Die Myelinscheide eines Nervs ist quasi seine Schutzhülle. Außerdem sorgt dieser isolierende Mantel dafür, dass der Nerv elektrische Impulse extrem schnell weiterleitet. Ein Reiz kann so innerhalb von Millisekunden durch den Körper geschickt werden. Doch bei Patienten mit multipler Sklerose greift das Immunsystem fälschlicherweise den eigenen Körper an, es kommt zu Entzündungsreaktionen im Zentralnervensystem. Und das schädigt die Myelinscheide, erklärt Florian Then Bergh, Oberarzt der Neurologie an der Uniklinik Leipzig:
"Also ein wichtiger Bestandteil der multiplen Sklerose-Therapie ist tatsächlich, die Entzündung zu reduzieren. Aber eingetretenen Schaden zu reparieren, dazu gibt es momentan keinen medikamentösen Ansatz."
Doch das wollen die Wissenschaftler ändern: Künstlich hergestelltes Wachstumshormon könnte helfen, die Myelinscheiden zu reparieren. Denn dieses Hormon sorgt dafür, dass ein bestimmter Wachstumsfaktor vermehrt gebildet wird - nämlich der "Insulin-like growth factor", kurz IGF-1. Then Bergh:
"Also es gibt verschiedene Untersuchungen, die erstens zeigen, dass dieser Wachstumsfaktor in der Zellkulturschale, also in vitro, die Proliferation und auch die Reifung von Vorläuferzellen der Oligodendrozyten verbessert. Zweitens gab es auch schon die ersten Versuche an transgenen Mäusen, bei denen sich bestätigt hat, dass IGF-1 auch zu einer vermehrten Myelinbildung beiträgt."
Oligodendrozyten gehören zu den Stützzellen des zentralen Nervensystems. Mit ihren Fortsätzen bilden sie die Myelinscheiden, die die Verbindungen zwischen Nervenzellen umhüllen - und offenbar wird genau das durch IGF-1 stimuliert.
Künstlich hergestelltes Wachstumshormon, das die Bildung von IGF-1 fördert, ist bereits seit Jahren als Medikament zugelassen - allerdings nur für bestimmte Krankheiten wie Wachstumsstörungen. In einer Pilotstudie erhalten jetzt erstmals Multiple-Sklerose-Patienten dieses Medikament, so Muriel Stoppe. Zusammen mit Florian Then Bergh leitet sie die Studie:
"Was wir durchgeführt haben, sind zwei Sicherheitsprüfungen - einmal nach 5 Patienten und einmal jetzt nach 15 Patienten. Und da ist erst einmal rausgekommen, dass diese Patienten keine erhöhte Schubfrequenz haben. Also das heißt, obwohl sie sich ein zusätzliches Medikament spritzen, sind sie stabil mit ihrer multiplen Sklerose."
Eine wichtige Voraussetzung, um jetzt mehr Patienten in die Studie einzuschließen. Doch die Untersuchung soll letztendlich auch zeigen, ob die Schutzhülle der Nerven tatsächlich neu gebildet, also remyelinisiert, wird. Eine Methode, das zu messen, sind sogenannte visuell evozierte Potenziale, kurz VEPs: Durch einen visuellen Reiz wird der Sehnerv des Patienten angeregt, es entsteht ein elektrisches Potenzial. Dieses Potenzial, das VEP, misst der Arzt über Elektroden auf dem Kopf. Je später es auftritt, desto langsamer leitet der Sehnerv Informationen weiter, erklärt Stoppe:
"Bei Patienten mit Multipler Sklerose, die schon eine Entzündung dieses Sehnerven hatten, ist das immer stabil verzögert. Und deshalb untersuchen wir eben dieses VEP, um zu gucken: Wenn tatsächlich Remyelinisierung stattfindet im Gehirn, sollte das auch am Sehnerv passieren. Und dann müsste ich folgerichtig auch dort sehen, wie sozusagen diese Verzögerung wieder langsam abnimmt."
Denn wenn der Nerv einen neuen Schutzmantel hat, leitet er wieder besser. Und tatsächlich treten die VEPs bei einigen der Patienten, die mit dem Wachstumshormon behandelt wurden, schneller auf, sagt Florian Then Bergh:
"Wir kennen einigen Patienten, bei denen wir im Verlauf der Studie Verbesserungen der VEP-Latenzen gesehen haben, die wir erstens subjektiv aus eigener Erfahrung nicht erwarten würden und die zweitens aber zusätzlich auch über dem liegen, was wir als spontane Verbesserung bis jetzt gesehen haben."
Spontane Verbesserungen, also natürliche Schwankungen, treten bis maximal sechs Millisekunden auf. Bei einigen Patienten haben die Mediziner jetzt Verbesserungen bis 12 Millisekunden gemessen. Doch die Probandenzahl ist noch zu klein, um statistisch sichere Aussagen zu treffen. Deshalb muss eine große multizentrische Studie folgen, bevor das Medikament zur Behandlung der multiplen Sklerose zugelassen werden kann.
"Also ein wichtiger Bestandteil der multiplen Sklerose-Therapie ist tatsächlich, die Entzündung zu reduzieren. Aber eingetretenen Schaden zu reparieren, dazu gibt es momentan keinen medikamentösen Ansatz."
Doch das wollen die Wissenschaftler ändern: Künstlich hergestelltes Wachstumshormon könnte helfen, die Myelinscheiden zu reparieren. Denn dieses Hormon sorgt dafür, dass ein bestimmter Wachstumsfaktor vermehrt gebildet wird - nämlich der "Insulin-like growth factor", kurz IGF-1. Then Bergh:
"Also es gibt verschiedene Untersuchungen, die erstens zeigen, dass dieser Wachstumsfaktor in der Zellkulturschale, also in vitro, die Proliferation und auch die Reifung von Vorläuferzellen der Oligodendrozyten verbessert. Zweitens gab es auch schon die ersten Versuche an transgenen Mäusen, bei denen sich bestätigt hat, dass IGF-1 auch zu einer vermehrten Myelinbildung beiträgt."
Oligodendrozyten gehören zu den Stützzellen des zentralen Nervensystems. Mit ihren Fortsätzen bilden sie die Myelinscheiden, die die Verbindungen zwischen Nervenzellen umhüllen - und offenbar wird genau das durch IGF-1 stimuliert.
Künstlich hergestelltes Wachstumshormon, das die Bildung von IGF-1 fördert, ist bereits seit Jahren als Medikament zugelassen - allerdings nur für bestimmte Krankheiten wie Wachstumsstörungen. In einer Pilotstudie erhalten jetzt erstmals Multiple-Sklerose-Patienten dieses Medikament, so Muriel Stoppe. Zusammen mit Florian Then Bergh leitet sie die Studie:
"Was wir durchgeführt haben, sind zwei Sicherheitsprüfungen - einmal nach 5 Patienten und einmal jetzt nach 15 Patienten. Und da ist erst einmal rausgekommen, dass diese Patienten keine erhöhte Schubfrequenz haben. Also das heißt, obwohl sie sich ein zusätzliches Medikament spritzen, sind sie stabil mit ihrer multiplen Sklerose."
Eine wichtige Voraussetzung, um jetzt mehr Patienten in die Studie einzuschließen. Doch die Untersuchung soll letztendlich auch zeigen, ob die Schutzhülle der Nerven tatsächlich neu gebildet, also remyelinisiert, wird. Eine Methode, das zu messen, sind sogenannte visuell evozierte Potenziale, kurz VEPs: Durch einen visuellen Reiz wird der Sehnerv des Patienten angeregt, es entsteht ein elektrisches Potenzial. Dieses Potenzial, das VEP, misst der Arzt über Elektroden auf dem Kopf. Je später es auftritt, desto langsamer leitet der Sehnerv Informationen weiter, erklärt Stoppe:
"Bei Patienten mit Multipler Sklerose, die schon eine Entzündung dieses Sehnerven hatten, ist das immer stabil verzögert. Und deshalb untersuchen wir eben dieses VEP, um zu gucken: Wenn tatsächlich Remyelinisierung stattfindet im Gehirn, sollte das auch am Sehnerv passieren. Und dann müsste ich folgerichtig auch dort sehen, wie sozusagen diese Verzögerung wieder langsam abnimmt."
Denn wenn der Nerv einen neuen Schutzmantel hat, leitet er wieder besser. Und tatsächlich treten die VEPs bei einigen der Patienten, die mit dem Wachstumshormon behandelt wurden, schneller auf, sagt Florian Then Bergh:
"Wir kennen einigen Patienten, bei denen wir im Verlauf der Studie Verbesserungen der VEP-Latenzen gesehen haben, die wir erstens subjektiv aus eigener Erfahrung nicht erwarten würden und die zweitens aber zusätzlich auch über dem liegen, was wir als spontane Verbesserung bis jetzt gesehen haben."
Spontane Verbesserungen, also natürliche Schwankungen, treten bis maximal sechs Millisekunden auf. Bei einigen Patienten haben die Mediziner jetzt Verbesserungen bis 12 Millisekunden gemessen. Doch die Probandenzahl ist noch zu klein, um statistisch sichere Aussagen zu treffen. Deshalb muss eine große multizentrische Studie folgen, bevor das Medikament zur Behandlung der multiplen Sklerose zugelassen werden kann.