"Der Moment der Wahrheit" von James Vanderbilt
"Erzählen Sie mir von Ihrer Arbeit! - Sie wollen wissen, ob ich Schuld an dem bin, was passiert ist. - Sind Sie es nicht? - Hören Sie, ich habe korrekt gearbeitet. Glauben Sie mir!
Man kann es durchaus als Typecasting bezeichnen, wenn die Journalisten in einem Film von Cate Blanchett und Robert Redford verkörpert werden. Beide haben schon häufig in ihrer Karriere vertrauenswürdige und untadelige Figuren gespielt. Und so wird dem Zuschauer suggeriert: Genau das tun Blanchett und Redford auch in "Der Moment der Wahrheit". Zweifel an der Integrität ihrer Charaktere sind nahezu ausgeschlossen. Schließlich war Redford sogar mal einer der "Unbestechlichen", der im gleichnamigen Film als Reporter Bob Woodward den Watergate-Skandal ins Rollen gebracht hat. Jetzt also schlüpft er wieder in die Rolle eines Journalisten.
"Ich werde seit über 30 Jahren angegriffen. Da mache ich mir jetzt nicht auf einmal was draus. Und du? Alles klar? - Das wird ein Kampf für uns, Dan."
Robert Redford spielt Dan Rather, Moderator des Nachrichtenformats 60 Minutes beim US-Fernsehsender CBS, Cate Blanchett ist Mary Mapes, die Produzentin der Show, die glaubt, einen großen Fisch an der Angel zu haben. Mitten im Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2004 bekommt sie Dokumente zugespielt, die George W. Bush als Drückeberger während des Vietnamkriegs überführen sollen. Mapes recherchiert, lässt die Schriftstücke prüfen und macht die Enthüllungen letztlich öffentlich. Doch nicht Bush gerät unter Druck, sondern Mapes und ihr Team.
"Sie beschuldigen einen. Sie lenken ab, unterstellen einem Ideologie, mangelnde Objektivität, dass man ein Unmensch ist. Und sie beten zu Gott, dass die Wahrheit dadurch auf der Strecke bleibt."
Ein engagierter Vortrag. Nur stellt sich Regisseur und Drehbuchautor James Vanderbilt mit seinem moralisierenden Film "Der Moment der Wahrheit" selbst eine Falle. Vanderbilt glorifiziert die Rolle des investigativen Journalismus am falschen Beispiel. Von Anfang an standen die Recherchen von 60 Minutes auf tönernen Füßen. Wie man es besser - viel besser - macht, hat erst vor kurzem der Film "Spotlight" bewiesen.
"Der Moment der Wahrheit": enttäuschend
"Agnes" von Johannes Schmid
"Arbeitest du oft in der Bibliothek? - Ja. - Ich heiße übrigens Walter. - Agnes."
Agnes und Walter und der Beginn einer seltsamen Beziehung. Die geheimnisvolle junge Physikerin und der Schriftsteller. 1998 erschien der Roman Agnes von Peter Stamm, der nicht nur wegen des gleichen Vornamens seiner männlichen Hauptfigur oft als Hommage an Homo Faber von Max Frisch bezeichnet wird. Im Gegensatz allerdings zu Homo Faber steht bei Stamm - wie jetzt auch in Johannes Schmids Verfilmung des Stoffs - die Liebesgeschichte im Zentrum.
"Agnes sah mich an mit diesem Blick, dessen Sprache ich nicht verstand."
Der Schriftsteller ist hier nicht nur der Ich-Erzähler. Er übernimmt auch die Rolle von Agnes´ Schöpfer, der den Zuschauer im Verlauf der Handlung immer wieder darüber im Unklaren lässt, in welchen Momenten sich Realität und Fiktion miteinander vermengen.
"Habe ich lange geschlafen? - Irgendetwas ist heute anders an dir. - Vielleicht mein Pony. Den habe ich geschnitten. - Ich habe ein seltsames Gefühl, dass ich dir ganz nah bin."
Dieses Wechselspiel, das die Doppelbödigkeit der Erzählung ausmacht, bleibt im Film auf der Strecke. Das liegt zum einen am anämischen Spiel von Odine Johne in der Rolle von Agnes und von Stephan Kampwirth als Walter, zum anderen an der kühlen und fantasielosen Regie von Johannes Schmid, der es nicht gelungen ist, die metaphysischen Momente des Romans in eine eigene Filmsprache zu übersetzen.
"Agnes": zwiespältig
"Vor der Morgenröte - Stefan Zweig in Amerika" von Maria Schrader
"Er ist neben Thomas Mann der meistgelesene deutschsprachige Autor in der Welt und er weigert sich Stellung zu beziehen."
Eine Stellungnahme zur politischen Situation in Deutschland nach der Machtergreifung Hitlers: Die hätten sich viele gewünscht von Stefan Zweig, der 1934 emigriert ist. So hat der angesprochene Thomas Mann zehn Jahre nach dem Tod des Schriftstellerkollegen geschrieben, dass ihn Zweigs radikaler, unbedingter Pazifismus oft gequält habe.
In ihrer zweiten Regiearbeit "Vor der Morgenröte" versucht Schauspielerin Maria Schrader eine Annäherung an Zweig und seine Exil-Jahre in Südamerika.
"Ich kann und ich werde nicht auf der anderen Seite der Welt in einem Raum voller Gleichgesinnter ein Urteil sprechen. Das ist in meinen Augen geradezu obszön. Jede Widerstandsgeste, die kein Risiko in sich birgt und keine Wirkung hat, ist nichts als geltungssüchtig."
Ein großartiger Josef Hader spielt den Autor in dem episodenhaft angelegten Film, der 1936 in Rio de Janeiro beginnt und im Februar 1942 im brasilianischen Petrópolis - kurz vor Zweigs Suizid - enden wird. In sechs fragmentarischen, nicht miteinander verbundenen Szenen, sehen wir Zweig unter anderem zum Schriftstellerkongress nach Buenos Aires reisen oder in New York zusammen mit seiner geschiedenen Frau Friderike. Obwohl "Vor der Morgenröte" ein formal strenger, zeitweise auch etwas langatmiger Film ist, gelingt Maria Schrader eine bewegende Betrachtung der Rolle des Intellektuellen zur Zeit des Nationalsozialismus.
"Vor der Morgenröte - Stefan Zweig in Amerika": empfehlenswert