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Neue Kunden, neue Ansprüche

Internet. - Mehr als 700 Millionen Menschen spielen weltweit regelmäßig "Social Games". Für die Entwickler bedeutet das neue Genre den Abschied von vielen Strukturen und Gewohnheiten aus der Spieleindustrie. Gleichzeitig tun sich auch gerade für kleine Entwicklerstudios große Chancen auf: Mit wenig Aufwand können sie ein riesiges Publikum erreichen. In Berlin trafen sich in dieser Woche internationale Experten und Entwickler auf dem "Social Gaming Summit 2011".

Von Tarik Ahmia | 28.05.2011
    Es herrscht Goldgräberstimmung in der Social Gaming Branche: Weltweit hat sich die Zahl der aktiven Social Gamer im vergangenen Jahr verzehnfacht. Allein das erfolgreichste Browser-Spiel des US-Branchenriesen "Zynga" haben im vergangenen Monat 89 Millionen Menschen gespielt. Alle Social Games sind dabei zunächst kostenlos. Ob Skat, Poker, Restaurant- oder Mafia-Simulationen: Geld verdienen die Anbieter nur durch den Verkauf von virtuellem Zubehör, erklärt Michael Kalkowski, Creative Director beim dem Berliner Entwicklerstudio Game Duell.

    "Spieler können das Spiel kostenlos spielen und können dann aber, wenn Sie wollen, noch zusätzliche Features im Spiel freischalten, die dann beim Spielen Ihnen noch Vorteile geben, extra Zeit oder noch ein Level freischalten. Und das erfolgt dann über ganz kleines Summen. Das sind dann Cent-Beträge."

    Die sich in diesem Jahr auf weltweit mehr als 12 Milliarden US-Dollar Umsatz summieren sollen. In Berlin trafen sich in dieser Woche 200 Experten und Entwickler aus vielen Nationen auf dem "Social Gaming Summit", um über Spielkonzepte, Vertriebsstrategien und Geschäftsmodelle zu diskutieren. In den gut 20 Vorträgen und Podien wurde deutlich, dass das boomende Genre gewohnte Regeln der Computerspieleindustrie gleich mehrfach auf den Kopf stellt und der Branche neue Herausforderungen beschert: Social Games sprechen eine viele ältere Zielgruppe als klassische Computerspiele an. Sie erfordern auch weitreichende Änderungen bei den Methoden der Softwareentwicklung und des Spielevertriebs, weil sie nur virtuell im Internet existieren. 70 Prozent der Social Gamer sind Frauen, sagt Henning Kosmack vom Münchner Entwicklerstudio Mega Zebra:

    "Der Durchschnittsspieler ist in der Tat sehr klassisch, so 35, weiblich. Viele Leute die bei uns spielen haben nie vorher ein anderes Spiel online gespielt. Die Spiele müssen relativ einfach sein, man muss sehr schnell rein kommen."

    Anders als bei herkömmlichen Computerspielen ist die Entwicklungsarbeit bei Social Games nie zu Ende. Die meisten Anbieter veröffentlichen neue Spiele in sozialen Netzwerken zunächst in einer funktionierenden Grundversion und passen sie im Wochenrhythmus den Kundenwünschen an. Nie zuvor konnten Softwareentwickler die Vorlieben ihrer Kunden so genau beobachten wie bei den Online Spielen. Sekundengenau analysieren sie, wie die Spieler auf Änderungen reagieren.
    Michael Kalkowski von Game Duell.

    "Man hat dann eine neue Idee, ein neues Feature oder mehrere. Die werden dann parallel verschiedenen Segmenten der Nutzer gezeigt und dann kann man genau nachmessen, wie funktioniert das und wie funktioniert das. Dann kann man das alles testen und das System in relativ kurzer Zeit, innerhalb von wenigen Tagen- also wir haben bei uns Entwicklungszyklen, da reden wir über ein, zwei Wochen, in denen neue Sachen gelauncht und entwickelt werden, das ist extrem schnell in der Branche."

    Durch die ständigen Verbesserungen lässt sich das Interesse an einem Spiel oft über Jahre aufrecht erhalten. Die neue Produktionsweise mache auch die etablierten Spieleverlage und Vertriebe überflüssig, sagt Jens Begemann von Europas größtem Social Gaming Entwickler WOOGA.

    "In der klassischen Spieleindustrie sind Publishers sehr, sehr wichtig. Das heißt, die Spieleverlage haben den Zugang zum Markt. Und in dieser neuen Welt habe ich als Entwickler direkten Zugang zu meinen Kunden. Die Spiele funktionieren im Internet und deswegen ist es heute für einen Entwickler, auch für einen kleinen Entwickler möglich, über direkten Zugang zu seinen Nutzern mit einem Fokus auf das bestmögliche Spiel großen Erfolg zu haben."

    Technisch sind die meisten Social Games bislang nicht sehr anspruchsvoll. Die Entwickler von C-Mune zeigten in Berlin mit "Überstrike" den nächsten Schritt: der erste Multiplayer 3D Shooter, der im Internet Browser läuft. Die Grafikengine "Unity" streamt die 3D Inhalte in den Browser. Anderthalb Jahre haben die Programmierer die Netzwerkleistung von "Überstrike" optimiert, sagt Benjamin Joffe von C-Mune.

    "We need to have really good networking performance. We actually spent a year and a half optimizing this."

    Selbst wenn man den Marketing-Hype, den auch deutsche Social Gaming Firmen um sich veranstalten, kritisch betrachtet, bleibt festzuhalten, dass einige von ihnen mittlerweile in der Weltspitze angekommen sind. Davon zeugt nicht zuletzt der "Social Gaming Summit". Denn organisiert wurde das Treffen von einem amerikanischen Veranstalter. Die Wahl Berlins als Tagungsort trug der internationalen Bedeutung Rechnung, die Deutschland und insbesondere die Hauptstadt für die Hersteller von Social Games mittlerweile haben.