombt wird, singt die Achtjährige dieses Titellied. Ausgebombt. Christine, Mutter und die Schwester werden die letzten Tage des Nazi-Regimes zusammen mit dem desertierten Vater in einer Villa am Stadtrand verbringen. Aber während die Erwachsenen ums Überleben in diesem Grauen von Gewalt und Zerstörung kämpfen, erscheint der Achtjährigen diese Kriegswelt wie ein Abenteuerspielplatz.
"Jeden Tag mache ich meine Zaunrunde. Ich halte Ausschau nach Katzen, Soldaten, Wehrmachtsautos und nach dem ersten Russen."
Als die Russen Wien und dann die Villa besetzen, freundet sich Christine gar mit dem Feldkoch der Rotgardisten an. Ein Bild von Menschlichkeit in dieser Welt, die zerschlagen wird. Regisseurin Mirjam Unger ist eine großartige Verfilmung von Christine Nöstlingers Jugendroman gelungen, die ganz aus der Perspektive des Mädchen erzählt ist.
"Maikäfer, flieg!" von Mirjam Unger - herausragend.
"Maikäfer, flieg!"
Bestialität und Grauen - "Taboo"
1813: James Delaney - gespielt von Tom Hardy - kehrt nach Jahren in Afrika zurück nach London. London ist dreckig, die Themse schwarz, Schmutz, Gestank, Schlamm. James kommt zur Beerdigung seines Vaters. Er schreitet durch die Kirche.
"Da geht ein toter Mann. - Ist das euer Bruder?"
James ist schwarz gekleidet, trägt einen verbeulten Zylinder, sein Körper ist übersät mit blau-schwarzen Tätowierungen. Er ist den anderen unheimlich. Und uns, die wir ihn in der Serie "Taboo" sehen, ebenfalls.
"Das muss Hexerei sein."
Vielleicht hat James Delaney selbst ja recht:
"Es hieß, du seist tot. - Das bin ich!"
Vielleicht. Stellen wir uns diesen James Delaney vor als Wiedergänger des Colonel Kurtz, der dunklen Hauptfigur in Joseph Conrads Novelle "Herz der Finsternis". Dieses menschliche Monster, das einen Schreckens-Staat im Dschungel des Kongo errichtet hat, stellen wir uns vor, dieser Mann wäre zurückgekommen aus Afrika, …
"Natürlich kehren sie wieder zurück. Als Geister!"
… in seinem geistigen Gepäck all die Bestialität und das Grauen.
"Ich wurde geborgen von einem Afrikaner. Er rettete mich. Und er heilte mich. Und er zeigte mir mein Selbst. Gegen die Dinge, die ich in Afrika getan habe, sind eure Geschäfte läppisch. Ich war Zeuge und überdies Teil von Dingen, die ihr nicht verstehen könnt."
Die Miniserie "Taboo" ist faszinierend mit all ihren unterschiedlichen, untergründigen Strömungen der Geschichte, ihrem Facettenreichtum. Da ist der Kampf eines Mannes, der Böses tat und nun Gutes tun will. Da ist der Mann, der mit dem multinationalen Konzern des Jahres 1813, der britischen "East India Company", kämpft. Gnadenlos. Mit Gewalt, List und magischen Ritualen. Tom Hardy als James Delaney gibt einen bizarren Helden. Staffel 2 von "Taboo" ist bereits in Auftrag gegeben. Und die, die zweite, will man sehen, wenn man diesen Schauspieler Tom Hardy im allerbesten düsteren Sinn jetzt, in Staffel 1, mit all dem Geheimnisvollen, tief Dunklen, dem Abseitigen über sich wie im Rausch hat ergehen lassen.
"Taboo", Miniserie, Staffel 1, 8 Episoden, als Stream bei Amazon Video - herausragend.
Saukomisch - "Guardians of the Galaxy Vol. 2"
Angesichts dessen hier …
"Das Schicksal des Universums liegt in deinen Händen."
… wird man sich ja wohl auch mal nach ein wenig Liebe sehnen dürfen. Auch wenn Star-Lord alias Chris Pratt das auch im zweiten Teil von "Guardians of the Galaxy" nie zugegeben würde:
"Soll ich dich drücken? - Nein, nein, ist nicht nötig! - Doch!"
Die erzählerische Luft aus dem bizarr-absurden Superhelden-Mischmasch mit seinen Figuren Star-Lord Peter, Gamora, Drax, Baby Groot und diesem unverschämt frechen und uns um den Finger wickelnden, animierten Waschbären Rocket, die Luft war in Teil 1 ganz offensichtlich noch nicht raus. Auch in Teil 2 dieser saukomischen Saga geht weniger um eine komplexe Handlung, sondern eher um eine durchgeknallte Screwball-Comedy im All. Und der Soundtrack, der wieder einen wunderbaren Trip in die Song-Welt der 1970er Jahre unternimmt - Fleetwood Mac, The Sweet, Electric Light Orchestra, George Harrison - , tut sein Übriges, so dass wir hier den seltenen Fall einer gelungenen filmischen Fortsetzung haben. Kurzum:
"Was sagt er? - Er sagt: 'Willkommen bei den verdammen Guardians of the Galaxy.'"
"Guardians of the Galaxy Vol. 2" von James Gunn - empfehlenswert."