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Symbiotische Verbindungen

Gegenseitiger Nutzen oder krankhafte Abhängigkeit? In den Filmen "Dalida", "Helle Nächte" und "Die Hannas" erzählt das Kino in dieser Woche von Menschen und ihren Beziehungen zueinander.

Von Jörg Albrecht |
    Tristan Göbel (li.) und Georg Friedrich in Thomas Arslans "Helle Nächte"
    Tristan Göbel (li.) und Georg Friedrich in Thomas Arslans "Helle Nächte" (Schramm Film / Marco Krüger)
    "Dalida" von Lisa Azuelos
    "Das sehe ich gar nicht wie Heidegger."
    Die Überraschung direkt zu Beginn ihrer Filmbiografie über den französischen Schlagerstar Dalida ist Regisseurin Lisa Azuelos gelungen. Die Sängerin setzt sich mit den Gedanken Martin Heideggers auseinander und wird dessen These widersprechen, dass das Menschsein geprägt sei durch ein "Sein zum Tode hin".
    "Das Allerwichtigste ist das Sein zur Liebe hin."
    Ohne Liebe ist alles nichts für Dalida. Es ist das Leit- wie auch das Leidensmotiv, das sich wie ein roter Faden durch den Film zieht.
    Zu den Klängen von "Pour ne pas vivre seul" - Um nicht allein zu sein - wird Lisa Azuelos Dalida sterben lassen. "Das Leben ist mir unerträglich geworden. Verzeiht mir!" Nur diese eine Zeile stand in ihrem Abschiedsbrief.
    Die französische Sängerin Dalida Ende der 1970er Jahre
    Die französische Sängerin Dalida Ende der 1970er Jahre (imago stock&people)
    Es ist ein großer melodramatischer Bogen, den die Regisseurin schlägt. Er reicht von Dalidas Kindheit im Ägypten der frühen 1940er-Jahre bis zu ihrem Suizid 1987 in ihrem Haus auf dem Montmartre. Eine zentrale Rolle nimmt dabei der erste Selbstmordversuch der Sängerin 20 Jahre davor ein.
    "Ich bin 34, habe keine Liebe, keine Hoffnung, kein Kind habe ich. Nichts. - Aber Sie machen tausenden von Menschen Mut. - Und mir? Wer macht mir Mut?"
    So unerwartet der Heidegger vom Anfang, so wenig überraschend sind dann doch die Szenen auf Seifenopernniveau. Sie alle kreisen um eine Frau, die sich fast vollständig über die Männer in ihrem Leben definiert hat und an ihnen zerbrochen ist.
    "Ich will für dich bügeln und kochen. Ich will ein Kind von dir kriegen. Wie eine ganz normale Frau. - Aber alle ganz normalen Frauen träumen davon, wie du zu sein. - Und mein Traum ist es, zu sein wie sie."
    Trotz der einen oder anderen Phrase ist Lisa Azuelos ein bewegendes Porträt über eine lebenslang unglückliche Frau gelungen, die von der Newcomerin Sveva Alviti mit Bravour verkörpert wird.
    "Dalida": empfehlenswert
    "Helle Nächte" von Thomas Arslan
    "Es wird gar nicht dunkel. - Das ist hier den ganzen Sommer so."
    Dort wo sich nicht die Nacht über die Landschaft legt, ist der perfekte Ort für Stillstand. Thomas Arslan, Vertreter der Berliner Schule, ist ein Meister des Stillstands - wenngleich Meister Lob suggeriert, das hier unverdient wäre. Dass Arslans Figuren nicht oder kaum vorankommen, ist umso erstaunlicher, da sie in Bewegung sind. In diesem Fall mit einem Auto durch Norwegen.
    Georg Friedrich in Thomas Arslans "Helle Nächte"
    Georg Friedrich in Thomas Arslans "Helle Nächte" (Schramm Film / Marco Krüger)
    "Ich habe mir freigenommen und du hast noch Ferien. Wir könnten noch Zeit in Norwegen verbringen. - Und was sollen wir hier machen? - Uns die Gegend ansehen. Natur genießen. - Ich wohne schon auf dem Land, falls du es vergessen hast. - Wir könnten einfach ein bisschen rumfahren."
    Vater - Georg Friedrich - und Sohn - Tristan Göbel - haben einfach keinen Draht zueinander. Seit sich Michael von seiner Frau getrennt hat, ist der Kontakt zwischen ihm und dem 14-jährigen Luis fast zum Erliegen gekommen. Sprachlosigkeit ist die Folge. Die gemeinsame Zeit in Norwegen könnte das jetzt ändern. Filmemacher wählen dafür nur zu gern das Roadmovie. Wo die Enge des Autos und die Weite der Landschaft die fehlenden narrativen Elemente ersetzen sollen, breitet sich einschläfernde Ödnis aus. Diese immerhin in hübschen Bildern.
    "Helle Nächte": enttäuschend
    "Die Hannas" von Julia C. Kaiser
    "Also ich kenne euch jetzt echt schon so lange. Und ihr seid wirklich das einzige Paar für mich, das es schafft, im Kompromiss glücklich zu sein."
    "Im Kompromiss glücklich sein." So haben es Anna und Hans - seit 15 Jahren sind die beiden Mittdreißiger ein Paar - noch gar nicht gesehen. Dass sie für alle nur noch "Die Hannas" sind, hat die Zwei bislang auch nicht hochschrecken lassen. Eine Symbiose bedeutet schließlich wechselseitigen Nutzen. Auf Dauer aber eben auch Beziehungsroutine, die sich leicht zur Beziehungskrise ausweiten kann. Woran keiner der Hannas jemals auch nur einen Gedanken verschwendet hat, sorgt in ihrem Freundeskreis schon seit Längerem für Diskussionsstoff.
    Die Schauspieler Till Butterbach und Anna König im Film "Die Hannas" von Julia C. Kaiser
    Till Butterbach und Anna König spielen "Die Hannas" (Filmfest München 2016)
    "Flipp jetzt nicht aus! Es gibt eine Wette seit zwei Jahren, wer zuerst die Beziehungshölle der Hannas verlässt."
    Die Zeit ist also gekommen, die Beziehung selbst gründlich zu hinterfragen und für Neues offen zu sein. Sowohl Anna als auch Hans schlittern in Affären. Beide mit Frauen. Für Anna eine Premiere.
    "Wer probiert denn die letzten Wochen, unsere Beziehung zu retten? - Das probiere ich ja auch. - Indem du fremdvögelst. - Machst du ja auch. - Ja, wer hat denn damit angefangen? - Ja, um das alles einfach ein bisschen wiederzubeleben. - Das will ich doch auch."
    Komik und Tragik liegen in "Die Hannas", dem zweiten Spielfilm von Julia C. Kaiser, oft nur einen Wimpernschlag auseinander. Unter die frische, mit leichter Hand, aber auch ein wenig fahrig inszenierte Liebeskomödie mischen sich mit zunehmender Dauer ernste Töne über die Erwartungen an das Lebenskonzept Zweisamkeit.
    Nach "Was hat uns bloß so ruiniert" und "Einmal bitte alles" schon wieder eine gelungene deutschsprachige Produktion über junge Stadtneurotiker.
    "Die Hannas": empfehlenswert