Nach der Verkündung einer neuen indopazifischen Partnerschaft mit den USA und Großbritannien hat Australien am 16.09.2021 ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit Frankreich aufgekündigt. Anstelle von zwölf Diesel-U-Booten aus Frankreich ordert Australien nun atombetriebene U-Boote aus den USA – für insgesamt 56 Milliarden Euro. Der französischen Rüstungsindustrie entgeht ein Milliardengeschäft.
Australien sei zunehmend unzufrieden mit der Kooperation gewesen. Als Gründe nennt Jana Jana Puglierin von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations eine Verzögerung und Verteuerung. Zudem habe Australien keine konventionell angetriebenen U-Boote mehr gewollt, sondern nuklear angetriebene U-Boote.
Vor allem aber die "wirklich real existierende Sorge der Australier vor einer militärischen Provokation durch China" sei ausschlaggebend gewesen. In der Allianz mit den USA sehe Australien nun "eine Art Lebensversicherung" – "es geht also nicht nur um die U-Boote, sondern es geht um eine strategische Ausrichtung".
Laut Informationen der französischen Tageszeitung "Le Monde" erfuhr Paris aus den Veröffentlichungen amerikanischer Zeitungen, dass Australien beschlossen hatte, aus dem 2016 unterzeichneten Vertrag auszusteigen.
"Die Australier, sagen, sie hätten Frankreich im Vorfeld oft signalisiert, dass es Unzufriedenheit gibt, und die Franzosen hätten es kommen sehen müssen. Die Franzosen streiten das vehement ab und sagen: Wir haben es wirklich aus der Presse erfahren, sind im Dunkeln gelassen worden", so Puglierin. "Da steht so ein bisschen Aussage gegen Aussage."
Frankreich zeigte sich verärgert. Die französischen Botschafter in den USA und in Australien wurden nach Hause beordert. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian sprach von einem "Dolchstoß in den Rücken". Diese "einseitige, brutale und unvorhersehbare" Entscheidung erinnere ihn an die Politik des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Le Drian sieht darin sogar eine Belastung der NATO. Auch Verteidigungsministerin Florence Parly (*) zeigte sich äußerst verärgert über eine "unsolidarische Art und Weise", Alliierte einfach so auszubooten.
Für Frankreich sei es besonders bitter, nicht im Vorfeld über die Verhandlungen zwischen Australien, den USA und Großbritannien informiert worden, "geschweige denn in diese Verhandlungen einbezogen worden zu sein", sagte Ronja Kempin, Expertin für gemeinsame Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, im Dlf.
Die EU stellte sich an die Seite Frankreichs. Aus Protest gegen den geplatzten Deal mit Australien verschob sie die handelspolitischen Spitzengespräche mit den USA. EU-Ratspräsident Charles Michel warf den USA einen "klaren Mangel an Transparenz und Loyalität" vor.
Inzwischen haben sich der französische Präsident Emmanuel Macron und US-Präsident Joe Biden wieder angenähert und in einem Telefonat "vertiefte Konsultationen" zwischen ihren Regierungen vereinbart. Frankreich kündigte an, die Botschafter wieder zurück nach Washington zu schicken. Das gilt jedoch nicht für den französischen Botschafter aus Canberra: Eine Annäherung an Australien gab es seitens Frankreichs nicht. Australiens Premierminister Scott Morrison gab an, Macron hätte ihm die kalte Schulter gezeigt.
Kommentar zur Annäherung zwischen Frankreich und den USA im U-Boot-Streit: Das Theater hat sich gelohnt (03:11)
Der Verlust, den Frankreich dadurch erleidet, liegt bei rund acht Milliarden Euro. Aber nicht nur finanziell sei der Deal wichtig gewesen, meint Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik: "Die Kooperation war für Frankreich wichtig, weil es damit zum einen zeigen konnte, dass seine Rüstungsindustrie international konkurrenzfähig ist, und weil es andererseits selbst natürlich strategische Interessen im Indopazifik verfolgt."
Ebenso sieht es der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid. Der Ärger in Paris sei nachvollziehbar, "denn das war ja nicht nur ein kommerzieller Vertrag über Rüstungsgüter, sondern damit war eine strategische Kooperation zwischen Australien und Frankreich rund um den Indopazifik verbunden und letzten Endes über Frankreich auch mit der Europäischen Union", sagte er im Dlf.
Frankreich hat im Indopazifik als einziger europäischer Staat über große Gebiete verfügt, von Mayotte und La Réunion bis zu Französisch-Polynesien und Neukaledonien. Knapp zwei Millionen Franzosen leben laut AFP in dieser Region, seit 2020 hat Frankreich einen eigenen Botschafter für den Indopazifik.
Seit einiger Zeit sei klar, dass China anders als früher immer mehr auf dem Meer, auch im indopazifischen Raum, präsent sei. Frankreich fürchte, dass China eine "Politik des Erstickens" betreibe, erklärt die Journalistin Suzanne Krause, insbesondere im Südchinesischen Meer, wo wichtige Handelsstraßen verlaufen.
Offiziell soll die Allianz zum Frieden und zur Sicherheit in der Region beitragen und diese verbessern, sagt Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf. "Aber ich glaube auch, dass alle drei Partner, die diesen Deal jetzt eingegangen sind, ein wenig mit dem Rücken zur Wand standen."
Australien sehe sich der Übermacht Chinas gegenüber, das Vereinigte Königreich suche nach dem Brexit seine Rolle auf der Weltbühne, und die USA würden das Afghanistan-Debakel vergessen machen wollen. Alle drei eine der Wunsch, zu zeigen, dass der Westen in der internationalen Sicherheits- und Verteidigungspolitik weiter dominant sei und dass man den Chinesen hier auf keinen Fall das Feld überlassen werde.
Doch die Worte des US-Präsidenten Joe Biden passten nicht zu seinen Handlungen, kritisierte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der französischen Nationalversammlung Jean-Louis Bourlanges im Deutschlandfunk. "Wir sind uns alle einig, die anderen Europäer, Franzosen und Deutsche, dass wir mit Biden über die beste Strategie China gegenüber diskutieren wollen. China ist ein schwieriges Thema: gleichzeitig auf der einen Seite im Kampf gegen die Erderwärmung und für wichtige Handels- und Industrie-Beziehungen ein Partner, an dem kein Weg vorbeiführt. Aber auch ein Partner, der immer härter wird in einer sehr beunruhigenden Art neo-maoistischen Erwachens. Wir haben den Eindruck, dass Herr Biden das Gegenteil von dem befürwortet, was er tut. Ich kann das amerikanische Interesse an einer Schwächung des Bündnisses mit den Franzosen, den Deutschen und den Europäern nicht erkennen."
Für die Europäer sei der Streit ein Anlass, darüber nachzudenken, "wie und mit welchen Mitteln wir im Indopazifik unseren europäischen Einfluss und auch unsere Werte verteidigen können. Offensichtlich sind wir militärisch nicht wirklich gefragt", sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid.
Auch in Bezug auf China sei es wichtig, "nicht nur unsere Handelsinteressen zu sehen", betonte Schmid. Handel sei immer eingebettet in geopolitische Erwägungen. Deshalb sei es ganz wichtig gewesen, "dass zunächst Deutschland, aber inzwischen auch die EU eine Indopazifik-Strategie entwickelt hat", sagte der SPD-Politiker. Jede nächste Bundesregierung müsse genau an dieser Stelle weiterarbeiten: "Wir brauchen eine europäische China-Politik."
Die EU-Mitgliedsstaaten täten sich mit einer Zusammenarbeit in der Rüstungspolitik notorisch schwer, meint Sicherheitsexpertin Ronja Kempin. "Sie kaufen entweder lieber im eigenen Land, also national, oder aber in den USA." Das sei teuer – nicht nur finanziell, sondern eben auch politisch. Die EU trete dadurch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik seit Jahren auf der Stelle.
Für den Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sind die USA unter Präsident Joe Biden trotz des Streits ein verlässlicher Partner – auch wenn der neue Deal nicht gut kommuniziert worden sei.
In Washington drehe sich nicht mehr alles um Europa, sondern verstärkt um den Asien-Pazifik-Raum, so Röttgen im Dlf. Hier fange Biden an, ausgeprägte Bündnispolitik zu betreiben. Damit solle verhindert werden, dass China seine Dominanz ausbaue. Die Europäer würden einen schweren Fehler machen, darauf beleidigt zu reagieren.
Quellen: dpa, AFP, Marcus Pindur, Suzanne Krause, Isabelle Klein
(*) Name korrigiert