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Neue Militärkathedrale
Wie die russisch-orthodoxe Kirche mit dem Militär zusammenwirkt

In Russland erinnert eine neu gebaute Kathedrale im Park Patriot bei Moskau an den Sieg über die Wehrmacht. Das Gedenken an jene, die gekämpft haben und gestorben sind, ist für Präsident Putin heilig. Daran zeigt sich das Zusammenspiel der orthodoxen Kirche mit dem Militär.

Von Thielko Grieß |
Der russische Präsident Vladimir Putin vor einer Kathedrale in Moskau
Der russische Präsident Putin und der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche Kirill vor der neuen Militärkathedrale in Kubinka bei Moskau (Alexey Nikolsky/Sputnik/afp)
Wladimir Putin, russische Präsident und Oberbefehlshaber der Armee, kam vor wenigen Tagen zur neu gebauten Hauptkirche der russischen Streitkräfte, um an der Weihe teilzunehmen. Innen und außen verweisen religiöse und militärische Symbole auf die Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Die drittgrößte orthodoxe Kirche des Landes zählt zu denen, in denen Patriarch Kirill Gottesdienste abhält.
Das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche und der Staat messen diesem Gebäude, und dem, wofür es steht, gemeinsam höchste Bedeutung bei. Staat und Kirche sind in Russland nur auf dem Papier getrennt, analysiert Thomas Bremer, Professor für Ökumenik und Ostkirchenkunde an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.
"In der Verfassung steht drin, dass er ein säkularer Staat ist und dass Kirche und Staat voneinander getrennt sind, aber die Wirklichkeit ist natürlich eine andere. Weil es in vielen Bereichen weitgehende Kooperationen zwischen Staat und Kirche gibt und weil die Staatsidee, zwar nicht auf dem Papier und nicht nach Verfassung und nicht nach den Grundsätzen, sehr stark von der Orthodoxie beeinflusst ist."
Für Putin ist die Erinnerung an den Krieg heilig
In der neuen, Mitte Juni geweihten Militärkirche zeigt sich: Das in Russland spezifische Verständnis von Geschichte, Verteidigungsbereitschaft und Patriotismus überschneiden sich in Staat und Kirche. Als er sich an die Soldaten wendet, die vor der Kirche aufmarschiert sind, lenkt Präsident Putin den Blick auf den Krieg gegen Nazi-Deutschland und dessen Verbündete, der in Russland Großer Vaterländischer Krieg genannt wird:
"Die Prüfung der Kriegszeit zeigte die unglaubliche Stärke und Standhaftigkeit unseres Volkes, unerschütterliche Beispiele von Mut, wahrem Patriotismus und Hingabe an den Auftrag unserer Vorfahren, unsere heimatliche Erde zu bewahren und zu schützen. Für uns Bürger Russlands ist die Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg, an alle, die gekämpft haben und gefallen sind und die uns dem Sieg näher brachten, absolut heilig."
Demonstrierende mit Fahnen und einem langen Transparent
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In der russisch-orthodoxen Kirche rumort es. Die Kirchenleitung stellt sich weiter hinter die Politik von Präsident Putin, auch wenn Menschenrechte verletzt werden. Nun ist einigen Priestern der Kragen geplatzt. Sie setzen sich ein für die Protestbewegung.
Das geistliche Oberhaupt, Patriarch Kirill, denkt diese historische Selbstvergewisserung weiter, wenn er mit Blick auf die Zukunft unterstreicht:
"Wichtig ist, dass der Geist, die Haltung unserer Soldaten immer unzerstörbar und stark bleiben. Dass die Erkenntnis der Notwendigkeit, sein eigenes Leben für das Vaterland hinzugeben, im Bewusstsein und in den Herzen eines jeden verankert sei, der einen Eid geschworen hat. Nur diese Entschiedenheit und dieser Mut und diese Treue zum Land, vervielfacht durch modernste technische Möglichkeiten und mächtige Bewaffnung, werden die Sicherheit unseres Landes für viele Jahre gewährleisten."
Kirche und Staat teilen die Idee eines starken Militärs
Die Kooperation zwischen dem Staat, dessen Armee und der Kirche nütze den beteiligten Akteuren, meint Theologe Thomas Bremer:
"Der Staat hat die Kirche als eine wichtige und bei vielen Menschen immer noch anerkannte Institution, die dasselbe Narrativ unterstützt, das der Staat eben auch vertritt, und wie er sich selber, aber auch wie er seine eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sieht. Die Kirche wäre dann eine Lieferantin von Ideen, die die Staatsideen unterstreichen."
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Staat und Kirche trügen seit Jahrhunderten gemeinsam die Idee von starkem Militär und der Verteidigung des Landes – seines Territoriums und seines vorherrschenden Glaubens:
"In der Russisch-Orthodoxen Kirche gibt es auch die Tradition, dass man die militärische Verteidigung als etwas Wünschenswertes und vom Ethos her Richtiges interpretiert und sieht."
So würden Fürsten wie Alexander Newskij oder Zaren, die auch militärische Kommandeure waren, als Heilige verehrt.
"Und es ist ja auch nicht ganz unbegründet. Also wenn man an die Geschichte des 20. Jahrhunderts denkt, dann kann man verstehen, dass es eine positivere Sichtweise von Armee und Verteidigungskrieg, so wird das immer interpretiert, gibt, als es eben in anderen Ländern der Fall ist."
Kein Bild von Stalin in der Kirche
Und doch stößt die gemeinsame Auslegung von Geschichte des vergangenen Jahrhunderts an Grenzen. Als die künstlerisch Verantwortlichen in einem Mosaik des Kirchenneubaus ein Banner einarbeiten wollten, auf der das Porträt Josef Stalins zu sehen war, ernteten sie kirchlichen Widerstand.
Der Diktator hatte die Kirche, Geistliche und Gläubige bis zum Zweiten Weltkrieg rücksichtslos verfolgen lassen. Die Architekten reagierten: In der Kirche ist kein Stalin zu sehen.
Trotz dieser Differenz: Wie eng Russisch-Orthodoxe Kirche und Armee zusammenwirken, fällt schon von weitem ins Auge: Die Außenwände tragen keine prächtigen Farben, wie sonst meist üblich. Sie sind dunkel gehalten und erinnern an Tarnfarben des Militärs.