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Neue "Musicalien-Kammer" in Köthen
Historische Schätzchen

In Köthen verbrachte Johann Sebastian Bach nach eigener Aussage die glücklichste Zeit seines Lebens. An seinem ehemaligen Wirkungsort, im Köthener Schloss, finden alle zwei Jahre die Bachfesttage statt, seit DDR-Zeiten gibt es dort eine Gedenkstätte. Nun kommt eine neue "Musicalien-Kammer" dazu.

Von Claus Fischer |
    Blick auf ein großes Gebäude mit gelben Wänden und roten Dächern. Davor steht ein großer Baum mit vielen Blättern.
    Im Köthener Schloss war Johann Sebastian Bach sechs Jahre lang Hofkapellmeister. (C. Jann/Kulturstiftung Sachsen-Anhalt)
    Zwei Räume von jeweils etwa vierzig Quadratmetern bilden den ehemaligen Empfangsbereich des Fürsten von Anhalt-Köthen. Bis vor wenigen Tagen waren sie leer, nur einige Stühle standen verstreut herum. Doch nun ziehen hier zehn historische Tasteninstrumente ein. Das wertvollste hat Georg Ott bereits aufgebaut.
    "Aus dem Thüringer-sächsischen Raum. Es ist das Clavecin Royal. Es gibt praktisch nur eine Handvoll weltweit, die erhalten sind. Das ist so ein ganz spezielles Instrument, wo man eigentlich davon ausgehen kann, dass Bach sowas in der Art schon kannte."

    Historisch informiert: das Clavecin Royal

    Georg Ott ist Musikinstrumentenbauer und Restaurator. Seit vielen Jahren arbeitet er in der Musikinstrumentenabteilung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Da bei ihm Beruf und Hobby zusammenkommen, hat er privat in den letzten zwanzig Jahren eine äußerst wertvolle Sammlung historischer Tasteninstrumente aufgebaut. Im September letzten Jahres präsentierte Ott seinen Bestand erstmals öffentlich im Rahmen der Köthener Bachfesttage.
    "Wir experimentieren bei den Bachfesttagen sehr viel mit historischer Aufführungspraxis, natürlich", erzählt deren Intendant Folkert Uhde.
    "Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich durch diese Sammlung von Georg Ott nochmal so viel dazugelernt habe, was es eigentlich an klanglichen Möglichkeiten gegeben hat, wie unglaublich differenziert diese unterschiedlichen Instrumente waren, wie toll es ist, wenn man wirklich genau das richtige Instrument für die richtige Musik hat!"

    Ein echtes Bach-Instrument

    Zum "Clavecin Royale" kommt in den nächsten Tagen noch ein zweites Instrument aus der Zeit Johann Sebastian Bachs, ein Fortepiano vom Regensburger Klavierbauer Franz Jakob Spath.
    "Schon eine kleine Sensation", betont Restaurator und Sammler Georg Ott.
    "Es sind nur zwei weltweit erhalten und eins davon ist spielbar, das wird hier platziert, also auch ein Bach-Instrument. Hier kommen also in den ersten Raum die Instrumente aus dem 18. Jahrhundert rein - und in dem zweiten Raum wird dann Wiener Klassik, frühes 19. Jahrhundert platziert."
    Noch nicht angekommen in der "Neuen Musicalien-Kammer" ist ein Flügel des Londoner Klavierbauers John Broadwood, wie ihn Ludwig van Beethoven nachweislich besessen hat.

    Zwischen Cembalo und Hammerklavier – der Tangentenflügel

    Bereits aufgestellt hat man ein Instrument aus der Zeit von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart, der sogenannte "Tangentenflügel", erbaut um 1790 von Meister Christoph Friedrich Schmahl. Es handelt sich um eine Zwischenform von Cembalo und Hammerklavier. Schlägt man eine Taste an, wird ein Holzstab mit Lederkopf von unten gegen die Saite geschlagen, ein zweiter Stab dämpft die Saite wieder ab.
    "In diesen Tangentenflügel, der momentan schon dasteht, hab ich mich letzten Sommer bei den Bachfesttagen verliebt", erzählt die ungarische Pianistin Flora Fabri. "Eine Leichtigkeit und Eleganz im Klang, die mir aus der Seele spricht!"
    Am Tangentenflügel von Christoph Friedrich Schmahl wird Flora Fabri im Auftrag von Deutschlandfunk Kultur in den nächsten Tagen Musik vom Weimarer Komponisten Ernst Wilhelm Wolf aufnehmen, den Goethe außerordentlich geschätzt hat. Solche Projekte zeigen das Anliegen, das Georg Ott mit der Ausstellung seiner Sammlung verfolgt.
    "In Kontakt mit den Musikern kommen wir immer näher dran sozusagen an das, was wir sozusagen als historisch korrekten Klang bezeichnen."

    Musik aus der Kammer

    Nicht nur die Hardware vermittelt den möglichst authentischen Klangeindruck, sondern auch das Umfeld, in dem das jeweilige Instrument gespielt wird. Die beiden Räume im Köthener Schloß sind perfekt für intime historische Konzerte geeignet, sagt Georg Ott.
    "Die Kammermusik wurde eigentlich in der Kammer gemacht. D.h. man hatte Kabinette mit Instrumenten – und eine erlesene Schar von Zuhörern. Und genauso historisch korrekt wird das hier auch wieder platziert."
    "Diese persönliche Beziehung von Musikern zum Publikum, die Unmittelbarkeit des Austausches, das ist natürlich in so einem intimen Rahmen was ganz Anderes als in einem großen Konzert."
    Christine Friedrich leitet die Köthen Kultur und Marketing GmbH. Sie ist sowohl für das Museum im Schloss als auch für die Organisation der Bachfesttage zuständig. In deren Rahmen gab es im letzten Jahr bereits etliche intime Konzerte mit wenigen Zuhörern, was allerdings Corona geschuldet war. Um diese Konzertform aber auch nach der Pandemie in Köthen weiter pflegen zu können, ist die Neue Musicalien-Kammer bestens geeignet. Zumal man, so Christine Friedrich, historisch damit an Bachs Hofkapelle anknüpfen kann.
    "Es gab ja hier tatsächlich das Verzeichnis der Musikalien und Instrumente, das tatsächlich als "Musicalien-Kammer" geführt wurde. Da waren also sämtliche Instrumente dabei und aber tatsächlich auch Noten. Und es war auch vermerkt, welcher Musiker welches Instrument tatsächlich ausgeliehen hatte. Und es war auch vermerkt, welche Instrumente alle nicht funktionierten."

    Ein Klanglaboratorium für Musikerinnen und Musiker

    Die Tasteninstrumente, die bereits in der "Neuen Musicalien-Kammer" im Köthener Schloß stehen und die in dieser Woche noch dazukommen, sind – das ist die Besonderheit – alle spielbar. Prominente Interpreten wie die Cembalistin Christine Schornsheim oder die Pianistin Ragna Schirmer haben sich bereits angesagt, um sozusagen im historischen Klang-Laboratorium zu arbeiten.
    "Und das wird praktisch während der Öffnungszeiten auch erlebbar sein", betont Georg Ott. "Es ist also öffentlich, es wir dann nicht zugemacht. Insofern ist das wirklich ein Gewinn für alle Beteiligten!"
    "Wir haben jetzt auch zu den nächsten Bachfesttagen zeitgenössische Komponisten eingeladen, sich auch mit diesem historischen Instrumentarium zu befassen und Musik dafür zu schreiben", sagt Intendant Folkert Uhde.
    "Ich bin auch ganz sicher, das Schloß Köthen und der Ort Köthen davon sehr profitieren wird, weil auch unterm Jahr sehr viele Musikerinnen und Musiker kommen werden, um diese Instrumente auszuprobieren."
    Die Eröffnung der "Neuen Musicalien-Kammer" findet am kommenden Sonntag im kleinen Rahmen statt, danach ist unter den geltenden Hygienevorschriften ein Museumsbesuch möglich.