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Neue Messe Art Berlin
Treffen sich Kunst und Kommerz?

Jahrelang hatte Berlin keine große internationale Kunstmesse. Zur diesjährigen Berlin Art Week wagt die Hauptstadt mit der Art Berlin einen neuen Versuch. "Die 90er Jahre sind vorbei - eben die Zeit, in der Kunst nichts kosten durfte", sagte Kulturjournalistin Marie Kaiser im Dlf.

Marie Kaiser im Gespräch mit Thekla Jahn |
    Bereit zum Verkauf: Letzte Vorbereitungen für die erste Ausgabe der Art Berlin
    Bereit zum Verkauf: Letzte Vorbereitungen für die erste Ausgabe der Art Berlin (picture-alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Thekla Jahn: Heute Abend nun eröffnet die erste Art Berlin und meine Kollegin Marie Kaiser konnte sich schon vorab umschauen in der Station am Gleisdreieck. Marie, was erwartet den Besucher dort?
    Marie Kaiser: Eine riesige Halle, ziemlich rustikal - es ist ja ein ehemaliger Postbahnhof - und da sind dann viele Galerien, die alle ihre kleinen Kojen aufgebaut haben, und jeder macht so ein bisschen sein Ding.
    Jahn: Die Art Cologne, eine der ältesten Messen für zeitgenössische Kunst weltweit, hat mitgeholfen, die Art Berlin auf die Beine zu stellen. Brauchten die Berliner diese Hilfe vom Rhein?
    Kaiser: Ja, auf jeden Fall. In Berlin hat sich niemand gefunden, der überhaupt die finanzielle Verantwortung für eine solch große Kunstmesse übernehmen wollte. Und was Berlin bis zum vergangenen Jahr hatte, war die Art Berlin Contemporary, also eine Messe, bei der verschiedene Galerien jeweils immer nur einen ihrer Künstler vorgestellt haben, und das wirkte, wenn man da reingegangen ist, wie eine große Ausstellung mit vielen Einzelpositionen von zeitgenössischen Künstlern. Das hat aber auch dazu geführt, dass zwar viele gekommen sind, um da durchzulaufen und zu gucken, aber gekauft wurde immer weniger. Und die neue Art Berlin ist jetzt Teil der Kölnmesse, es gibt eine Arbeitsteilung: Die Art Cologne kümmert sich vor allem um Budget und Finanzen. In gewisser Weise ist das Berliner Team also fremdbestimmt, soll aber federführend bleiben.
    Mehr Aussteller
    Jahn: Was unterscheidet denn die neue Art Berlin von der alten Art Berlin Contemporary?
    Kaiser: Also das ist jetzt kein radikaler Neuanfang, eher eine Weiterentwicklung. Der Ort bleibt zum Beispiel derselbe: die Station Berlin, eben im Berliner Zentrum. Ich habe schon vor der Eröffnung in die große Halle hereinschauen dürfen. Es gibt zum Beispiel mehr Aussteller: 110 Galerien in diesem Jahr. Und wo früher alles sehr offen und experimentell war, gibt es jetzt diese Messekojen und das war was, da hat die ABC immer gesagt, das wollen wir auf keinen Fall, da haben sie sich von distanziert, alles sollte experimentell und offen sein. Und der Berliner Galerist Guido Baudach, der viel auf internationalen Messen unterwegs ist, der hofft, dass die Kojen auch dabei helfen, auf der Art Berlin mehr zu verkaufen:
    Guido Baudach: "Es sieht geordneter aus, strukturierter. Vorher war es immer ein bisschen offener und für die Leute nicht so klar zu durchschauen, was passiert. Und der entscheidende Unterschied eigentlich, ist: Es ist nicht mehr der Zwang für den Aussteller da, eine Solopräsentation zu machen. Das heißt zum Beispiel, wir haben jetzt sechs oder sieben Künstler am Stand. Und das ist auch das Kommerziellere. Dass heißt, die Leute kommen und müssen sich nicht auf einen einlassen. Man kann verschiedene Geschmäcker und Interessen bedienen."
    Kaiser: Da habe ich schon aufgemerkt: Das ist eine erstaunliche Entwicklung für mich. Auf einmal ist es in Berlin nicht mehr ganz so anstößig, im Zusammenhang mit Kunst Worte wie "verkaufsorientiert" oder "kommerziell" überhaupt in den Mund zu nehmen. Das ist ein ganz klares Signal: Die 90er Jahre sind vorbei - eben die Zeit, in der Kunst nichts kosten durfte.
    Kunst der Moderne als Publikumsmagnet
    Jahn: Berlin musste vor sechs Jahren die internationale Kunstmesse Art Forum aufgeben. Damals ist es daran gescheitert, dass einfach nicht genug Kunst verkauft werden konnte. Ist die Hauptstadt denn mittlerweile bereit für eine neue kommerzielle Messe?
    Kaiser: Ich habe daran noch Zweifel, aber die Direktorin der Art Week, Maike Cruse, ist überzeugt davon.
    Maike Cruse: "Ich glaube, es ist ein guter Zeitpunkt, weil die Galerienszene und die Künstlerszene ist sehr stark in Berlin. Das ist der Grund, warum hier viele Leute herziehen, Sammler, die herziehen oder ihre Wochenendwohnung jetzt hier haben. Und es fangen auch sehr viele junge Leute an, Kunst zu sammeln. Und deswegen, denke ich, ist es schon ein ziemlich guter Zeitpunkt, mit einer Messe anzufangen und die die nächsten Jahre auch aufzubauen.
    Kaiser: Aber die Art Berlin, die setzt auch ganz klar auf Sammler, die extra anreisen, internationale Sammler, aber es werden auch viele Gäste aus dem Rheinland erwartet. Das ist auch ein Effekt der Zusammenarbeit mit der Art Cologne. Und ein entscheidender Punkt, der dafür spricht, dass sich die Art Berlin etablieren könnte, ist, dass jetzt nicht nur zeitgenössische Kunst gezeigt wird, sondern auch die Kunst der Moderne. Und gestern hab ich da in der Station Arbeiten von Roy Lichtenstein oder Andy Warhol gesehen und das zieht natürlich ganz andere Sammler an. Und mit Kunst der Moderne, da verkauft man natürlich auch viel besser und viel teurer.
    Tanzperformance von Boris Charmatz
    Jahn: Die Art Berlin ist nur ein Highlight der Art Week in Berlin. Viele andere Ausstellungen werden dieser Tage eröffnet. Welche Favoriten haben Sie in diesem Jahr?
    Kaiser: Wenn ich mir zwei rauspicken müsste, dann auf jeden Fall die Volksbühne unter neuer Leitung von Chris Dercon, die ist jetzt Teil der Art Berlin. Auf dem ehemaligen Flughafengelände Tempelhofer Feld wird es eine sechsstündige Tanzperformance von dem französischen Choreographen Boris Charmatz. Und unbedingt gehen sollte man auch in den Hamburger Bahnhof, also das Museum für Gegenwartskunst. Da übernimmt der dänisch-isländische Künstler Ólafur Elíasson, bekannt ja für seine poetischen Installationen, und er wird da sein mit seinem Institut für Raumexperimente. Das ist eine Gruppe von über 100 Künstlern, und angekündigt ist ein Punk-Opern-Wetterleuchten über dem Museum, also eine Mischung aus Performance, Wahrnehmungsspiel und Happening. Das sollte sich wohl kein Besucher der Berlin Art Week entgehen lassen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.