Bankräuber: "Ich will eine halbe Million Euro in 100-Euro-Scheinen in einer durchsichtigen Plastiktüte und eine halbe Million in 50-Euro-Scheinen auch in einer Plastiktüte. Ihr habt eine Stunde, um das Geld herzubringen!"
Das Szenario ist so alt wie der erste Fernsehkrimi: Zwei Verbrecher überfallen eine Bank, nehmen Geiseln und versuchen, Lösegeld zu erpressen. Oberflächlich gesehen ist die Handlung der Serie "24 Hours - Two Sides of Crime" damit schon zusammengefasst.
Bankräuber: "Falls ich jemanden sehe, wird einer der Leute dafür bezahlen ... Falls ihr darüber nachdenkt, die Bank zu stürmen, werde ich den ganzen Laden in die Luft sprengen."
Doch eine simple Inhaltsangabe greift im Fall dieser Serie viel zu kurz und ist eben genau das: oberflächlich. "24 Hours" ist weit mehr als eine Polizei-Ermittlungsgeschichte. Die Serie ist Arbeitsprotokoll, Milieustudie und Psychogramm zugleich.
Bankräuber: "Warum dauert das so lange? Soll ich sauer werden, oder was?"
Die Realität als Kaleidoskop
Aus verschiedenen Perspektiven erzählt sie ein und dieselbe Geschichte mehrfach - und so haben wir es am Ende mit vielen Geschichten zu tun - der Ermittler, der Täter, der Opfer, ihrer Angehörigen und der Schaulustigen.
Ermittler: "Die übertragen das alles schon! Verdammte Scheiße!"
Die Realität als Kaleidoskop: Wir blicken der Polizei über die Schulter, wenn sie mit den Bankräubern verhandelt. Wir sind im Besprechungsraum dabei, wenn über den Abruf der Einsatzleiter entschieden wird; wir kriegen mit, wie sich Eltern um ihre verschwundenen Kinder sorgen, und wir sehen die Geiselnehmer zunehmend an ihrem Plan verzweifeln.
Bankräuber: "Wenn sie die Bank stürmen, ist es vorbei."
Die vielfältigen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Figuren machen die Action, die eigentliche Spannung in "24 Hours" aus. Nichts ist einfach, alles ist Verhandlungssache: Da ist die wortkarge Chefunterhändlerin De Vos, der unerfahrene Neuling Ibrahim, der impulsive Serientäter Elias oder der 6-jährige Schuljunge Basil.
Eltern: "Basil! Basil! Nicht über die Straße."
Sie alle müssen sich irgendwie in diesem sozialen Kommunikationsgeflecht unter Ausnahmebedingungen zurechtfinden. Sie alle machen das ganz unterschiedlich, und sie alle improvisieren durchgehend. Einen Masterplan, einen Sherlock Holmes oder eine Miss Marple gibt es nicht - genau das macht die Sache so interessant.
Ermittlerin: "Wie du es sagst, das musst allein du entscheiden."
"24 Hours" dokumentiert akribisch und glaubwürdig die Vorgehensweise der Ermittler und erinnert dabei an die bahnbrechende HBO-Krimiserie "The Wire".
Ermittler: "Die Seitentür ist gepanzert und der Rest der Bank ist auch nicht so gebaut, dass man da einfach reinspazieren kann."
Ermittler 2: "Kann man das nicht mit so Wärmekameras machen?"
Emittler: "Nein, das geht nur in Hollywood."
Ermittler 2: "Kann man das nicht mit so Wärmekameras machen?"
Emittler: "Nein, das geht nur in Hollywood."
Die Katastrophe lauert überall
Keine lauten Explosionen und markigen Sätze wie in Hollywood, sondern muffige Behördenluft und kleinteiliges Vorarbeiten in der belgischen Provinz. Dabei ist immer klar: Jeder falsche Schritt, jede falsche Bewegung kann zur Katastrophe führen.
Die Serie folgt dabei einer quasi aristotelischen Dramatik: Einheit von Ort, Zeit und Handlung sind größtenteils gegeben, oft wird in Echtzeit erzählt. Dazu fügen sich durch die wechselnden Perspektiven nach und nach kleine Nebenschauplätze und -handlungsstränge zusammen. Keiner scheint der zu sein, der er vorgibt, zu sein.
Ermittler: "Du hattest die Pflicht zu melden, dass dein Vater sterbenskrank im Krankenhaus liegt. Das hast du nicht getan. Ich ziehe dich von dem Fall ab!"
"24 Hours" - eine zehnteilige Krimiserie, die sich sehr positiv von den vielen einheitlichen und uninspirierten "Whodunit"- Crime-Formaten im ZDF unterscheidet. Wieso also nur Nischenprogramm mit ZDFneo? Eine so klug und gut gemachte Qualitätsproduktionen hätte einen Platz zur Primetime verdient gehabt.