Das renommierte ostdeutsche IMPULS-Musikfestival für Neue Musik gilt als DAS Neue Musik Festival Sachsen-Anhalts. Doch die Zukunft des Festivals steht in den Sternen, denn die Magdeburger Staatskanzlei stellt die Förderung in Frage.
Was für Empörung sorgt, weshalb es schon heißt, die Neue Musik werde in Sachsen-Anhalt ausgetrocknet. Es gebe keine Erbhöfe, heißt es dagegen lapidar aus Sachsen-Anhalts Staatskanzlei.
Ohne Landesförderung kann das Festival nicht existieren, heißt es seitens der Festival-Macher, somit könnte das Kapitel Impuls-Festival zu Ende sein. Und damit eine einzigartige Geschichte, eines zeitgenössischen Musikfestes, mit einer Breitenwirkung, wie man es anderswo in Deutschland nirgends findet. Die Fronten zwischen den Festivalmachern und der Magdeburger Staatskanzlei sind verhärtet, berichtet unser Landeskorrespondent Christoph Richter.
"Das Gespräch, was wir jetzt hatten, da wurde ordentlich ausgeteilt gegen uns."
Erzählt der Holländer Hans Rotman, er sitzt in einem Café am Berliner S-Bahnhof Friedenau. Gegenüber, an einer Haustür – mitten im gutbetuchten West-Berlin – hängt ein Schild mit der Aufschrift: "Impuls-Festival für Neue Musik in Sachsen-Anhalt". Sowas wie die Schaltzentrale des Festivals. Dessen Intendant ist Rotman.
Das "Donaueschingen des Ostens", wie manche das IMPULS-Festival auch nennen, ist nicht nur für die Happy Few, sondern für die ganze Breite des Publikums gemacht, alle Orchester Sachsen-Anhalts sind beteiligt. Darunter auch Orte wie Eisleben oder Bitterfeld, Gegenden, die nicht gerade mit kulturellen Angeboten verwöhnt und überschüttet werden. Nach Angaben Rotmans haben sich die Zuschauerzahlen des IMPULS-Festivals seit 2008, seit dem Start der Festival-Reihe, vervierfacht, auf knapp 10.000 Zuhörer.
Krisengespräch mit vielen Vorwürfen
Dennoch steht die Zukunft des Festivals in den Sternen, dennoch stellt die Magdeburger Staatskanzlei die Förderung in Frage. Kürzlich gab es daher ein Krisengespräch mit Sachsen-Anhalts CDU-Kulturminister Rainer Robra. Das Klima war von tiefem Misstrauen geprägt, erzählt Rotman.
"Die einzige Information waren Vorwürfe. Die Trägerschaft wurde kritisiert. Es wurde gesagt, ich würde meine eigenen Verträge unterschreiben. Das ist natürlich Unsinn. Wir sind ein normaler Verein und werden vom Landesverwaltungsamt kontrolliert. Alles wird kontrolliert, bis zur letzten Briefmarke. Ich war ein bisschen sprachlos."
Der gebürtige Rotterdamer Hans Rotman studierte zunächst Violine und Komposition, anschließend Dirigieren bei Kurt Masur und Leonard Bernstein. Seit 2008 ist er verantwortlich für das Impuls-Festival für Neue Musik in Sachsen-Anhalt. Rotman will kein Taliban der Neuen Musik für Freaks und Spezialisten sein, wie er scherzhaft sagt. Sein Ziel ist es, zeitgenössische Musik dem breiten Publikum schmackhaft zu machen, er will Klassik-Outsider erreichen.
"Das sind nicht nur die Leute von Donaueschingen, die diese Musik verstehen müssen. Ich möchte gern, dass die Leute in Halberstadt oder in Dessau oder in Halle auch das verstehen, was man sonst nur in den Metropolen hören kann."
Zukunft des Festivals steht auf der Kippe
Doch das wolle die Staatskanzlei anscheinend nicht, ergänzt Rotman noch. Ob es das Festival nächstes Jahr, also 2020 noch gibt? Rotman ist überfragt.
"Keine Idee. Ich weiß es nicht".
Die Vorwürfe seitens der Staatskanzlei: Das Festival habe eine zu geringe nationale beziehungsweise internationale Ausstrahlung, es kämen zu wenige Auftragswerke von Komponisten aus Sachsen-Anhalt. Und es würden eher moderne als zeitgenössische Werke gespielt werden, also mehr Schostakowitsch als Hans-Werner Henze oder Aribert Reimann. Gründe, warum man jetzt das Festival in Frage stellt.
Das sei an den Haaren herbeigezogen sagt der Halberstädter Oberbürgermeister Andreas Henke von der Linkspartei, Vorsitzender des Netzwerks IMPULS e.V. Und listet auf:
"Impuls hat in den letzten zehn Jahren, zwanzig Kooperationen mit Ensembles in Sachsen-Anhalt vorgenommen. Wir haben 300 Veranstaltungen durchgeführt, Konzerte, Masterclasses, Seminare. 500 Werke von 200 zeitgenössischen Komponisten wurden aufgeführt. Es gab 95 Auftragskompositionen."
Staatskanzlei fordert mehr Internationalität
Das sei bundesweit einzigartig für ein Festival der Neuen Musik, sagt Henke noch.
"Ein Festival, dass sich jetzt über viele Jahre etabliert hat, dass auf der Erfolgsspur ist, jetzt gänzlich ablösen zu wollen oder in Frage zu stellen, hielte ich für eine kulturpolitische Fehlentscheidung."
Fakten und Vorwürfe, die die Magdeburger Staatskanzlei unbeeindruckt lassen, stattdessen würden immer neue Forderungen formuliert, erzählt Intendant Rotman. Etwa nach mehr Internationalität. Wie soll das gehen, fragt Rotman, wenn man erst wenige Monate vor Festivalbeginn überhaupt wisse, welche Mittel das Land zur Verfügung stelle.
"Letztes Jahr, 2018 kam schon der Hinweis, wir müssten internationaler sein und wir sollten auch Bundesmittel bekommen. Bundesmittel bekommen wir jetzt. Wir sind international, wir spielen dieses Jahr im Ausland. Aber natürlich muss man eine Sache sagen: Ich führe ein Festival, wo mal 50.000 Euro in der Vorbereitung einfach so weggenommen werden, mal überhaupt kein Geld eingestellt wird. In so einem unsicheren Zustand wird verlangt, dass wir international operieren."
Das sei doch irrsinnig, empört sich Rotman. Zudem hätte die Staatskanzlei eine Kooperation des Impuls-Festivals mit Straßburg kritisiert, erzählt er noch. Stattdessen forderte man, doch bitte mit der Partnerregion des Landes Sachsen-Anhalt zu kooperieren, mit der französischen Region Centre-Val de Loire. Das hätte man gern gemacht, fügt Rotman noch hinzu, nur: die Staatskanzlei habe 2017 die Unterstützung schlicht versagt.
Staatskanzlei will sich vorerst nicht äußern
All das lässt sich von uns nicht überprüfen. Gerne hätten wir daher mit der Magdeburger Staatskanzlei zu all den Vorwürfen gesprochen. Ebenso hätten wir gerne erfahren, welche Pläne man dort mit dem Impuls-Festival hat: Doch dazu ist der Kulturminister sowie sein Staatssekretär derzeit nicht bereit. In einer knappen E-Mail heißt es nur: "Sobald sich eine Entscheidung abzeichnet, wird es einen Pressetermin dazu geben".
Der Kulturetat des Landes Sachsen-Anhalt liegt bei 120 Millionen Euro. Aus diesem Topf bekomme das Impuls-Festival 150.000 Euro. Aber nur unter Vorbehalt, erzählt Intendant Hans Rotman.
"Denn wir haben die Hürde aufgebrummt bekommen, dass wir 50 Prozent der Mittel als Eigenmittel einspielen muss. Das ist wahrscheinlich weltweit die höchste Eigenmittelquote für Neue Musik. Aber wir werden es schaffen."
Auch mit Hilfe der international agierenden Zürcher Ernst von Siemens Musikstiftung. Sie schießt dem Impuls-Festival 34.000 Euro zu. Die Entscheidung sei allein aus künstlerischen Gründen getroffen worden, heißt es da. Mitbeteiligt waren die Komponisten Isabel Mundry, Nikolaus Brass, Enno Poppe und Wolfgang Rihm.
Das Festival hat viele Fürsprecher in der Politik
Der Streit um das Festival währt nun ein Jahr in Sachsen-Anhalt, die Fronten sind verhärtet. Fürsprecher sind Landtagsabgeordnete von der oppositionellen Linkspartei, bis hin – über die Grünen und SPD – zur CDU, selbst dort spricht sich der kulturpolitische Sprecher Andreas Schumann für den Erhalt des Festivals aus.
"Das brauchen wir unbedingt. Wir müssen die Menschen unbedingt mit der Gegenwartsmusik in Verbindung bringen. Und das passiert viel zu selten in Sinfoniekonzerten, höchstens mal mit einem Stück am Anfang. So ein Festival bringt eine direkte Berührung. Nicht nur für die Fans, sondern auch die interessierten Zuhörer."
Das sei unglaublich wichtig, sagt Schumann noch. Er ist Posaunist und derzeit bei der Magdeburgischen Philharmonie, wegen seines CDU-Landtagsmandats, beurlaubt.
Einzig die AfD springt der Magdeburger Staatskanzlei zur Seite und sagt, so etwas brauche man nicht. Das Impuls-Festival sei reine Steuergeldverschwendung.
Klar ist allen Beteiligten, ohne das Impuls-Festival wird Sachsen-Anhalt nicht untergehen. Aber ohne das Impuls-Festival wird eine Plattform für den kritischen Diskurs mit den Themen unserer Zeit fehlen. Aber vielleicht ist die Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus, dem erstarkenden Rechtsextremismus – das meint zumindest Intendant Hans Rotman - in Sachsen-Anhalt gar nicht gewünscht.
"Wenn ein Land sich konzentriert auf Konservatismus, ja dann muss man die Neue Musik, die neue Kultur, die neue Literatur nicht mehr fördern, das stimmt."