Gerade einmal 14 Jahre alt ist Celeste, als sie ihr erstes Album aufnimmt. Vor allem die Ballade "Wrapped Up", die sie zusammen mit ihrer älteren Schwester geschrieben hat, soll die Charts stürmen. Das hofft die Plattenfirma, die auf das Mädchen aufmerksam geworden ist, nachdem es den Song bei einer Gedenkfeier gesungen hat, um an die Toten eines Amoklaufs an seiner Schule zu erinnern. Celeste war ebenfalls ein Opfer und wurde bei dem Anschlag schwer verletzt.
"Nach allem, was du durchgemacht hast, denke ich, es ist notwendig, ehrlich zu dir zu sein und dich wissen zu lassen, dass es keine Garantie gibt, dass diese Songs funktionieren."
"Wenn es funktioniert: gut! Wenn nicht, ist es auch okay."
Haifischbecken Musikindustrie
Bereits die ersten Szenen in Brady Corbets "Vox Lux", die um die Jahrtausendwende spielen und einen Eindruck vom Haifischbecken Musikindustrie vermitteln sollen, wirken kalt und distanziert. Die mitleidslose Beobachtung erinnert an die Filme Michael Hanekes. Nach der ersten Hälfte, die den Aufstieg von Celeste zum Superstar skizziert sowie von ihrer frühen Schwangerschaft erzählt, springt der Film ins Jahr 2017 und Natalie Portman übernimmt die Rolle von Raffey Cassidy.
"Wäre es für Sie okay, kurz ein Selfie mit mir zu machen?"
"Das passt jetzt gerade nicht. Ich versuche mit meiner Tochter zu reden."
"Entschuldigung! Nicht in diesem Ton! Ich war ganz freundlich zu Ihnen."
"Verdammt! Ist das dein Ernst, Mann?"
"Rufst du die Polizei!"
"Wer zum Teufel glaubst du, dass du bist?!"
Die 17-jährige Karriere mit allen Höhen und Tiefen hat ihre Spuren hinterlassen. In der Rolle ihrer mittlerweile fast erwachsenen Tochter ist – man ist zunächst etwas irritiert – ebenfalls Raffey Cassidy zu sehen. Nur einer von vielen ambitiösen und doch eher selbstgefälligen Regieeinfällen, die nicht über die Substanzlosigkeit dieser ins Leere laufenden fiktiven Künstlerbiografie hinwegtäuschen können.
"Vox Lux": enttäuschend
"Wieso bist du eigentlich Bibliothekar geworden?"
Eine Bibliothek wird zum Zufluchtsort
Eine Frage, die sich Stuart Goodson selbst oft stellt. Denn in seinem Job in der Zentralbibliothek von Cincinnati, Ohio steht er vor ganz neuen Herausforderungen. Diese haben mit besonderen Besuchern zu tun. Vor allem in den Wintermonaten suchen die Obdachlosen der Stadt Zuflucht in den öffentlichen Räumlichkeiten, um sich vor der Kälte zu schützen.
Stuart Goodson kennt sie alle mittlerweile beim Namen. Als die Temperaturen noch weiter fallen, beschließen 80 Wohnungslose auch über Nacht zu bleiben.
"Wir werden heute die Bibliothek nicht verlassen. Wir werden sie besetzen."
"Sie werden sie besetzen? Ihre Freunde und Sie? Und was ist mit morgen und übermorgen und den Nächten danach? Was, wenn der Kälteeinbruch bis nächste Woche anhält? Schon mal darüber nachgedacht?"
"Jeder Behördenmitarbeiter dieser Stadt weiß, dass es viel zu wenige Unterkünfte für die Obdachlosen gibt. Und diese sogenannten Christen tun so, als wäre alles in Ordnung."
Nachdem sich die Polizei vor der Bibliothek in Stellung gebracht hat, drängen die Obdachlosen den Bibliothekar, die Rolle des Verhandlungsführers zu übernehmen. Der bislang eher unauffällige Goodson solidarisiert sich mit den Besetzern.
An der Empathie, die Brady Corbet in "Vox Lux" hat vermissen lassen, fehlt es seinem Kollegen Emilio Estevez in "Ein ganz gewöhnlicher Held" gewiss nicht. Das etwas simpel gestrickte Plädoyer für mehr menschliche Wärme versteht sich auch als Gegenentwurf zu der ausgrenzenden Gesellschaft für die ein Donald Trump steht. Mehr Finesse und weniger Stereotype hätten trotzdem nicht geschadet.
"Ein ganz gewöhnlicher Held": zwiespältig
"Wann habe ich eigentlich aufgehört zu suchen?"
Fragt sich Cleo, eine junge Eigenbrötlerin aus Berlin, die unter dramatischen Umständen am Abend des Mauerfalls auf die Welt kam. Weil ihre Mutter bei der Geburt gestorben ist und sie später dann auch noch ihren Vater verliert, hat sich Cleo schon als kleines Mädchen gewünscht, die Zeit zurückdrehen zu können.
"Sag mal, Einstein, kann man in der Zeit zurückreisen und Dinge verändern?"
"Da gab es eine Uhr, mit der man wirklich in der Zeit zurückreisen konnte."
"Und wo ist die Uhr jetzt?"
Berlin wird zur magischen Spielwiese
Um diese Frage beantworten zu können, ist die kleine Cleo auf Schatzsuche gegangen. Mit Hilfe imaginärer Freunde aus der Vergangenheit wie Albert Einstein und den berühmten Einbrechern Sass. Diese hätten die magische Uhr einst erbeutet und danach an einem geheimen Ort versteckt. Ihr Plan aus Kindertagen ist sofort wieder aktuell, als Cleo Paul begegnet.
"Warum suchst du den Schatz?"
"Geld natürlich. Warum suchst du ihn denn?"
"Ich interessiere mich halt für alte Dinge."
Die Schatzjäger tun sich zusammen, stolpern von einem Abenteuer ins nächste und werden sich natürlich ineinander verlieben. Es ist in diesem Film ein bisschen so wie bei "Die fabelhafte Welt der Amélie". Statt Paris wird jetzt Berlin zur magischen Spielwiese.
"Cleo" ist das erfrischende und fantasievoll gestaltete Spielfilmdebüt von Erik Schmitt, der keine Angst vor spleenigen Ideen und kitschigen Momenten hat. Mit der von Marleen Lohse gespielten Titelheldin verbindet ihn die Lust am Imaginieren und Fabulieren.
"Cleo": empfehlenswert