"Meine schöne innere Sonne" von Claire Denis
Was ist die bedingungslose Liebe? Isabelle, um die 50, erfolgreiche Künstlerin in Paris, attraktiv, sensibel, eine schöne Frau, findet keine Antwort auf diese Frage in Claire Denis' Film "Meine schöne innere Sonne". Isabelles Beziehungen sind nur vorübergehend, ein kurzes Aufflackern von Nähe, dann wieder die Einsamkeit des Singles. Ein frustrierendes Chaos in Varianten:
"Also, wie soll das denn gehen: In einer Beziehung zu leben und nicht daran zu glauben."
Claire Denis schickt ihre Figur durch ein Kommunikations-Labyrinth, eine Struktur des Begehrens und der vergeblichen Worte. Denn darum geht es in der Affäre mit dem Banker, dem Schauspieler oder dem Arbeiter, um Kommunikation oder, besser, um Kommunikation, die misslingt:
"Wir haben was gesagt und gleich darauf das Gegenteil. Ich habe morgen frei. Wenn du willst, gehen wir morgen ins Kino."
Am Ende von "Meine schöne innere Sonne" wird Isabelle vom Wahrsager aufgefordert werden, nicht viel Hoffnung auf die Liebe zu setzen, aber ihre "innere, schöne Sonne" strahlen zu lassen. Und "La Binoche", die Wunderbare, die Unfassbare, die Schöne mit diesem explodierenden prustenden Lachen, Juliette Binoche, die uns glücklich machte in der "unerträgliche(n) Leichtigkeit des Seins", im "Englische(n) Patiente(n)", in "Caché" oder in "Die Wolken von Sils Maria", ja, ja, ich höre ja schon auf … Juliette Binoche macht uns hier, in "Meine schöne innere Sonne", auch glücklich, wenn sie Isabelle spielt.
"Meine schöne innere Sonne" von Claire Denis: herausragend
"Die kanadische Reise" von Pierre Loiret
"Wie heißt der See eigentlich? - Er hat keinen Namen. Einfach nur See. - Wie bei mir! Vater unbekannt."
Pierre Deladonchamps, der den Matthieu in "Die kanadische Reise" spielt, ist sicher nicht so bekannt wie "La Binoche", aber die Wucht seiner Ausstrahlung ist formidabel. Er gibt Pierre Loirets Film eine ganz eigene Färbung, ja, eine menschliche Aura. Kurzum, man fällt sofort hinein in diese Geschichte des Sohnes, der seinen Vater nie kennenlernte und nun von Paris nach Montreal reist, um an dessen Begräbnis teilzunehmen. Und andere Familienmitglieder zu treffen.
Seit heute habe ich zwei Brüder. Ist es nicht normal, dass ich sie kennenlernen möchte?"
Begrüßt wird der 30-jährige Pariser am Flughafen in Kanada von einem alten Freund seines Vaters, Pierre, der ihn davon abhalten will, die Stiefbrüder zu kontaktieren.
"Was willst du ihnen sagen: Euer Vater hat noch einen Sohn, aber er wollte es euch verschweigen?"
Pierres Motive sind bis zum Ende des Films "Die kanadische Reise" unklar. Die Stiefbrüder hingegen erweisen sich bei dieser familiären Spurensuche, die Mathieu in Kanada unternimmt, ebenso als rechte Kotzbrocken wie sein toter, vermeintlicher Vater. Die Beziehung zu Pierre, dem alten Freund des Vater, und zu dessen Familie aber werden immer intensiver. Und langsam werden andere Geheimnisse sichtbar, die Mathieu tief berühren und ihm in seinem Leben einen ganz neuen Stand geben. Und wenn das hier so abstrakt klingen mag, dann ist das Absicht. Geheimnisse werden hier nicht mehr verraten. Pierre Loirets Vater-Sohn-Geschichte "Die kanadische Reise" ist leise, langsam und doch betörend in der schlichten emotionalen Wucht, die dieser Film fähig ist zu entfalten.
"Die kanadische Reise" von Pierre Loiret: herausragend
"Lieber Leben" von Grand Corps Malade und Mehdi Idir
Am Anfang von "Lieber Leben" sehen wir nur die Decke des Zimmers, die Gesichter, die sich über das Bett beugen, die Neonleuchte. Das ist die subjektive Perspektive des jungen Mannes, der sich im Schwimmbad einen Halswirbel gebrochen hat, nun gelähmt ist, im Krankenbett liegt, und der Krankenschwester, bei ihren ersten Begegnung die Zahl "245" quasi entgegenschleudert. Die Anzahl der Kästchen in der Lampe. Doch für Grand Corps Malades und Mehdi Idirs Film braucht man vor allem eine gute Definition des Begriffes "Galgenhumor". So, wie der am Montag zum Tode Verurteilte meint, die Woche würde ja beschissen anfangen, so antwortet Ben, der Querschnittsgelähmte, auf die Frage, wie er denn schlafe: Oh, schlecht …
"Ich traue mich kaum, die Augen zu schließen. Wegen der Albträume."
Wobei sein Kumpel nur kichert, denn Ben hat der Psychologin einen Bären aufgebunden:
"Wieso erzählst du so einen Scheiß? - Wieso nicht? Ich langweile mich hier."
Galgenhumor als Verarbeitung des Horrors über ein Leben im Rollstuhl.
"Regel Nummer eins: Niemals, wirklich niemals die Geduld verlieren. - Ah, ich warte, dass man mich aufrichtet, dass man mich wäscht, ich muss sogar warten, dass ich pissen kann."
In "Lieber Leben" geht es um Bens Kampf gegen die Bewegungslosigkeit, aber dieser Film tischt uns keine Wunder auf, sondern zeigt den beschwerlichen Kampf, immer wieder gezeichnet von Rückschlägen und depressiven Schüben. Auch bei den anderen jungen Männern und der jungen Frau, Freunden, denen Ben in der Klinik begegnet. Hier gibt es kein selbstverständliches "gutes Ende". Und das macht diesen wunderbaren, mitunter saukomischen, aber eben auch "galgenhumorischen" Film jenseits von Behinderten-Kino-Kitsch so menschlich.
"Lieber Leben" von Grand Corps Malade und Mehdi Idir: herausragend