Einer hat sich schon in die Nesseln gesetzt, bevor er seinen neuen Job überhaupt erst angetreten hat. "Niemand müsste in Deutschland hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe!", hatte er gesagt - Jens Spahn, der Gesundheitsminister, der Merkel-Kritiker, er steht deshalb heute unter besonderer Beobachtung. Spahn hatte die schwelende Armutsdebatte damit noch einmal verschärft. Das löste Widerspruch aus, erwartungsgemäß, aber auch Zustimmung, und die kam ausgerechnet auch von seiner Parteivorsitzenden, von Angela Merkel.
"Dass diejenigen, die von Hartz IV leben, nicht viel Geld haben, das ist vollkommen klar. Gleichzeitig ist unser System eines, das das Notwendige auch Menschen gibt, die arbeitslos sind, die in Not geraten sind!"
Ein schneidiger Auftritt des Jungspunds
An Änderungen bei der Bemessung von Hartz IV-Sätzen denkt Merkel nicht, somit besteht wohl Einigkeit zwischen der Kanzlerin und ihrem jungen Minister. Spahn zeigt sich ehrgeizig, Hermann Gröhe, der so gern im Amt geblieben wäre, könnte sich schon ein wenig brüskiert fühlen, als sein Nachfolger zum Amtsantritt betont, was er besser machen möchte.
"Ein Schwerpunkt, den ich auch noch ein wenig ausbauen möchte, auch in der Struktur des Hauses, ist das Thema Digitalisierung", erklärt Spahn. "Da habt Ihr gut gestartet, nachdem wir jahrelang mit der Gesundheitskarte - ich kann mich noch erinnern, die Gesundheitsreform 2004 war es glaube ich, wo wir gesagt haben, in zwei Jahren soll das Ding funktionieren, wir sind nicht ganz so schnell so weit gekommen - aber es passiert so wahnsinnig viel in dem Bereich - Apps! - dass es richtig ist, einen stärkeren Fokus auf diesen Teil zu legen!"
Großbaustelle "Pflege"
Mehr Digitalisierung im Gesundheitsbereich. Heute kann sich der Minister damit nicht lange aufhalten. Gleich nach dem Amtswechsel folgt der erste Termin: Als Chef des Gesundheitsressorts wird er den Deutschen Pflegetag eröffnen. Da kann er gleich reagieren auf den Ruf nach einem 100-Tage-Sofortprogramm, gefordert von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Die Pflege muss wieder bezahlbar werden, heißt es da, durchschnittlich 1.751 Euro sind monatlich für einen Platz im Heim zu zahlen, oft können die Betroffenen nicht einmal den Eigenanteil aufbringen. Spahn ist gefordert, er spricht aber nicht nur über die Pflegebedürftigen, sondern …
"...vor allem über die Verbesserungen der Situation der Pflegekräfte, so wie es ja auch im Koalitionsvertrag angelegt ist."
Giffeys Blick auf Benachteiligte
Mit seinen Aussagen zur Armut in Deutschland wiederum hat Spahn eine Sozialdemokratin aus der Reserve gelockt, die zeitgleich im Regierungsviertel ihren Dienst als Familienministerin beginnt. Als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln hat sie erlebt, wie viele Bürger jeden Euro zweimal rumdrehen müssen, auch deshalb hat sie ihre Partei wohl in dieses Amt geschickt. Die 39-Jährige kontert ruhig auf den Spahn-Vorstoß, gibt sich als Sozialdemokratin, die sich um Benachteiligte kümmern will.
"Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen konkret im Alltag Verbesserungen erleben, dass sie Gerechtigkeit empfinden, Familien mit kleinen Kindern, ältere Menschen, die Hilfe brauchen, pflegende Angehörige, sie alle müssen spüren, dass sich etwas für sie konkret verbessert!
Dieser Donnerstag ist ein Tag, an dem gut gemeinte Absichtserklärungen geäußert werden. Ein Tag aber auch, an dem die Mitarbeiter der Ministerien Tuchfühlung mit dem neuen Chef aufnehmen können. Anja Karliczek, das Überraschungsgesicht aus der CDU, präsentiert sich da in Bonn, wo das Bildungsministerium immer noch seinen ersten Dienstsitz hat; Horst Seehofer dagegen, der Mann aus Bayern mit dem besonderen Bezug zur Heimat, übernimmt in Berlin die Amtsgeschäfte von Thomas de Maizière und tut dies gleich mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Ein Hauch von Wehmut und Abschied
Deutlich mehr Offenheit demonstrierten da Sigmar Gabriel und Heiko Maas bereits gestern. Gabriel, von seiner Partei nicht mehr für außenministrabel befunden, zeigte dabei Contenance, aber eben auch ein bisschen von dem, was zum politischen Berlin dieser Tage gehört, ein Hauch von Wehmut und Abschied.
"Lieber Heiko, liebe Kolleginnen und Kollegen, mir war es eine Ehre, deutscher Außenminister und damit auch Leiter dieses Hauses zu sein. Spaß gemacht hat es auch noch, ich jedenfalls will es nicht verheimlichen, dass es schön war. Vielen Dank, machen Sie es gut, alles Gute!"