Es ist ein Klassiker: Wenn die Familienministerin die Hauptstadt verlässt, gibt es garantiert irgendwo eine Kita zu besuchen. Routine für Franziska Giffey, Mutter eines zehnjährigen Sohnes. Das Ständchen für die "Helferin von Frau Merkel" – wie ein pfiffiger Fünfjähriger einmal ihren Job umschrieb, gehört dann fest dazu.
Als die 41-Jährige vergangene Woche ins sächsische Riesa kommt, stehen aber weder Betreuungsschlüssel noch Kita-Öffnungszeiten im Mittelpunkt. Die aus Frankfurt an der Oder stammende Giffey sucht Antworten auf eine Frage: Warum ist die AfD weiter auf dem Vormarsch?
"Ihr Lieben, ihr habt das ganz, ganz toll gemacht. Sagt mal, geht ihr hier gerne in den Kindergarten? - Jaaa!"
Als die 41-Jährige vergangene Woche ins sächsische Riesa kommt, stehen aber weder Betreuungsschlüssel noch Kita-Öffnungszeiten im Mittelpunkt. Die aus Frankfurt an der Oder stammende Giffey sucht Antworten auf eine Frage: Warum ist die AfD weiter auf dem Vormarsch?
"Ihr Lieben, ihr habt das ganz, ganz toll gemacht. Sagt mal, geht ihr hier gerne in den Kindergarten? - Jaaa!"
Enttäuschung über die Absage Giffeys für den Parteivorsitz
Für die Genossen sind diese Tage wahrlich kein Kinderspiel. In Brandenburg droht die AfD der SPD den Rang abzulaufen, 30 Jahre SPD-Herrschaft könnten bei der Landtagswahl am Sonntag verlorengehen. Im benachbarten Sachsen droht ein einstelliges Ergebnis. Wird da nicht gerade eine wie sie nun an der Parteispitze gebraucht?
"Ich sage ja nicht, nur weil ich nicht für den Parteivorsitz antrete, ich engagiere mich nicht, sondern jeder Tag, jede Stunde meines Handelns ist davon geprägt, auch etwas Gutes für die SPD zu tun."
Bis zum 1. September noch ist jedem Parteimitglied eine Bewerbung um den Vorsitz möglich. Giffey aber hat der SPD bereits einen Korb gegeben.
"Ich finde es falsch, ja!"
"Ich sage ja nicht, nur weil ich nicht für den Parteivorsitz antrete, ich engagiere mich nicht, sondern jeder Tag, jede Stunde meines Handelns ist davon geprägt, auch etwas Gutes für die SPD zu tun."
Bis zum 1. September noch ist jedem Parteimitglied eine Bewerbung um den Vorsitz möglich. Giffey aber hat der SPD bereits einen Korb gegeben.
"Ich finde es falsch, ja!"
Wolfgang Perske, SPD-Fraktionschef im brandenburgischen Eisenhüttenstadt, ist die Enttäuschung über die Absage der Hoffnungsträgerin deutlich anzumerken. Viele hatten auf Giffey gesetzt, auch in Berlin. Sie kann auf Menschen zugehen, das Kümmerer-Image hat sie sich seit der Zeit bewahren können, als sie Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln war.
Dass Giffey wegen Plagiatsvorwürfen ihren Doktortitel verlieren könnte, ist für den 70-jährigen Perske kein Argument, nicht zu kandidieren. Für ihn wäre sie genau die richtige Parteivorsitzende gewesen, da sie:
"Von der Ausstrahlung her, von der Bodenständigkeit her, die sie auch gerade für uns Ostdeutsche mit sich bringt, so viele Argumente in sich vereint!"
Dann schüttelt Perske den Kopf. Die Art und Weise wie sich die Sozialdemokraten gerade auf die Suche nach der Nahles-Nachfolge machen, scheint ihn irgendwie doch an einen Kindergarten zu erinnern.
"Also ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, eine Parteiführung zu finden, indem sich da Duos zusammentun und sagen, wir probieren es auch mal."
"Also ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, eine Parteiführung zu finden, indem sich da Duos zusammentun und sagen, wir probieren es auch mal."
Keiner rüttelte am Zaun
Nach dem Nahles-Rücktritt gab es erst einmal nur Absagen, keiner rüttelte am Zaun, keiner, der da unbedingt rein wollte, ganz nach oben ins Willy-Brandt-Haus, die SPD-Zentrale.
"Mein Platz ist in Mecklenburg-Vorpommern."
"Für mich ist es ja schon lange sehr klar, dass ich als Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz wieder antreten möchte."
"Ich selber habe ja entschieden, aus der Politik auszuscheiden."
"Mein Platz ist in Mecklenburg-Vorpommern."
"Für mich ist es ja schon lange sehr klar, dass ich als Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz wieder antreten möchte."
"Ich selber habe ja entschieden, aus der Politik auszuscheiden."
Manuela Schwesig, Malu Dreyer, Thorsten Schäfer-Gümbel, die drei kommissarischen Vorsitzenden, schließen gewissermaßen als erste Amtshandlung aus, dauerhaft die deutsche Sozialdemokratie führen zu wollen. Und auch Finanzminister Olaf Scholz winkt unmittelbar nach dem Rücktritt von Andrea Nahles ab, mit einer Begründung, die vielen Genossen ein müdes Lächeln abringt.
"Es wäre völlig unangemessen, wenn ich das als Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen machen würde. Zeitlich geht das gar nicht!"
Damals, Anfang Juni, dürfte Scholz allerdings eher von einer gesunden Selbsteinschätzung getrieben gewesen sein als von der Angst vor Arbeitsüberlastung. Der Vizekanzler gilt gerade Parteilinken als mitverantwortlich für den Niedergang der Partei. Seine trockene, oftmals arrogante Art des Regierens hat ihm wenig Freunde verschafft. Dass er frühzeitig seinen Anspruch auf eine Kanzlerkandidatur geltend machte, sorgte für Kopfschütteln.
Damals, Anfang Juni, dürfte Scholz allerdings eher von einer gesunden Selbsteinschätzung getrieben gewesen sein als von der Angst vor Arbeitsüberlastung. Der Vizekanzler gilt gerade Parteilinken als mitverantwortlich für den Niedergang der Partei. Seine trockene, oftmals arrogante Art des Regierens hat ihm wenig Freunde verschafft. Dass er frühzeitig seinen Anspruch auf eine Kanzlerkandidatur geltend machte, sorgte für Kopfschütteln.
Scholz einfach den Parteivorsitz zu übertragen, wie es alten sozialdemokratischen Gepflogenheiten gemäß denkbar gewesen wäre, gilt nach dem Nahles-Beben als No-Go.
Nahles als Opfer machthungriger SPD-Männer
Sehr früh befindet die Parteiführung vielmehr, die Mitglieder entscheiden zu lassen. Schnell wird eine Doppelspitze nach Vorbild der Grünen favorisiert. Und Scholz scheint raus zu sein, zu sehr steht er für das Bündnis mit der Union, das so vielen Sozialdemokraten als Ursache allen Übels gilt. Und als enger Vertrauter von Andrea Nahles gilt: Ihr Scheitern ist auch sein Scheitern.
"Wissen Sie, ich bin echt froh, dass das jetzt erst kommt."
Anfang August, erster öffentlicher Auftritt nach ihrem Rückzug aus der Politik. Eine Stunde lang hat Andrea Nahles während einer Bürgerveranstaltung über Gott und die Welt geredet, dann erst traut sich jemand eine der Fragen zu stellen, die nicht gewünscht sind, die nach den Umständen ihres Rücktritts von Fraktions- und Parteivorsitz vor knapp drei Monaten.
"Das ist also erstaunlich geradezu!"
Wieder einmal ist es das Kloster von Maria Laach, ganz bewusst wählt sie diesen Ort. "Frau, gläubig, links" hat sie einmal ihre Biografie überschrieben. Nahles ist bekennende Katholikin, und hier gibt sie zumindest einen kleinen Einblick in ihr Seelenleben. Andrea Nahles spricht darüber, wie sie es mit einer von machthungrigen Männern dominierten SPD zu tun bekam.
"Da haben sich die Jungs dann doch wieder vor dem Präsidium getroffen, nach dem Präsidium getroffen, unter sich getroffen, ich war schon wieder draußen!"
Es waren in der Tat überwiegend Männer aus den Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die über sie lästerten und Nahles schließlich zum Aufgeben brachten. Von christlicher Nächstenliebe, von Solidarität im Umgang untereinander war selten so wenig zu spüren wie in den Wochen nach einer völlig missglückten Europa- und Bremen-Wahl.
Kein Mitglied der erste Reihe will ins Rennen
Am selben Tag, als Nahles über die Umgangsformen in ihrer Partei philosophiert, besucht ein anderer enger Weggefährte den Dom zu Speyer. Arbeitsminister Hubertus Heil ist ebenfalls bekennender Christ, ein Niedersachse. Zufällig wird er von einem Juso durch die Basilika geführt, einem, der sich Sorgen um das Führungspersonal der SPD macht.
"Ich habe ihm gesagt, ich bete für ihn."
Bei Hilfe von oben will es Hubertus Heil allerdings nicht bewenden lassen. Der Arbeitsminister führt intensive Gespräche. Dass sich zunächst kein Mitglied aus der ersten Reihe um den SPD-Vorsitz bewirbt, hält der Niedersachse für fatal.
"Und solange ich Menschen sehe, bei denen ich das Gefühl habe, die sehe ich eher als mich, möchte ich die überzeugen."
Zumindest ein Schwergewicht, ein Minister oder Ministerpräsident sollte es machen.
"Optimal ist das ganz bestimmt nicht. Am Anfang gab es ja fast nur Aussagen, wer nicht zur Verfügung steht, aber nicht umgekehrt, wer zur Verfügung steht!"
Auf Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil hatten viele gehofft. Sein Fingerzeig auf die Zauderer, ausgesprochen im Interview der Woche des Deutschlandfunks, fällt auf ihn selbst zurück. Denn von Weil, immerhin ein erfolgreicher Ministerpräsident, der nach dem Schulz-Debakel als letzter eine Wahl für die SPD gewinnen konnte, wurde allgemein erwartet, dass er "zur Verfügung steht".
"Ich gehe davon aus, dass ich nicht kandidiere."
Mit solchen Formulierungen hatte sich Weil ein allerletztes Türchen offen gehalten, für den Fall, dass tatsächlich kein Großer ins Rennen gehen sollte. Auch Generalsekretär Lars Klingbeil, ebenfalls Niedersachse, wollte erst einmal abwarten, ähnliches gilt auch für den Außenminister. Heiko Maas reizt der Job unverkennbar, auch er nährt Spekulationen um seine Person.
"Wer das nicht als eine Verlockung empfindet, der lügt - oder er ist am falschen Platz."
"Wer das nicht als eine Verlockung empfindet, der lügt - oder er ist am falschen Platz."
Sinneswandel von Olaf Scholz
Der Versuch, die Suche nach der neuen Parteispitze zu einem spannenden Wettbewerb zu machen, endete wenig glücklich. Ein SPD-Vorsitz, der wie "Sauerbier" angeboten werden muss, ohne dass es klare Ansagen aus der allerersten Reihe gibt, steht der ältesten und traditionsreichsten Partei Deutschlands nicht wirklich gut zu Gesicht.
"Manchmal muss man auch Dinge, die man sich überlegt hat, neu überlegen, weil die Verantwortung das gebietet!"
Mit dem Sinneswandel des Olaf Scholz hat sich nun vieles verändert. Nachdem Parteivize Ralf Stegner angekündigt hatte, gemeinsam mit der früheren Bundespräsidentschaftskandidatin der SPD, Gesine Schwan, ins Rennen zu gehen, war für ihn der Zeitpunkt gekommen.
Wie Scholz' Bewerbung um den SPD-Chefposten eingefädelt wurde, ob er aus dem Willy-Brandt-Haus dazu ermuntert wurde, darüber gibt es widersprüchliche Erzählungen. Allerdings trieb es die kommissarische SPD-Führung zunehmend um, dass fast ausschließlich Bewerber auf der Liste standen, die ein schnelles Ende der Koalition mit der Union wollen.
"Ich habe für mich jetzt den Eindruck gehabt, es wäre nicht verantwortlich, bei der Bedeutung, die die SPD für die Zukunft unseres Landes hat, wenn ich jetzt nicht sagen würde, ich will das machen."
Die Umstände seiner Bewerbung und seine eher blasse und weitgehend unbekannte Co-Kandidatin Klara Geywitz, Landtagsabgeordnete in Brandenburg, machen die Kandidatur des Olaf Scholz keinesfalls zu einem Selbstläufer.
Ein erstes Stimmungsbild unter SPD-Mitgliedern ergab: Etwa ein Viertel der Genossen würde den Finanzminister gern zum Vorsitzenden haben. Unwahrscheinlich, dass das Duo Scholz/Geywitz im ersten Anlauf die notwendige absolute Mehrheit der Stimmen erreichen wird. Angesichts des breiten Bewerberfeldes von mittlerweile mindestens 17 Aspiranten wird ohnehin von einer Stichwahl ausgegangen.
Viele Bewerber - kein Favorit
Boris Pistorius, 59-jähriger Innenminister aus Niedersachsen und Petra Köpping, 61-jährige Integrationsministerin aus Sachsen, werden Erfolgschancen beigemessen, auch wenn sie nicht unbedingt für einen Neustart stehen.
Köpping: "In meinem Lebensweg war es immer Aufbauarbeit, die man leisten musste, beziehungsweise Veränderung, die man durchführen musste."
Pistorius: "Der Mensch muss im Mittelpunkt unserer Politik stehen. Weder der Staat ist Selbstzweck noch die SPD."
Pistorius bringt reichlich Regierungserfahrung mit. Er bedient den rechten Flügel, gilt als Law-and-Order-Mann. Köpping ist das Ostgesicht, das die Partei so dringend braucht.
Stegner: "Ich habe mir gedacht, Du kannst in dieser Lage Deiner Partei nicht kneifen. Du machst ein Angebot, gemeinsam mit jemand anderem, das Dich unterscheidet, aber Du kannst nicht kneifen."
Pistorius bringt reichlich Regierungserfahrung mit. Er bedient den rechten Flügel, gilt als Law-and-Order-Mann. Köpping ist das Ostgesicht, das die Partei so dringend braucht.
Stegner: "Ich habe mir gedacht, Du kannst in dieser Lage Deiner Partei nicht kneifen. Du machst ein Angebot, gemeinsam mit jemand anderem, das Dich unterscheidet, aber Du kannst nicht kneifen."
Unter den Parteilinken werden Ralf Stegner und Gesine Schwan als aussichtsreiche Bewerber betrachtet. Aus rot-rot-grünen Ambitionen hat der Schleswig-Holsteiner nie einen Hehl gemacht, damit lassen sich Stimmen an der Basis gewinnen. Stegner und Schwan mit ihrem intellektuellen Auftreten gelten vielen allerdings nicht unbedingt als die erwünschten Sympathieträger.
"Wenn ich es machte, dann müsste es in einer Doppelspitze ein jüngerer Mann sein."
"Wenn ich es machte, dann müsste es in einer Doppelspitze ein jüngerer Mann sein."
Die 76-jährige Gesine Schwan hatte lange auf den 30-jährigen Juso-Chef Kevin Kühnert gehofft, der aber will sich offensichtlich nicht vorzeitig verschleißen lassen und hat abgesagt.
"Das ist Kristina Kampmann. Das ist Michael Roth und wir haben uns gemeinsam dazu entschieden, für den Parteivorsitz zu kandidieren."
Der 49-jährige Michael Roth und die 39-jährige ehemalige NRW-Familienministerin Christina Kampmann waren die ersten, die sich für die Nahles-Nachfolge ins Spiel brachten. Mit einer professionell gestarteten Kampagne haben sie punkten können, der Staatsminister im Auswärtigen Amt bringt Regierungserfahrung mit, sieht die Große Koalition dennoch kritisch.
"Wenn wir in der Groko bleiben, dann laufen wir auf Rang drei oder schlechter. Hier muss ein Schnitt gemacht werden, wir müssen klar raus!"
Das sehr schnelle "Raus-aus-der-Groko" steht auch für den Herrn mit der Fliege ganz oben. Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, 56, tritt mit Nina Scheer, 47, an. Scheer und Lauterbach stehen wie Roth, Kampmann, Stegner und Schwan für teilweise sehr radikale linke Positionen.
Das gilt ganz besonders für die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, die 64-Jährige tritt mit Verdi-Chefökonom Dierk Hirschel an – ein Duo, das chancenlos bleiben dürfte.
"Wir müssen aus der Groko raus. Das ist jetzt die Pflicht eines neuen Vorsitzenden, einer neuen Vorsitzenden!"
Simone Lange wagte es schon im vergangenen Jahr, gegen Andrea Nahles zu kandidieren. Auf dem Parteitag in Wiesbaden holte sie immerhin fast 28 Prozent der Delegiertenstimmen. Die 42-jährige Oberbürgermeisterin von Flensburg bewirbt sich mit ihrem Amtskollegen aus dem sächsischen Bautzen, Alexander Ahrens, 53.
Die drei Einzelbewerber Robert Maier, Hans Wallow und Karl-Heinz Brunner dürften beim Mitgliedervotum allein aus formalen Gründen unter ferner liefen bleiben. Denn dass ein Mann-Frau-Duo die Partei führen soll, gilt als gesetzt.
Zudem müssen mindestens fünf Kreisverbände oder ein SPD-Bezirk oder ein Landesverband hinter den Bewerbern stehen – das Feld dürfte sich also noch etwas ausdünnen. Andere könnten hinzukommen: Norbert Walter-Borjans, ehemaliger Finanzminister in Nordrhein-Westfalen, will bis Freitag entscheiden, ob er antritt.
Dreyer: "Ich glaube, die Regionalkonferenzen geben uns schon auch die Möglichkeit, nicht nur über Personal zu diskutieren, sondern auch über Inhalte, was wird auch verbunden mit Menschen."
Haltung zur Groko und Klimapolitik sind SPD-Mitgliedern wichtig
Bei nicht weniger als 23 solcher Konferenzen werden sich die Bewerber vom kommenden Mittwoch an überall in Deutschland präsentieren. Malu Dreyer hofft, dass das nicht in wochenlange Selbstbeschäftigung ausartet. Danach haben die gut 420.000 SPD-Mitglieder das Wort, am 26. Oktober soll feststehen, wer die SPD künftig führt. Die kommende Spitze muss Anfang Dezember auf einem Parteitag offiziell bestätigt werden, dann soll auch über die Zukunft der Groko befunden werden.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, argumentiert Finanzminister Olaf Scholz.
"Jeder weiß, mit der Vorsitzenden-Wahl wird darüber nicht entschieden. Das machen wir mit einem ganz anderen, eigenständigen Verfahren."
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, argumentiert Finanzminister Olaf Scholz.
"Jeder weiß, mit der Vorsitzenden-Wahl wird darüber nicht entschieden. Das machen wir mit einem ganz anderen, eigenständigen Verfahren."
Der Vizekanzler begründet das mit einer Onlineumfrage unter etwa 36.000 Parteimitgliedern. Danach befragt, worüber sie mit den Kandidaten für den SPD-Vorsitz reden möchten, landete die Groko-Zukunft tatsächlich nur auf Platz 21. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sozialdemokraten von ihrer künftigen Doppelspitze ein Ja oder Nein zur Regierungsverantwortung erwarten.
"Wie kann die SPD ein eigenständiges Profil gewinnen?" wurde von 23 Prozent der Befragten genannt. "Wie stoppen wir die weiter steigende Vermögenskonzentration in den Händen einiger Weniger?" interessiert noch mehr Parteimitglieder und ganz oben auf der Liste steht die Frage nach der Umweltpolitik. "Was ist Deine/Eure Antwort auf die Klimakrise?" Das wollen knapp 30 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder von den Bewerbern erfahren.
"Wenn wir beispielsweise beim Klimaschutz diese Riesenherausforderung als Große Koalition wirklich nicht stemmen, dann muss man die Konsequenz ziehen und sagen, so kann man keine Zukunft gestalten."
Fraktionsvize Matthias Miersch zieht rote Linien, die im Rahmen der sogenannten Halbzeitbilanz bestätigt werden dürften. Einer Forsa-Umfrage zufolge sind immerhin 42 Prozent der SPD-Mitglieder dafür, die Koalition "so bald wie möglich" zu beenden.
Wer die SPD führen möchte, dürfte an einem radikalen Kurs in der Klimapolitik kaum vorbeikommen – eine Grundrente gilt als gesetzt und mit der Forderung nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist die kommissarische Führung schon jetzt einem Grundgefühl an der SPD-Basis entgegengekommen.
Thorsten Faas, Politikwissenschaftler an der FU Berlin, vermag sich dennoch noch nicht ganz vorzustellen, wie die SPD kurzfristig zu neuem Profil finden könnte, mit dem Ruf nach sozialer Gerechtigkeit und Gestaltung des Arbeitsmarktes der Zukunft allein ist es seiner Ansicht nach auch nicht getan.
"Es gibt viele Linien in der SPD, die sich auch lange Jahre in der SPD zurückziehen lassen, aber das macht sie trotzdem noch nicht zu prägenden, definierenden, auch einenden Themen und das wäre eigentlich die Herausforderung oder die Lösung, die die SPD gerade bräuchte. Eine klare akzentuierte Programmatik, die sie gemeinsam nach vorne führen kann."
Nachvollziehbare Enttäuschung über die SPD
Grillfest der SPD in Mönkebude am Stettiner Haff. Die kommissarische Chefin Manuela Schwesig ist gekommen. Basisarbeit im Nordosten Deutschlands.
"Ich bin gekommen, um ein bisschen zu klönen und zu schnacken mit den Leuten, ich möchte auch gerne über Politik mit Ihnen diskutieren, wie Sie Lust haben."
"Guten Tag Frau Schwesig, ich komme aus Niedersachsen, ich weiß dass sie hier eine überaus beliebte Ministerpräsidentin sind."
"Was ist ihr Wunsch, dass Sie so nett anfangen?"
"Ich habe auf dem Herzen: Was ist mit der Bundespolitik und der SPD los? Diese tolle Volkspartei, dass die so wahnsinnig abgestürzt ist, ich finde das bedrückend. Ich sehe große Fehler, die da passieren."
"Ich habe auf dem Herzen: Was ist mit der Bundespolitik und der SPD los? Diese tolle Volkspartei, dass die so wahnsinnig abgestürzt ist, ich finde das bedrückend. Ich sehe große Fehler, die da passieren."
Das Nein der SPD zur EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen führt der Urlauber an, dass die Partei eigene Erfolge schlechtredet, dass sie das Personal wieder wechselt, so vieles stört ihn.
"Ich habe noch viel mehr Fragen!"
"Das reicht erst mal für heute Abend, würde ich sagen. Ich kann viel Ihrer Kritik nachvollziehen, dass die SPD einen ständigen Wechsel an der Spitze hat, das ist wirklich eine sehr berechtigte Kritik. Das ist nicht gut, wie es gelaufen ist, auch die Art des Umgangs, das sehe ich auch so!"
"Nicht gut gelaufen" ist wohl eine arge Untertreibung. Wenn die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen für die Sozialdemokraten am Sonntag so schlecht ausgehen wie befürchtet, dürften die Ursachen auch in der Bundespartei zu suchen sein.
Manuela Schwesig will 2021 die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern gewinnen, Franziska Giffey die Krise um ihren Doktortitel überstehen und dann in Berlin als Regierende Bürgermeisterin antreten. Die Frauen, die sich nicht trauen, den SPD-Vorsitz zu übernehmen – aufgegeben haben sie ihre Partei noch nicht. Und als Giffey in Sachsen vor den Kindern steht, lacht sie, so als bedeute ihre Absage rein gar nichts:
"Ich bin ja nicht weg, ich bin ja da, gucken Sie mal!"