"Empörung" von James Schamus
Marcus ist einer der wenigen jüdischen Studenten an einer kleinen christlichen Universität in Ohio. Marcus, als Student nicht in den Koreakrieg eingezogen, ist ein Freigeist, der in diesen frühen 1950er-Jahren mit seinem Denken aneckt. Aber Marcus in James Schamus' Philip-Roth-Verfilmung "Empörung" ist weder ein Held, noch Heiliger. Als er mit der psychisch labilen, sexuell sehr freizügigen Olivia ein erstes Date hat,…
"Marcus Messner geht als wirklich mit Olivia Hutton in das einzig schicke französische Restaurant im gesamten Franklin County."
Nun, Marcus ist nicht klug und nicht vorsichtig genug, das, was später im Auto passiert, für sich zu behalten. Und entfesselt damit eine moralische Hetzjagd auf ihn und Olivia. "Empörung" ist Sittenbild einer repressiven Gesellschaft. James Schamus' Film ist traurig und melancholisch, weil Marcus in dieser Zeit keine Chance hat, sich zu wehren. Die Gegenkultur der 60er-Jahre ist weit, weit weg. Zu weit für ihn. Das ist eine überzeugende Grundstimmung in "Empörung". Trotzdem erscheint dieser Film selbst wie erstarrt.
"Es gibt immer ein oder zwei altkluge Studenten auf jedem Campus. Was mir Sorgen macht, ist eher Ihre Isolation. Was mir Sorgen macht, ist Ihre unverblümte Ablehnung altehrwürdiger Winesburger-Traditionen. Deutlich zu sehen an Ihren Reaktionen auf den Gottesdienst-Besuch."
Die finale Auseinandersetzung zwischen Marcus und seinem bigott-reaktionärem Rektor im Zentrum des Films ist sehr gute Schauspielkunst, aber wirkt auch sehr ausgestellt.
"Empörung": annehmbar
"Fences" von Denzel Washington
Ebenfalls dialoglastig, aber kein bisschen starr wirkt "Fences". Freitag. Zahltag.
"Du, hör mal, Papa. - Ich wusste, dass das jetzt kommt. Ich weiß, was für ein 'Hör mal, Papa!' das war. Der bittet mich jetzt gleich um Geld."
Nein, das tut Troys Sohn nicht, aber der Vater, der Patriarch, will die Welt eben so sehen, wie er will.
"Dann nimm du es, Rose. Sonst hält er mir das noch die nächsten sechs Monate vor."
Ebenfalls die 1950er-Jahre. Der Afroamerikaner Troy, Müllmann, arbeitet hart, um seiner Familie ein einigermaßen anständiges Leben zu ermöglichen. Troy, einst begnadeter Baseball-Spieler, hatte als Afroamerikaner nie die Chance auf eine Sport-Karriere. Verwunden hat er das nicht; er ist hart, unzufrieden geworden.
"Er will, dass du nur sagst: 'Gut gemacht, Sohn!' Das ist alles. - Dafür habe ich keine Zeit, Rose."
Troy leidet unter den rassistischen Klassenverhältnissen. Doch dieser Mann, den Denzel Washington meisterlich, mit allen Nuancen spielt, ist auch blind gegenüber den eigenen Widersprüchen. Sehr genau erkennt das seine Ehefrau Rose, die Viola Davis 2010 an der Seite von Denzel Washington schon in der Broadway-Inszenierung von "Fences" gespielt hat:
"Gib doch mal einfach zu, dass du zu alt für die Major League warst. Wieso kannst du das nicht zugeben? - Jetzt kommt du nicht und sag', ich war zu alt. Ich hatte bloß die falsche Hautfarbe."
Lebenslügen. "Fences" ist grandioses Schauspieler-Kino, das von Menschen erzählt, mit ihren Stärken, Schwächen, Illusionen und Lügen.
"Fences": herausragend
"T2 Trainspotting" von Danny Boyle
"Hallo Mark. - Simon. - Was hast du so getrieben in den letzten 20 Jahren?"
Antwort: "Tja …?!" Mit all dem ist alles gesagt: Mark, Spud, Simon und der durchgeknallte Franco kommen zwei Dekaden, nachdem Mark die anderen bei einem Heroindeal bestohlen hat, wieder zusammen. Noch ein Film über Lebenslügen und verpasste Träume. Drei Ex- und ein immer noch aktiver Junkie in Edinburgh beim Lecken alter Wunden und dem Versuch, alte Rechnungen zu begleichen.
"Ich darf nicht wieder schwach werden. Ich muss meinen Körper entgiften. Weißt du." - "Du musst es nicht aus dem Körper kriegen, sondern aus dem Kopf. Du bist süchtig."
Danny Boyles Film "T2 Trainspotting" ist keine Wiederauflage von "Trainspotting", dem Kultfilm aus den der 1990er-Jahren, sondern Danny Boyle hat mit Ewan McGregor und dem Rest des alten Ensembles die Geschichte von vier Männern, die ins Alter kommen, weitererzählt.
Es geht darum zu sehen, wieweit sie sich geändert haben und wieweit nicht, sagt Regisseur Danny Boyle. "T2 Trainspotting" kommt dabei mit weniger durchgeknallten visuellen Albtraum-Sequenzen, respektive Drogenvisionen daher als der 20 Jahre alte Vorgänger. Und dass die vielleicht jetzt einzig wirklich sympathische Figur, die bulgarische Hure Veronika, am Ende die 100.000 kriegt, ist höchstens eine Andeutung vom Sieg des Guten - im Schlechten.
"Zuerst ergibt sich die Gelegenheit. Danach kommt es zum Verrat."
Gut, es gibt einen Verrat - schon wieder -, aber vor allem geht es für die Ex-Junkies darum, auch wenn sie nicht mehr an der Nadel hängen, zu überleben. Überleben! Würde und Anstand stellen sich hintenan, wenn's dann außerdem noch an's Älterwerden geht. Wenn's gut läuft. Zumindest unter Dreien der alten Freunde. Denn den vierten stellen sie im Kofferraum eines Autos vorm Knast ab, aus dem er zu Beginn von "T2" floh. Psychopath, blöder.
"T2 Trainspotting": herausragend