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Neue IOC-Richtlinien
"Es ist nicht das richtige Signal"

Politische Proteste von Athleten soll es bei Olympia in Tokio nicht geben. Das IOC hat Demonstrationen in bestimmten Situationen untersagt. Ein falsches Signal, sagte Johannes Herber von Athleten Deutschland im Dlf. Protestierende Sportler könnten Menschen inspirieren und einen gesellschaftlichen Wandel herbeiführen.

Johannes Herber im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Tommie Smith (Mitte) and John Carlos (rechts) bei der Siegerehrung der 200-Meterläufer 1968 in Mexiko-City: Der Gold- und der Silbermedaillengwinner heben die Faust als "Black Power"-Geste für die Bürgerrechte der Schwarzen.
"Black Power": Der ultimative Protest bei Olympia. Tommie Smith (Mitte) and John Carlos (r.) heben bei Olympia 1968 die Faust für die Bürgerrechte der Schwarzen. (picture-alliance / United Archives/TopFoto)
Nach den am Donnerstag veröffentlichten Leitlinien zur Regel 50 der Olympischen Charta sind Proteste und Demonstrationen unter anderem an allen olympischen Wettkampfstätten inklusive des Olympischen Dorfes, während der Medaillenzeremonien und während der Eröffnungs- und Schlussfeier untersagt. Dazu gehören explizit das Zeigen von politischen Botschaften, politische Gesten wie das Knien oder Verstöße gegen das Protokoll bei Siegerehrungen.
"Es ist nicht das richtige Signal für den Moment", sagte Johannes Herber, Geschäftsführer des Vereins Athleten Deutschland im Deutschlandfunk. Athleten Deutschland ist eine Interessenvertretung, die sich vor gut zwei Jahren vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) losgelöst hat. "Wir sehen weltweit, dass Athleten bereit sind, deutlich zu politischen Themen Stellung zu beziehen. Und wir glauben, dass sie da auch tatsächlich Menschen inspirieren und einen gesellschaftlichen Wandel herstellen können."
Der Colin Kaepernick (Mitte) von den San Francisco 49ers und zwei Mitspieler knien während der Nationalhymne bei einem Match der National Football League. 
Quaterback Colin Kaepernick (Mitte) bei seinem Protest in der National Football League (picture alliance/EPA/JOHN G. MABANGLO )
Herber: Keine Gefahr der Spaltung
Deswegen sei es für ihn nicht nachvollziehbar, warum das IOC die Sportler in ihrer Meinungsfreiheit einschränken möchte. Die Gefahr einer Spaltung der Athleten und der Spiele sehe er auch nicht, denn in der Vergangenheit hätten Sportler ihren Protest sehr friedlich und respektvoll bekundet, sagte Herber.
Das IOC fürchte, dass durch protestierende Sportler die Einheit der Spiele in Gefahr sei. Mit diesem Argument müsse man sich auseinander setzen, sagte Herber. Man müsse aber eine Debatte führen dürfen, wie Meinungsfreiheit und wie positiver und friedvoller Protest aussehe könnte.

Protest in Interviews, Pressekonferenzen und Social Media erlaubt
Johannes Herber, Geschäftsführer des Vereins Athleten Deutschland und ehemaliger Basketball Nationalspieler
Johannes Herber, Geschäftsführer des Vereins Athleten Deutschland und ehemaliger Basketball-Nationalspieler (dpa/Maurizio Gambarini)
Athleten ist weiterhin erlaubt, ihre politische Meinung während Pressekonferenzen und Interviews, in Teambesprechungen, in digitalen und traditionellen Medien sowie Sozialen Netzwerken zu äußern. Zuletzt hatten mehrere Sportler mit ihrem Verhalten für Aufmerksamkeit gesorgt.
So hatten sich bei der Schwimm-WM im vergangenen Jahr der Australier Mack Horton und der Brite Duncan Scott bei der Medaillenvergabe geweigert, dem unter Dopingverdacht stehenden chinesischen Sieger Sun Yang zu gratulieren und für das Siegerfoto auf dem Podest zu posieren. Bei den Panamerikanischen Spielen hatte der US-Fechter Race Imboden bei der Siegerehrung gekniet und sich damit dem Protest des ehemaligen NFL-Quarterbacks Colin Kaepernick gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit in den USA angeschlossen.
Herber sieht keinerlei Gefahr, dass die Athleten durch die neue Richtlinien unmündiger würden. Sportler hätten immer noch die Chance sich abseits der Arena und in den Sozialen Medien zu äußern. Zudem sei die Sanktionierung durch das IOC nicht klar, sagte der Ex-Basketballer.
Herber plädierte eher für eine Lockerung der Regel 50, denn er glaube nicht, dass es viele Sportler gebe, die auf dem Podest oder bei der Siegerehrung protestieren wollen würden. Am Ende müsste jeder Athlet selbst entscheiden, ob die Sache, für die er eintreten wolle, es wert sei, womöglich dafür bestraft zu werden.