"Her" von Spike Jonze
"Sie ist so Vieles. Ich glaube, das liebe ich am meisten an ihr. Sie ist nicht nur ein Einzelnes. Sie ist so viel größer als das. ..."
Theodore kann seine Begeisterung für Samantha kaum in Worte fassen. Dabei verdient er sein Geld als Ghostwriter mit dem Schreiben von Liebesbriefen. Aber solche Gefühle, wie er sie jetzt gegenüber Samantha hegt, sind Theodore, der gerade mitten in der Scheidung von seiner Ehefrau steckt, bislang unbekannt gewesen. Dass die Traumfrau allerdings keinen Körper hat, sondern nur eine Stimme und sich hinter ihr ein neues, hochentwickeltes Computerprogramm verbirgt, stört ihn nicht.
Die Geschichte von "Her" spielt in einer nicht näher definierten Zukunft in Los Angeles. Und Samantha ist Teil eines künstlichen Betriebssystems, dem Artificial Operating System - kurz OS genannt.
"Du hast Dates mit einem OS? Wie ist das denn? Es ist ganz großartig. Ich fühle mich ihr sehr nah. Und wenn ich mit ihr rede, habe ich das Gefühl, sie wäre bei mir. Sag mal, verliebst du dich in sie?"
So wie in "Her" von Spike Jonze könnte die Liebe in der Zukunft aussehen. Nicht allzu fern erscheint aus heutiger Sicht eine Gesellschaft, in der die virtuelle Welt keinen Gegensatz mehr darstellt zum realen Leben und fest im Alltag eines jeden Menschen integriert ist. Noch ist es eine Vision, aus der Spike Jonze eine berückende wie bedrückende Liebesgeschichte 2.0 gemacht hat.
"Her" ist eine Science-Fiction-Romanze, in der kaum Spektakuläres passiert. Aber die Konzentriertheit, mit der Jonze Theodores Leben an der Seite von Samantha schildert, ist faszinierend. Die Interaktion zwischen Beiden, die nicht nur seine, sondern auch ihre Wünsche und Sehnsüchte spiegelt, sorgt für die schönsten Szenen im Kino seit langem. Getragen werden sie von einem wunderbaren Joaquin Phoenix, dessen müde Augen dank Samantha zu funkeln beginnen. Aber auch die Leistung von Scarlett Johansson, die allein mit ihrer Stimme ein Wesen aus Bits und Bytes zu einem auch physisch fassbaren Menschen macht, darf keinesfalls unterschätzt werden. Ein zwingender Grund, sich - wenn möglich - den Film in Originalfassung anzusehen.
"And then I had this terrible thought. Are these feelings even real? Or are the just programming? And that idea really hurts"
"Her": herausragend
"Zwischen Welten" von Feo Aladag
"What happened to your head? - I´ve got beaten. - Why you´ve got beaten? … Because I am a traitor."
Auf der einen Seite: ein junger Afghane, der um sein Leben fürchtet, weil er als Übersetzer für deutsche Soldaten in Afghanistan arbeitet. Für die Taliban ist er damit ein Verräter. Auf der anderen Seite: einer dieser deutschen Soldaten, der während seines Einsatzes in Afghanistan in einen moralischen Konflikt gerät und zwischen Befehl und Gewissen entscheiden muss.
"Oberst, unser Übersetzer Tarek ist einer akuten Gefahr, Lage und Bedrohung ausgesetzt. Ich ersuche Sie daher dringlich, dies in unseren Unterlagen zu vermerken und weiterzuleiten. Herr Oberst, machen Sie diesen Vermerk! - Achten Sie auf Ihren Tonfall, Hauptmann! Das ist Sache des Auswärtigen Amtes. Nicht unsere."
Die österreichische Regisseurin Feo Aladag will viel in ihrem Film "Zwischen Welten". Vor allem will sie beide Seiten gleichberechtigt nebeneinander abbilden, um so der vielschichtigen Problematik des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan gerecht zu werden. Das ist - hat sich die Regisseurin wohl gedacht - schon kompliziert genug. Folglich hat sie ihre Figuren und Handlungsstränge eher holzschnittartig entworfen. Am Ende steht die Erkenntnis, dass dieser Einsatz am Hindukusch viele Fragen aufwirft. Eine Binsenweisheit, die Feo Aladag immerhin über eindrucksvolle Bilder vermittelt.
"Zwischen Welten": zwiespältig
"My Sweet Pepper Land" von Hiner Saleem
"Warum bist du hier? Hat man dich strafversetzt? Niemand kommt freiwillig hierher. - Es war meine eigene Entscheidung"
Thematisch Feo Aladags Film nicht unähnlich und doch ganz anders ist "My Sweet Pepper Land" von Hiner Saleem. Schauplatz ist das Siedlungsgebiet der Kurden im Dreiländereck Irak, Iran und Türkei. Wie in Afghanistan haben auch dort Klanchefs das Sagen. Damit aber soll jetzt Schluss ein. So das erklärte Ziel des neuen Polizeikommandanten Baran.
"Die Zeiten haben sich geändert. Das Gesetz gilt jetzt für alle. Und ich bin dafür verantwortlich, dass es respektiert wird. Es gibt geschriebene Gesetze und es gibt Gesetze, die auf Traditionen gegründet wurden."
Nicht nur Baran ist hier unerwünscht. Dasselbe gilt für eine alleinstehende junge Lehrerin, die mit kurdischen Freiheitskämpferinnen sympathisiert. Auch Hiner Saleem streift in seiner Geschichte zahlreiche Themen. Sie handeln von der Gerichtsbarkeit bis zur Rolle der Frau. Aber anders als Feo Aladag hat der kurdische Regisseur seiner Geschichte einen roten Faden gegeben. Und das mit Hilfe eines Genres, das man an diesem Ort nicht vermuten würde: "My Sweet Pepper Land" - der englische Titel ist bereits ein Hinweis darauf - "My Sweet Pepper Land" ist ein lupenreiner Western im Stil von "High Noon" inklusive großem Showdown. Etwas zu formel- und klischeehaft, aber glücklicherweise auch fern von Betroffenheitskino.
"My Sweet Pepper Land": akzeptabel