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Neue Kritik an der WADA
Schmerzmittel Tramadol weiter erlaubt

Das opioidartige Schmerzmittel Tramadol kann einen leistungssteigernden Effekt haben. Mehrere Anti-Doping-Agenturen wollen die Substanz deshalb im Wettkampf verbieten. Doch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) weigert sich, Tramadol auf die Dopingliste zu setzen - und will den Einsatz des Medikaments weiter beobachten.

Von Sebastian Krause |
    Tramadol-Tabletten
    „Es gibt derzeit noch keinen endgültigen Beweis dafür, dass Tramadol die Kriterien für ein Dopingmittel erfüllt“, meint die WADA. (dpa/ picture alliance/ Photoshot)
    Tramadol hilft, sagen Insider. Um den Schmerz zu betäuben und trotz Verletzung spielen zu können - etwa im Fußball. Oder im Radsport, um sich bergauf quälen zu können, obwohl es eigentlich nicht mehr geht. Trotzdem ist Tramadol erlaubt. Für viele Anti-Doping-Experten wie den Nürnberger Pharmakologen Fritz Sörgel nicht nachvollziehbar.
    "Der schmerzlindernde Effekt ist noch nicht per se Dopingmittel. Aber hier haben wir eine Substanz, die zwei Wirkungen hat. Erstens, das schmerzlindernde und zweitens eben das euphorisierende, das stimmungsverbessernde, das leistungsbereitschaftsverbessernde Arzneimittel."
    Starke euphorisierende Eigenschaften
    Schmerzmittel sind im Spitzensport generell erlaubt. Aber Tramadol sei kein normales Schmerzmittel.
    Professor Fritz Sörgel, Dopingexperte und Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP).
    Professor Fritz Sörgel, Dopingexperte und Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP). (deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    "Es ist ein sogenanntes Opioid. Ein starkes Schmerzmittel, das sich vom Morphin ableitet. Gerade wegen der euphorisierenden Eigenschaften schon eine Substanz, die man eigentlich auf die Dopingliste setzen müsste."
    Auch mehrere Anti-Doping-Agenturen, darunter die deutsche NADA, haben vorgeschlagen, Tramadol im Wettkampf verbieten zu lassen.
    "Aufgrund der Auswertung des Überwachungsprogramms der WADA aus 2017 und des daraus hervorgehenden Missbrauchs der Substanz Tramadol, ganz besonders im Radsport."
    Begründet NADA-Chefin Andrea Gotzmann den Vorstoß. 2017 war Tramadol in mehr als 4 Prozent der Dopingproben von Radsportlern und auch im Urin von Fußballern und Leichtathleten gefunden worden. Außerdem hätte eine Untersuchung gezeigt, dass Tramadol einen leistungssteigernden Effekt haben kann. Aber auf der neuen Dopingliste der WADA für 2019 taucht das Mittel wieder nicht auf.
    WADA will Einsatz des Medikaments beobachten
    "Es gibt derzeit noch keinen endgültigen Beweis dafür, dass Tramadol die Kriterien für ein Dopingmittel erfüllt", rechtfertigt sich die WADA auf Anfrage. Man werde den Einsatz des Medikaments aber weiterhin beobachten und neu entscheiden, sollte es neue Erkenntnisse oder Studien dazu geben.
    Für die NADA und Experte Sörgel sind die Kriterien längst erfüllt. Tramadol könne nicht nur leistungssteigernd wirken, sondern auch gesundheitsgefährdend sein - Nebenwirkungen, Übelkeit, Erbrechen bis hin zur Abhängigkeit.
    "Wenn er es dauerhaft nimmt, um sich täglich zu belasten, dann wird er innerhalb kürzester Zeit natürlich abhängig. Das ist das klassische, was man im Lehrbuch über Opioide und Substanzen wie Tramadol nachlesen kann."
    Der Radsport-Weltverband UCI hat das Problem erkannt und will Tramadol jetzt auf eigene Faust verbieten. In allen anderen Sportarten bleibt das Schmerzmittel auf jeden Fall erlaubt. Auch im Fußball, wo der Weltverband FIFA keinen Handlungsbedarf sieht. "Das Mittel scheint im Fußball nur sehr begrenzt verwendet zu werden", sagt ein FIFA-Sprecher dem Bayerischen Rundfunk. Ein konsequenter Anti-Doping-Kampf sieht anders aus.