Archiv

Neue Filme
Vom Suchen, Finden und Verlieren der Liebe

Die Folgen einer virtuellen Beziehung beleuchtet das Filmdrama „So wie du mich willst“. Vom Anbahnen einer Liebe über Standesunterschiede hinweg erzählt die Romanze „Photograph“. Was am Ende von einer Ehe bleibt, fragt die Komödie „Und wer nimmt den Hund?“.

Von Jörg Albrecht |
Juliette Binoche beobachtet Francois Civil
Zwischen realer und virtueller Welt - Juliette Binoche und Francois Civil in "So wie du mich willst" (imago stock&people)
"Warum rufst du mich an, wenn es dir keinen Spaß macht Zeit mit mir zu verbringen?"
"Ach, höre auf. Ich liebe es, Spaß mit dir zu haben. Was hast du denn gedacht? Dass du mich deinen Söhnen vorstellst? Wenn du willst, dass wir uns nicht mehr sehen …"
"Nein, nein, das wollte ich damit nicht sagen."
"Wir telefonieren."
Sex ja, Beziehung nein. Offensichtlich liegt Claire – 50, geschieden, zwei Söhne – mehr an dem wesentlich jüngeren Ludo als umgekehrt. Denn der wird sie nach dem Gespräch im Auto nicht – wie versprochen – anrufen. Als dann Claire mit ihm telefonieren will, lässt er sich von seinem Mitbewohner Alex verleugnen. Statt Ludo aber abzuschreiben, will Claire mit ihm über ein soziales Netzwerk in Kontakt bleiben. Auch um ihn auszuspionieren. Dafür legt sie sich ein Fake-Profil zu.
"Clara Antunés, Alter? 24, 25."
Aus Claire wird Clara. Ihr Profil – Claire bedient sich der Fotos einer hübschen, halb so alten Frau – dieses Profil aber weckt vor allem das Interesse von Alex. Täglich tauschen sich die Beiden von nun an miteinander aus. Erst per Chat, später auch telefonisch. Claire geht völlig auf in ihrer Rolle als Clara. Sie fühlt sich jung und lebendig.
Unerwartete Wendungen und vielschichtiges Psychogramm
"Und wie war die Party?"
"Ach, die war so blöd.
"Warum?"
"Altersdurchschnitt: 55."
"Nein, im ernst?"
"Bestimmt wurdest du ständig angebaggert."
"Schon möglich."
Als Alex die Beziehung vom virtuellen Raum in die reale Welt transportieren will, droht der Schwindel aufzufliegen.
"So wie du mich willst" steckt voller unerwarteter Wendungen. Der Film von Safy Nebbou ist einerseits das vielschichtige Psychogramm einer Frau in der Midlife-Crisis und andererseits eine kluge Reflexion über das Verschwimmen von virtueller und realer Welt. Vor allem aber ist der ausgeklügelt inszenierte Film erneut ein Beleg für den unerschöpflichen Facettenreichtum im Spiel von Juliette Binoche.
"So wie du mich willst": herausragend
"Ein Foto die Dame? Ein Sofortbild?"
Tag für Tag macht der Straßenfotograf Rafi in Mumbai Bilder von Touristen und Einheimischen wie der Studentin Milani. Um seiner Großmutter, die auf dem Land lebt, endlich eine Verlobte zu präsentieren, schickt ihr Rafi einfach das Foto von Milani. Als die Großmutter ihren Besuch ankündigt, gelingt es Rafi Milani ausfindig zu machen. Zu seiner Überraschung ist sie bereit, einen Tag lang die Zukünftige zu spielen.
"Erzähl' mir mal, wie ihr euch kennengelernt habt."
"Am Gateway of India haben wir uns kennengelernt."
"Ich bin einfach rumgeschlendert. Jemand hat gerufen. Ich habe mich umgedreht. Da stand er mit seinem spitzbübischen Lächeln."
Subtile Schilerung des Alltags
Hellseherische Fähigkeiten benötigt man keine, um zu erahnen, wie sich die Geschichte in "Photograph" von Ritesh Batra weiterentwickeln wird. Während Milani und Rafi mehr und mehr Gefallen aneinander finden, werden sie sich auch der Kluft bewusst, die mit ihrer Herkunft zu tun hat. Sie stammt aus der Mittel-, er aus der Unterschicht. Eine solche Verbindung hat auch im Indien des Jahres 2019 keine Zukunft.
Ritesh Batra verzichtet vollständig auf dramatische Momente und schildert stattdessen subtil den Alltag der beiden Protagonisten. Dennoch wünschte man sich, dass der Film die eine oder andere Abzweigung nehmen würde.
"Photograph": akzeptabel
"Ganz toll! Dieser Wagen ist fast wie neu."
Da hat sich wohl jemand an das Gefecht erinnert, das sich Kathleen Turner und Michael Douglas vor 30 Jahren geliefert haben. Auch da musste während des Rachefeldzugs der Eheleute das Auto des Hausherrn dran glauben.
Von der Boshaftigkeit der rabenschwarzen Komödie "Der Rosenkrieg" ist Rainer Kaufmanns "Und wer nimmt den Hund?" allerdings Lichtjahre entfernt. Wir erleben Martina Gedeck und Ulrich Tukur als Paar, das sich mit therapeutischer Unterstützung nach 25 gemeinsamen Jahren scheiden lassen will.
"Was genau wünschen Sie sich von mir?"
"Dass Sie uns helfen. Was denn wohl sonst?! Man kann doch nicht so einfach sagen: Schluss! Wer kriegt den Fernseher oder wer nimmt den Hund? Man will das doch irgendwie verstehen."
Wenig pointiert
Der Klassiker: Er hat sie gegen eine Jüngere eingetauscht. In Rückblenden werden die Bemerkungen über Verletzungen, Enttäuschungen und Ängste in entsprechenden Spielszenen präsentiert. Es gibt viel über Frauen- und Männerrollen zu hören und über die Schrecken des Alters. Doch wenig davon ist wirklich pointiert, das meiste klingt wie als papierener Dialog.
"Sie ist nun mal 30 Jahre jünger als du."
"Was sie nicht daran hindert mit mir zusammenziehen zu wollen."
"So ist das für deine Laura: Sie hat jetzt ein Brot im Brotschrank, das jeden Tag mehr schimmelt."
"Und wer nimmt den Hund?" ist eine ins Fernsehspielformat gepresste, nur wenig inspirierte Komödie, die Gedeck und Tukur immerhin ein wenig aufpolieren können.
"Und wer nimmt den Hund?": zwiespältig