"Na junger Mann! Zwei Dinge sind wichtig: sich einfügen ins Kollektiv, aber auch mitdenken."
Da war Dani 13 und seine Welt noch geordnet. Nur ein paar Jahre später stand niemand mehr vor ihm und machte Ansagen von der Sorte:
"... sich einfügen ins Kollektiv, aber auch mitdenken.
Denn Danis Heimatland war plötzlich von der Landkarte verschwunden und in der Bundesrepublik Deutschland aufgegangen. Wie Dani zusammen mit den vier anderen Jungs aus seiner Clique die Zeit nach der Wende in einem Vorort von Leipzig erlebt – davon erzählt der Roman Als wir träumten, den Andreas Dresen mit Hilfe von Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase adäquat, aber nur wenig aufregend verfilmt hat.
Die Fünf saufen und klauen Autos, nehmen Drogen und schlagen sich. Und sie machen ihren Traum vom eigenen Techno-Klub wahr.
Die Fünf saufen und klauen Autos, nehmen Drogen und schlagen sich. Und sie machen ihren Traum vom eigenen Techno-Klub wahr.
"Ich weiß nicht, wie es kam, dass unser Laden dann plötzlich lief. Vielleicht hatte es sich rumgesprochen, dass wir die jüngsten Disco-Besitzer waren in Crottendorf oder Leipzig oder ganz Deutschland. Es war eben Underground."
Die Rebellion und gleichzeitige Orientierungslosigkeit der sogenannten Dritten Generation Ostdeutschland will Andreas Dresen über schnell geschnittene Bilder und hämmernde Technomusik vermitteln. Wie aus einem anderen Film wirken dagegen die leicht "ostalgischen" Rückblenden aus der Zeit, als Dani und die anderen noch Pioniere waren.
Das Episodenhafte kann "Als wir träumten" erst zum Ende hin ablegen, wenn der von Merlin Rose gespielte Dani stärker in den Mittelpunkt rückt.
"Sei nicht so wie die Anderen. – Bin ich doch nicht. – Mach Schluss mit dem ganzen Mist! – Mach ich doch. – Ich brauche jemanden, der für mich da ist, Dani. – Ich würde ja sagen ´Ich liebe dich´, aber das ist nicht mein Stil. – Dann sag´s nicht."
Dem Anspruch an die Wahrhaftigkeit der Figuren, der alle seine Filme auszeichnet, wird Dresen zwar auch hier gerecht. Dennoch – und das liegt nicht an den ausnahmslos guten Darstellern – fremdelt man mit ihren Charakteren. In eine präzise Figurenzeichnung hätten Dresen und Kohlhaase eben genauso viel investieren müssen wie in die Rekonstruktion der Umbruchstimmung.
"Als wir träumten": zwiespältig
Vom Leipziger Stadtrand der frühen 1990er-Jahre in die Pariser Vorstadt Banlieue der Gegenwart. Dort in der Trabantenstadt, wo fast nur Einwandererfamilien leben, ist auch Marieme zu Hause. Wie viele Jugendliche hier hat auch der schwarze Teenager keinen Schulabschluss, keine Ausbildung. Und sie hat auch nichts zu sagen. Den Ton geben die Jungs an. Wenn sie dem Getto Banlieue schon nicht entkommen kann, dann will es Marieme wenigstens schaffen, sich in ihrem Viertel zu behaupten. Die Chancen dafür stehen gut, als sie zu einer Mädchengang stößt.
Sie müsse einfach das tun, was sie will. Bläut ihr eines der Mädchen ein. Und das solle Marieme jetzt laut sagen. Die französische Regisseurin Céline Sciamma folgt in "Bande de filles" den Mädchen auf ihren Streifzügen. Bei denen vergessen sie wenigstens für ein paar Stunden ihre Perspektivlosigkeit. Immer wieder aber kommt es innerhalb der eingeschworenen Gruppe zu Auseinandersetzungen, wenn es um die Verwirklichung der Träume geht.
Marieme will einen Job als Drogenkurierin annehmen. Sie sieht darin eine Möglichkeit Geld zu verdienen. Was solle sie sonst tun? Fragt sie. Weiter als Putzfrau arbeiten und sich von allen als Nutte beschimpfen lassen?
Karidja Touré als Marieme ist die Entdeckung in einem außergewöhnlichen Film über Selbstfindung, Selbstbestimmung und Solidarität in einer frauenfeindlichen Umgebung.
"Bande de filles" (läuft in der Originalfassung mit Untertiteln): empfehlenswert
"Fangen wir an! Wie heißen Sie? – Samba. Wie der Tanz. Ich arbeite in der Gastronomie und ich hatte eine Aufenthaltserlaubnis beantragt. Und Sie haben mich eingebuchtet."
Vom Kleinkriminellen aus "Ziemlich beste Freunde" zum illegalen Einwanderer: Der Schauspieler Omar Sy hat auch in "Heute bin ich Samba" die Hauptrolle übernommen. Nach zehn Jahren, in denen er nun schon in Frankreich lebt, wird der Algerier Samba von der Polizei aufgegriffen und soll abgeschoben werden. Menschen wie Samba will die von Charlotte Gainsbourg gespielte Alice zur Seite stehen. Die Zeiten, in denen es für sie nur um ihre Karriere ging, gehören der Vergangenheit an.
"Ich hatte einen Burn-Out. – Einen was? – Einen Burn-Out. – Das rührt mich richtig. Sie sind meine erste Freundin mit Burn-Out. – Das freut mich. – Das freut mich, dass Sie das freut."
Zwei Menschen, die sich unter normalen Umständen kaum begegnet wären, finden zueinander. Auch "Heute bin ich Samba" funktioniert nach dem Prinzip von "Ziemlich beste Freunde". Nur in anderer Konstellation. Statt der ungewöhnlichen Freundschaft jetzt also eine ungewöhnliche Liebesbeziehung. Und das alles wieder im steten Wechsel von mal heiteren, mal ernsten Szenen. Das französische Kino beherrscht die Kunst, gesellschaftliche Probleme in leicht verdauliche Unterhaltungsfilme zu verpacken. Lange nachzuwirken vermag dieser Film jedoch nicht. Ganz im Gegensatz zu "Bande de filles".
"Heute bin ich Samba": akzeptabel