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Neue Islamkrise in den Niederlanden?

Das hat sich Geert Wilders anders vorgestellt: Sein Anti-Islam-Film vergrößert nicht die Kluft zwischen Moslems und Christen, sondern vereint Moslems und Christen in der gemeinsamen Empörung. Doch die Niederlande sind sich der Gefahr bewusst, die von Filmen wie dem von Wilders ausgehen.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Bilder von den Terroranschlägen in New York, Madrid und London. Hassprediger, die zum Töten aller Nichtmoslems aufrufen. Koransuren, Steinigungen und Enthauptungen. Fitna heißt der Film von Geert Wilders, was Heimsuchung bedeutet oder Unruhe. Doch Wilders beweist wenig Originalität: Er reiht bekannte Terrorbilder hintereinander, kombiniert sie mit Koransuren und Auszügen aus Imampredigten, um so die Schattenseiten des Islams anzuprangern - und damit die gesamte Moslembevölkerung mit islamitischen Fundamentalisten über einen Kamm zu scheren.

    Neues hat Fitna nicht zu bieten - und deshalb ist in den Niederlanden trotz aller Aufregung auch die Erleichterung groß. Oder die Enttäuschung, sagen böse Zungen wie der renommierte Utrechter Arabist Hans Jansen:

    "Manche Leute mag es enttäuschen, aber ich erwarte keine Probleme. Anschläge jedenfalls rechtfertigt dieser Film nicht. Seine Bilder sind in aller Welt bekannt - auch in den Moslemländern!"
    Außerdem hat Wilders Vorsicht walten lassen: Er geht an die Grenzen, aber er überschreitet sie nicht. Viele hatten gefürchtet, dass in Fitna der Koran zerrissen werden würde - für gläubige Moslems Blasphemie. Doch man sieht den aufgeschlagenen Koran nur und hört dann, wie Papier zerrissen wird - eine Seite aus dem Telefonbuch, erfährt der Zuschauer. Die Moslems müssten selbst entscheiden, was sie aus dem Koran entfernen wollten.

    Auch wird eine der dänischen Mohammed-Karikaturen gezeigt. Die Bombe im Turban von Mohammed beginnt zu ticken. Doch dann folgt keine Explosion, sondern ein Gewitter mit Blitz und Donner. Damit will Wilders zeigen, welche Unruhe der Islam in der westlichen Welt anrichte.

    Mehr als diesen Anflug von Kreativität hat Wilders in seinem Film nicht unter Beweis gestellt. Dafür leistet er sich dicke Schnitzer: So verwechselte er Mohammed Bouyeri, den Mörder von Theo van Gogh, mit einem bekannten moslemischen Rapper in den Niederlanden - und zeigt dessen Bild in Fitna. Auch bringt er Bilder eines religiösen schiitischen Festes, bei dem die Teilnehmer mit Blut beschmiert werden, mit Terror in Verbindung - obwohl das überhaupt nicht den Tatsachen entspricht.

    Sein Ziel wird er dennoch erreicht haben: Angst säen - mit dem Ziel, Wählerstimmen zu ernten. Die niederländische Staatsanwaltschaft untersucht, ob Wilders verfolgt werden kann - denn mit der Angst säe er auch Hass. Fitna dämonisiere eine Million Moslems in den Niederlanden, sagt Fouad Sidali von der Dachorganisation der niederländischen Marokkaner:

    "Wir distanzieren uns von jeder Form der Gewalt! Wir sind Niederländer! Wir lieben dieses Land - und wir respektieren seine Gesetze!"

    Mit einer ganzen Reihe von Gegenfilmen versuchen junge Moslems zur Versöhnung aufzurufen und zum Brückenbauen. Auch suchen viele von ihnen die Debatte mit Wilders. Das sei das einzig Gute an der ganzen Affäre, findet der renommierte niederländische Schriftsteller Geert Mak:

    "Mit seinem Film hat Wilders einen enorm positiven Effekt auf das Selbstbewusstsein der jungen niederländischen Moslems - und damit auch auf die Modernisierung des Islams in den Niederlanden! Nach dem Attentat auf den Filmemacher Theo van Gogh herrschte Schweigen, alle waren wie gelähmt. Jetzt sind die Moslems hellwach."

    Und das müssen sie auch bleiben: Denn selbst wenn der Wilders-Film glimpflich ablaufen sollte: Inzwischen hat sich der junge Politiker Ehsan Jami gemeldet, selbst Moslem, aber so wie Wilders wegen seiner islamfeindlichen Äußerungen umstritten: Jami will Wilders mit einem zweiten Anti-Islam-Film übertreffen: einem Zeichentrickfilm mit dem Titel "Das Leben des Mohammed". Darin soll Mohammed als perverser alter Mann entlarvt werden, der mit erigiertem Penis und einem Kind an der Hand eine Moschee betritt. Voraussichtliches Sendedatum: 20. April - der Geburtstag von Adolf Hitler.