In Sambia im Süden Afrikas kommt Mais bei fast jeder Mahlzeit auf den Tisch. Als dicker Maisbrei füllt er die Mägen. Das macht satt, doch was fehlt, sind sogenannte Mikronährstoffe, vor allem Vitamin A, Zink und Eisen. Sambia ist mit diesem einseitigen Ernährungsstil kein Einzelfall. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO leiden weltweit schätzungsweise drei Milliarden Menschen unter Mangel an Mikronährstoffen. Immerhin - was Vitamin A angeht, gibt es für Kinder unter sechs Jahren eine Maßnahme, die das Problem zumindest kurzfristig aus der Welt schafft:
"Es werden Vitamin-A-Kapseln an die Kinder verteilt, hoch dosiert alle sechs Monate. Das wird in knapp 90 Ländern gemacht und klappt insgesamt wirklich gut. Dadurch gibt es tatsächlich weniger durch Vitamin-A-Mangel bedingte Augenkrankheiten und die Sterblichkeit bei Infektionen ist gesunken."
An sich sind die Kapseln also eine Erfolgsgeschichte. Doch sie packen das Problem nicht bei der Wurzel, sagt Keith West von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore.
"Das Problem wird nur zugedeckt, an der Ernährung ändert sich ja nichts. Würde man die Kapseln weglassen, wären alle gesundheitlichen Komplikationen mit einem Schlag wieder da. Wir müssen uns endlich um eine bessere Ernährung kümmern."
Mangelernährung ist auch eine Folge von Armut
Mehr Gemüse, Fleisch, Eier, ein vielfältigerer Speiseplan, das wäre die Lösung. Doch das ist auch eine Frage des Geldes: Wer gerade genug hat, um satt zu werden, kann sich mehr Vielfalt einfach nicht leisten. Eine Möglichkeit, die Keith West deshalb einleuchtet, ist der orangefarbene Mais. Das sind neue Maissorten, die mehr Betacarotine - eine Vorstufe von Vitamin A - enthalten als herkömmliche Sorten. Hinter der Idee steht eine Organisation namens Harvest Plus, die mit Mitteln der Weltbank, der Bill & Melinda Gates Stiftung und der internationalen Entwicklungshilfe finanziert wird. Erick Boy ist Ernährungswissenschaftler bei Harvest Plus.
"Wir haben drei Studien angestoßen, um zu prüfen, ob der orangefarbene Mais tatsächlich die Versorgung verbessert. Zwei mit Kindern unter sechs Jahren und eine, an der stillende Mütter teilgenommen haben. Endgültige Ergebnisse haben wir bisher nur für eine Studie, an der 140 Kinder teilgenommen haben. Und die sind positiv: Die Kinder nehmen das Betacarotin aus dem Mais auf, wandeln es in Vitamin A um, und speichern es in ihrer Leber."
Aus der zweiten Studie mit mehr als 2000 Kindern unter sechs Jahren gibt es bisher nur vorläufige Ergebnisse: Die Augen der Kinder, die orangenfarbenen Mais bekamen, konnten sich nach drei Monaten besser an die Dunkelheit anpassen als bei Kindern, die normalen Mais gegessen hatten. Das ist ein erster Hinweis darauf, dass sie das Betacarotin aus dem Mais tatsächlich aufgenommen und verwertet haben. Erick Boy betont aber, dass auch der orangene Mais das Problem Vitamin-A-Mangel alleine nicht lösen kann:
"Der Effekt im Alltag wird natürlich geringer ausfallen als innerhalb von diesen Studien, wo die Kinder unter kontrollierten Bedingungen unseren Mais bekommen. Das heißt, die Ernährung muss trotzdem insgesamt vielfältiger werden. Auf unseren Mais allein kann man sich nicht verlassen."
Keith West war in den 1970er-Jahren als Forscher federführend mit dabei, als die Weltgesundheitsorganisation begann die Verteilung der Vitamin-A-Kapseln durchzusetzen. Er hält die Maßnahme bis heute für richtig, doch denkt er inzwischen weiter. Neugeborene zum Beispiel haben nichts von den Kapseln, wenn die Kapselverteiler erst Monate nach ihrer Geburt in die Gegend kommen. Genauso wenig profitieren junge Mütter, Schulkinder oder Teenager, denn die Kapseln werden nur an Kinder bis sechs Jahre verteilt. Die neuen Mais-, Reis-, Weizen und Bohnensorten könnten seiner Meinung nach einen Beitrag zu einer größer gedachten Lösung leisten.