Sonnenblumen auf den Tischen, Sonnenblumen auf dem Podium. Auf den ersten Blick eine Versammlung der Bündnisgrünen. Tatsächlich saßen bis Sonntagabend rund 200 Gründungsmitglieder der „Neuen Liberalen" in Hamburg-Wilhelmsburg zusammen, stimmten über vier Dutzend Programmanträge ab und wählten ihr Führungsduo.
Sylvia Canel und Najib Karim sollen die neue Partei führen. Karim war einst stellvertretender Chef der Landespartei, Canel die Vorsitzende. Anfang September war sie nach einem jahrelangen Machtkampf mit der Spitzenkandidatin Katja Suding von ihrem Amt zurück-, und aus der FDP ausgetreten. Sylvia Canel will das Profil der „Neuen Liberalen" vor allem auf drei Gebieten schärfen:
"Für mich ist der wichtigste Punkt immer Bildung! Dass wir auf der einen Seite einen gemeinsamen Rahmen haben in der Bundesrepublik fordern. In Bezug auf das Beamtentum zum Beispiel. Das kann man nicht als einzelnes Bundesland abschaffen. Und dass wir beim zweiten Thema, beim Thema Umweltschutz wieder stark werden! Wir können nicht immer den Klimawandel leugnen. Und das dritte Thema ist auch ein Demokratie-Thema: wie können wir unseren Staat so konzipieren, dass möglichst viele teilhaben können?"
"Offen, liberal und respektvoll"
Darüber will sie mit den Parteimitgliedern diskutieren. Offen, liberal und respektvoll. Das, so Canel, sei in anderen Parteien heutzutage kaum noch möglich. Najib Karim, 41 Jahre alt, Biochemiker aus Hamburg mit afghanischen Wurzeln, sieht die FDP der Siebzigerjahre als Vorbild für die „Neue Liberale".
OT Karim: Wir haben eine Grundphilosophie, die ist identisch mit denen der sozialliberalen Philosophien früherer Jahrzehnte, auch früherer Jahrhunderte. Ich hatte das in meiner Rede ja auch dargestellt, dass schon im 19. Jahrhundert entsprechende Konzepte ja vorhanden waren. Daran wollen wir anknüpfen. Aber wir wollen natürlich neue Lösungen für die neuen Probleme finden.
Viele Parteilose, viele Überläufer
Aus allen Bundesländern waren Parteimitglieder der „Neuen Liberalen" zum ersten Bundesparteitag nach Hamburg gereist. Der Großteil von ihnen war bislang in keiner Partei aktiv, so Najib Karim. Dabei sind aber auch enttäuschte ehemalige FDP-, SPD-, Grünen-, CDU- oder AfD-Mitglieder. Genauso wie Piraten-Partei-Mitglieder, die neuerdings auch das Parteibuch der „Neuen Liberalen" haben. Beide Parteien gestatten diese Doppelmitgliedschaft.
Einig waren sich die „Neuen Liberalen" auf ihren Gründungsparteitag vor allem darüber, dass sie – anders als die AfD – keine Vorbehalte gegen Europa und den Euro haben. Und dass die marktliberalen Ideen der FDP keine Lösungen für eine faire Chancenverteilung in der Gesellschaft bieten. - Ein halbes Jahr will sich die neue Partei für einen ersten Programmentwurf nehmen. Dann wird sich zeigen, ob das Profil der „Neuen Liberalen" tatsächlich so neu ist wie behauptet.