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Neue Methode gegen Pankreastumore
Mikrobläschen und Ultraschall gegen Krebs

Mit inoperablem Bauchspeicheldrüsenkrebs bleibt den meisten Patienten trotz Chemotherapie nicht mehr als ein halbes Jahr. Um diese verbleibende Lebensspanne zu verlängern, arbeiten Forscher aus Norwegen an einer neuen Therapiemethode. Zentrales Element: winzige Gasbläschen, bestrahlt mit Ultraschall.

Von Frank Grotelüschen | 27.05.2016
    "Sie kommen tagtäglich in jedem Krankenhaus zum Einsatz. Sie werden in die Venen injiziert, um als Kontrastmittel bei Ultraschalluntersuchungen das strömende Blut sichtbar zu machen. Sie gelten als absolut sicher und werden routinemäßig eingesetzt."
    Die Gebilde, von denen Spiros Kotopoulis spricht, sind winzige Gasbläschen. Für gewöhnlich finden sie als Kontrastmittel Verwendung, und zwar bei bestimmten Ultraschalluntersuchungen. Kotopoulis dagegen, Forscher am Haukeland Universitätskrankenhaus im norwegischen Bergen, hat die Mikrobläschen zweckentfremdet, und zwar für die Krebstherapie:
    "Bestrahlt man die in die Blutbahn injizierten Mikrobläschen mit Ultraschall, verändern sie ihre Form. Sie fangen an zu schwingen, ähnlich wie eine Glocke. Diese Schwingungen wirken sich dann auf Tumorzellen aus, die sich in der Nähe befinden. Dadurch kann ein Chemotherapeutikum, das im Blut ist, deutlich effektiver in die Zellen eindringen."
    Überraschende Ergebnisse
    Die durch den Ultraschall in Schwingungen versetzten Gasbläschen machen die Tumorzellen ein wenig porös, bohren bildlich gesprochen winzige Löcher in die Zellmembran. Durch diese Poren kann der Wirkstoff dann eindringen und die Krebszellen effektiver angreifen. Damit wirken die Mikroblasen als Türöffner für das Medikament. Soweit das Konzept. Doch würde es in der Praxis funktionieren? Um Hinweise darauf zu bekommen, initiierten die Norweger eine erste klinische Studie mit zehn Freiwilligen:
    "Zunächst verabreichten wir den Patienten das Medikament per Infusion - genauso, wie es bei der Standard-Chemotherapie läuft. Unmittelbar danach injizierten wir die Mikroblasen, eine halbe Stunde lang alle dreieinhalb Minuten. Gleichzeitig bündelten wir einen Ultraschallstrahl auf den Tumor. Im Prinzip also ganz einfach."
    Die Prozedur wurde regelmäßig wiederholt, etwa einmal im Monat. Die Ergebnisse waren durchaus überraschend, sagt Kotopoulis:
    "Bei einigen Patienten schrumpfte der Tumor, was bei Bauchspeicheldrüsenkrebs ziemlich selten ist. Und das Wichtigste: Die durchschnittliche Überlebensspanne stieg deutlich: Wir konnten sie mehr als verdoppeln - von acht auf 18 Monate."
    Praxisreife in zehn Jahren?
    Allerdings sind die Resultate noch mit Vorsicht zu genießen - die Aussagekraft einer Studie mit zehn Patienten ist beschränkt. Schädliche Nebenwirkungen jedenfalls seien nicht aufgetreten, bis auf die üblichen Nebenwirkungen der Chemotherapie, sagt Kotopoulis - und sieht trotz der ermutigenden Ergebnisse noch Forschungsbedarf:
    "Wir wollen noch einiges verbessern: Wir suchen noch nach der optimalen Ultraschalldosis, der optimalen Behandlungszeit und den optimalen Mikrobläschen. Bislang haben diese Bläschen ziemlich unterschiedliche Größen, was für den Einsatz als Kontrastmittel egal ist. Für unsere Therapie jedoch wäre es besser, wenn alle Bläschen eine ähnliche Größe hätten. Damit ließe sich dann noch mehr Wirkstoff in die Tumorzellen einschleusen."
    Es wird also noch dauern, bis die Gasbläschen als Wirkstoff-Türöffner reif sind für die Praxis. Zuvor nämlich müssen sie sich noch in ausgedehnten klinischen Studien beweisen:
    "Wir hoffen, möglichst bald mit der Phase II einer klinischen Studie beginnen zu können. Die würde etwa drei Jahre dauern. Danach müsste sich die Phase III anschließen mit deutlich mehr Patienten. Also: Wenn alles rund läuft, könnte unsere Methode in zehn Jahren in jedem Krankenhaus der Welt zum Einsatz kommen."