"Ich habe 2005 mit meiner Ausbildung angefangen. Zur Polizei."
Seitdem ist Stefan Grohme Polizist in Sachsen. Einer von insgesamt knapp 15.000 im Freistaat und von 270.000 in der gesamten Bundesrepublik. Ein paar Jahre Erfahrungen im Dienst vor Ort hat er schon auf dem Buckel: Sieben Jahre Streifendienst hat er absolviert. Den Großteil davon im Revier Dresden West.
"Also das ist ein Viertel, das hat wirklich alles dabei. Also wir haben viele - Problemfelder möchte ich das jetzt nicht bezeichnen - aber haben auch viele Sozialwohnungen, Gorbitz, den größten Plattenbau in der Stadt Dresden. Haben aber auch Umland, Dörfer. Ist alles dabei."
Für Stefan Grohme könnten sich demnächst die rechtlichen Grundlagen seiner Arbeit wesentlich ändern. Denn Sachsen ist eines jener Bundesländer, die an einem neuen Polizeigesetz feilen.
Vor etwa zwei, drei Jahren haben die Diskussionen bundesweit begonnen, seitdem wurden in mehreren Bundesländern, zum Beispiel in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und jüngst in Brandenburg Neuregelungen verabschiedet. In anderen, wie Sachsen und Niedersachsen steht die Verabschiedung bevor. In Schleswig-Holstein und Berlin beginnen die politischen Debatten gerade und in Bremen liegen sie derzeit auf Eis. Warum es diese Welle an neuen Polizeigesetzen gibt, erläutert der Bochumer Rechtsprofessor Tobias Singelnstein.
Massive Kritik am bayerischen Gesetz
"Ein wichtiger Anlass, ein wichtiger Grund ist sicher der islamistisch motivierte Islamismus und die Notwendigkeiten, die die Polizei im Umgang damit sieht. Nach 9/11 aber auch gerade in den vergangenen Jahren nach dem Anschlag hier in Berlin auf den Weihnachtsmarkt hat sich in der Polizei zunehmend die Perspektive durchgesetzt, dass man schon im Vorfeld solcher Anschläge die so genannten Gefährder identifizieren müsse und gegen die vorgehen müsse. Und dafür gibt's eben bisher kaum zureichende Rechtsgrundlagen."
Und das soll nun geändert werden und bei dieser Gelegenheit auch noch die ein oder andere neue Befugnis in das jeweilige Gesetz aufgenommen werden. Besonders im Fokus der Öffentlichkeit war im vergangenen Jahr das Gesetzgebungsverfahren in Bayern. Innenminister Joachim Herrmann im bayrischen Landtag:
"Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ja, die Menschen in Bayern sollen weiterhin frei und in Sicherheit leben. Genau das bezweckt das neue Polizeiaufgabengesetz."
Tageschau: "In München sind heute mehr als dreißigtausend Menschen gegen das geplante neue bayerische Polizeigesetz auf die Straße gegangen. Sie werfen der regierenden CSU einen massiven Angriff auf Grundrechte vor."
Bayerns Polizisten dürfen künftig deutlich mehr
Als das neue bayerische Polizeigesetz im vergangenen Mai verabschiedet wurde, hieß es von Bürgerrechtlern, das sei das schärfste Polizeigesetz in Deutschland nach 1945. Und in der Tat: Nach der Neuregelung dürfen Polizisten des Freistaates künftig deutlich mehr: Sie dürfen zur Gefahrenabwehr und Verhinderung von Straftaten beispielsweise Trojaner auf Computer, Handys und Tablets installieren, um verschlüsselte Kommunikation abzuhören. Sie dürfen Personen für mehrere Monate in so genannte Präventivhaft nehmen, sie dürfen DNA auf das Geschlecht, die Augen-, Haar-und Hautfarbe, das biologische Alter und die biogeographische Herkunft untersuchen.
Sie dürfen Drohnen und Videoüberwachung einsetzen und sie dürfen mit sogenannten Bodycams ihre jeweiligen Gegenüber filmen, um nur einige Beispiele zu nennen. Und vor allem dürfen sie vieles noch früher als bisher. Denn bislang war Voraussetzung, damit Polizei im Bereich der Prävention überhaupt tätig werden konnte, das Vorliegen einer konkreten Gefahr.
"Als konkrete Gefahr wird eine Sachlage bezeichnet, welche bei ungehindertem Geschehensablauf und in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen wird."
Die neuen bayerischen Regelungen geben Polizeibeamten nun aber schon bestimmte Befugnisse, wenn lediglich eine "drohende Gefahr" vorliegt. Unter einer drohenden Gefahr versteht man in Bayern, dass "in absehbarer Zeit Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung auf ein bedeutendes Rechtsgut zu erwarten sind. Bedeutende Rechtsgüter sind:
•Leben, Gesundheit oder Freiheit,
•die sexuelle Selbstbestimmung,
•erhebliche Eigentumspositionen oder
•Sachen, deren Erhalt im besonderen öffentlichen Interesse liegt."
Und an diesem Begriff der "drohenden Gefahr" entzündet sich eine der heftigsten Diskussionen um das neue Polizeigesetz. Der Vorsitzende der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag Thomas Kreuzer erklärt, wie sich drohende und konkrete Gefahr unterscheiden:
"Sie brauchen bei der drohenden Gefahr tatsächliche Anhaltspunkte und einen konkreten Verdacht gegen eine Person, dass eine Straftat gegen Leib und Leben oder andere Rechtsgüter gemacht wird. Die konkrete Gefahr setzt voraus, dass Sie Ort und Zeit der Tat kennen."
Klage angekündigt
Kreuzer gibt auch gleich ein Beispiel:
"Ein ausländischer Geheimdienst teilt uns mit, dass eine islamistische Gruppe beispielsweise oder eine andere Terroristengruppe plant, eine Straftat zu begehen, auch was es ist. Wir kennen die Gruppe, sie taucht unter, und wir können keine polizeilichen Maßnahmen durchführen. Dann haben wir noch keine konkrete Gefahr, aber wir haben eine drohende Gefahr. Und dann ist die Frage, können wir zum Beispiel - mit richterlichem Beschluss - die Handys orten, schauen, wo sich die Gruppe aufhält, sie eventuell dann observieren - wieder mit richterlichem Beschluss - um die Straftat zu verhindern?"
Neu ist der Begriff der drohenden Gefahr nicht. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der Entscheidung zum Gesetz über die Arbeit des Bundeskriminalamtes - kurz BKA-Gesetz - schon 2016 der Polizei zugebilligt, nicht erst dann einschreiten zu dürfen, wenn ein Schadenseintritt bereits vorhersehbar ist. Es reicht, so die Karlsruher Richter, wenn bestimmte Tatsachen auf eine drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. Daran hat sich nun auch der bayerische Gesetzgeber orientiert.
Das gehe aber nicht so einfach, erklärt der FDP-Politiker und frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum. "Ich habe das BKA-Urteil, auf das sich die bayerische Staatsregierung stützt, miterstritten. Der Ausgangspunkt ist Terrorismus, nicht die Alltagskriminalität. Und hier machen sie einen Sprung in die Alltagskriminalität, die drohende Gefahr wird ausgedehnt. Und das geht nicht. Das geht gegen die klare Absicht der Verfassung"
Gerhart Baum will deshalb gegen das bayerische Polizeigesetz klagen. Und er ist nicht allein. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte, die bayerische FDP mit der früheren Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und die Bundestagsfraktionen von FDP, Linken und Bündnis 90/Die Grünen wenden sich ebenfalls gegen das Gesetz.
Vorverlagerung der Eingriffsbefugnisse
Dietmar Bartsch, der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag erklärt in einer Pressekonferenz im September 2018, warum sich die ungleichen Partner zusammengetan haben.
"Wenn FDP, Linke und Grüne gemeinsam eine solche Klage anstrengen, dann muss es um etwas gehen. Und ja, hier geht es um etwas sehr Grundsätzliches. Wir sind der Auffassung, dass es hier Verstöße gegen das Grundgesetz gibt. Das soll das Bundesverfassungsgericht dann feststellen. Es geht hier insbesondere natürlich um den diffusen Gefahrenbegriff der drohenden Gefahr, die dort interpretiert wird. Und das ist ein Punkt, dass damit auch die Möglichkeit gegeben wird, dass die Schwelle des Eingriffes sehr nach vorne verlegt wird. Vor allen Dingen besteht die Gefahr, dass Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten verwischen. Polizei arbeitet grundsätzlich offen, Geheimdienste nicht. Und wir wollen hier auch aus vielen, vielen anderen Erfahrungen, die Deutschland hier gemacht hat, eine klare und präzise Trennung."
Die Fraktionen wollen, auch im Hinblick auf die Diskussionen in den anderen Bundesländern, eine Klärung aus Karlsruhe. Denn die Tendenz ist fast überall die gleiche. Auch die neuen Polizeigesetze in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg und das demnächst in Sachsen zu verabschiedende, sehen eine Vorverlagerung der Eingriffsbefugnisse vor. Wann danach konkret, welche Maßnahme schon bei einer drohenden Gefahr erlaubt ist, ist dabei in den einzelnen Polizeigesetzen unterschiedlich geregelt.
Der Bochumer Kriminologie-Professor Tobias Singelnstein sieht die Entwicklung grundsätzlich mit Sorge: "Das erfolgt in den meisten Bundesländern bisher noch relativ begrenzt, das heißt, es geht tatsächlich vor allem um Situationen des internationalen Terrorismus. Aber man kann auch sehen, dass die Befugnisausweitung keineswegs darauf beschränkt bleibt, sondern dass das Ganze schon auf andere Geschehensabläufe ausgedehnt wird. Ich glaube, wenn diese Schwelle der konkreten Gefahr einmal aufgeweicht ist, werden wir in Zukunft auch dahin kommen, dass auch in anderen Gebieten weniger Anforderungen an Grundrechtseingriffe gestellt werden."
Neue Begrifflichkeiten, neue Unsicherheiten
Vor allem stellt sich auch die Frage, wie praktikabel die neuen Begrifflichkeiten tatsächlich im Alltag sind. Denn immerhin hängt davon ab, was genau in der konkreten Situation erlaubt ist und was nicht. Die Gefahr, dass hier die Polizeibeamten überfordert sind, weist der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt aber weit von sich.
"Ja, zunächst einmal ist es ja nicht so, dass ein einsamer Polizist irgendwo eine solche Entscheidung trifft, sondern die meisten der Eingriffsbefugnisse sind an richterliche Vorbehalte geknüpft. Das heißt, da schaut auch noch ein Richter drauf oder eine Richterin und dann werden solche Entscheidungen getroffen. Aber es ist richtig, dass die Polizei diese Definitionen kennen muss und auch damit umgehen muss.
Das sieht Clemens Arzt deutlich skeptischer. Arzt ist Professor für Polizei- und Ordnungsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Seine Studenten werden in zwei, drei Jahren selbst Polizeibeamte sein. Er meint, dass neue Begrifflichkeiten immer auch neue Unsicherheiten bringen. Und das gilt nicht nur für die "drohende Gefahr", sondern für eine Vielzahl anderer neuer Begriffe in den neuen Gesetzen.
"Jeder neue Begriff, den wir einführen und der nicht sozusagen selbsterklärend ist, muss lange von der Rechtsprechung erst mal ausgelegt werden. Und das ist ein Problem, weil das heißt, für fünf bis zehn Jahre wissen wir bei vielen dieser Begriffe jetzt nicht wirklich in der Praxis, was heißt das genau und vor allem, wie muss ich die abgrenzen gegenüber den bisherigen Begriffen. Wir führen ein großes neues Begriffsrepertoire und ich glaube wirklich, Polizisten sind davon tendenziell überfordert."
Eine Maßnahme, die nach bayerischem Polizeigesetz bereits bei einer drohenden Gefahr angeordnet werden kann, ist beispielsweise das sogenannte Aufenthaltsgebot. Auch andere Länder sehen - mit unterschiedlichen Voraussetzungen - ein solches Aufenthaltsgebot vor. Im rot-rot-regierten Brandenburg beispielsweise geht das nur im Zusammenhang mit der Abwehr terroristischer Gefahren und mit Zustimmung eines Richters.
Der Polizist und seine Kamera
Clemens Arzt: "Aufenthaltsgebot ist im deutschen Polizeirecht eine komplett neue Maßnahme. Was wir bisher kennen sind Aufenthaltsverbote. Das heißt, vor allem im Drogenbereich hat man das eingesetzt, teilweise auch gegen Fußballfans, Hooligans. Teilweise auch im Versammlungsvorfeld, dass man jemandem sagt, du darfst für eine bestimmte Zeit die und die Gegend von Berlin oder des Bundeslandes nicht betreten. Und in Zukunft kann die Polizei Menschen aufgeben, dass sie sich aus einem bestimmten Bereich oder einem bestimmten Ort nicht wegbewegen dürfen."
Bei den Aufenthaltsverboten sahen Juristen bisher keine großen verfassungsrechtlichen Probleme. Anders könnte das bei den jetzt möglichen Aufenthaltsgeboten sein. Für Professor Clemens Arzt ist das schon eine Art Freiheitsberaubung und damit eine der schärfsten staatlichen Eingriffe. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass sich der Betroffene zumindest bis zu diesem Zeitpunkt ja strafrechtlich noch gar nichts hat zuschulden kommen lassen.
Stärker im Fokus der öffentlichen Diskussion waren und sind aber die Regelungen zur sogenannten Bodycam für Polizisten. Hier geht es nicht um Terrorismus oder um Gefahren für besonders bedeutende Rechtsgüter, die geschützt werden sollen, sondern es geht um den ganz normalen Polizeieinsatz. Von Gewerkschaftsseite wurde gefordert, dass Polizisten künftig mit Körperkameras ausgestattet werden, mit denen der, die, das jeweilige Gegenüber gefilmt werden kann.
Warum das für die Polizei wichtig ist, erklärt der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt: "Wir wissen aus den Pilotprojekten in einigen Ländern, dass die Bodycams, das heißt, die Möglichkeit einer Videografie eines polizeilichen Einsatzes dazu führt, dass aufgebrachte polizeiliche Gegenüber genau wissen, dass das, was sie jetzt veranstalten, aufgenommen wird und später auf einem Richtertisch landen könnte, dadurch besänftig werden können. Das heißt, Gewalt gegen die Einsatzkräfte geht spürbar zurück und genau diesem Zweck dienen ja auch die Bodycams in erster Linie."
"Polizei zieht sich immer weiter zurück hinter einen Schutzpanzer"
In Sachsen hat die Diskussion um die Bodycams sogar dazu geführt, dass die Abstimmung über das Polizeigesetz verschoben wurde. Der dortige Innenausschuss hat eine Expertenanhörung ausschließlich zu diesem Thema durchgeführt. Clemens Arzt war als Sachverständiger geladen und kritisierte insbesondere, dass es keine ausreichenden Vorgaben zum Umgang mit den Aufnahmen gebe. Es gebe kein eindeutiges Recht der Betroffenen, sich die Aufnahmen anzuschauen.
"Und wir haben auch keine klaren Regelungen, wie lange gespeichert wird. Dass ab dem ersten Tag nach dem Einsatz keiner mehr zugreifen darf. Also Sperrregelungen und ähnliches, all das ist noch sehr vage."
Insgesamt meint der Rechtsprofessor, dass sich die Polizei mit den Bodycams selbst keinen Gefallen tut. "Ich glaube, das schafft mehr Distanz. Wir haben die paradoxe Situation, dass die Polizei in Deutschland zu der Gruppe von Berufen zählt, in die Menschen das höchste Vertrauen haben. Und statt darauf zu bauen - auch wenn es natürlich immer wieder Risiken und Problemlagen gibt - also statt darauf zu bauen, zieht sich die Polizei immer weiter zurück hinter einen Schutzpanzer."
Eine solche Entwicklung der Entfernung soll es in Schleswig-Holstein nicht geben. Zumindest wenn es nach den Grünen geht. Auch im nördlichsten Bundesland wird über Reformen im Polizeirecht diskutiert. Die Debatte steht allerdings erst am Anfang. Die Grünen wollen aber schon jetzt ihre Pflöcke für die kommende politische Debatte mit den Koalitionspartnern von CDU und FDP einschlagen. Der "bürgerverortete Grundton" soll auch mit einem neuen Polizeigesetz erhalten bleiben, erklärt der Grüne-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz, der in Schleswig-Holstein den Koalitionsvertrag mitverhandelt hatte. Deshalb gibt es für die Partei auch klare rote Linien.
"Ja wir haben gesagt, bei diesen tatsächlich auch sicherheits-gefährdenden Maßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger, also wenn es um das Eindringen auf Computer geht, die derzeit völlig im rechtlichen Nirwana stattfinden, wenn es um diese allgemeinen Datenspeicherungen geht, die vom Bundesverfassungsgericht und vom EuGH ausgeschlossen worden sind, dann ist das für uns eine klare rote Linie. Das machen wir nicht mit. Ich glaube, dass wenn man sich die Debatten der letzten Jahre anguckt, ist man jetzt auch an einem Punkt, wo es vielen Menschen eben auch so geht, die sagen, mit dem ganzen Einzug der Digitaltechnik in mein privates Zuhause müssen dem Staat auch klare Grenzen gesetzt werden. Wenn morgen andere Menschen gewählt werden, und wir nicht mehr sagen können, was wir denken, dann wundern wir uns, wie konnte das denn passieren."
"Illusion, es könnte eine absolute Sicherheit geben"
Und so kocht jedes Bundesland sein polizeirechtliches eigenes Süppchen - abhängig vom parteipolitischen Bild von Sicherheit und Freiheit und von den konkreten politischen Koalitionszwängen. Um hier eine Einheitlichkeit herzustellen, hatte das Bundesinnenministerium im Sommer 2017, seinerzeit noch unter Minister de Maizière, den Anlauf für ein Musterpolizeigesetz genommen. Das Vorhaben, das auf einen Beschluss der Landesinnenminister-Konferenz zurückgeht, hat es sogar in den Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD geschafft. Bisher ist es allerdings still geworden darum. Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft bedauert das, denn er ist der Ansicht, dass die unterschiedlichen Regelungen die Polizeiarbeit erschweren.
"Wenn Sie von einem Land zum anderen fahren - und gerade unsere Bereitschaftspolizei muss ja bundesweit im Einsatz sein - und sie müssen sich dann an die jeweiligen rechtlichen Gegebenheiten des Bundeslandes anpassen - eine schwierige Führungsaufgabe, das heißt, man muss vermitteln, was geht und was nicht geht. Und da kann es schon mal sein, dass man in ein Bundesland hineinfährt und da die Bodycams ausschalten muss, weil sie dort nicht angewendet werden dürfen."
Für den Gewerkschaftler ist das ein schlechtes Zeichen, auch für die Zukunft. "Das ist nicht gut und zwar deshalb nicht gut, weil wir in Europa uns bemühen einheitliche Verhältnisse herzustellen. Weil Europa Terrorabwehr und Gefahrenabwehr eigentlich einheitlich machen muss. Und wir kommen in Deutschland noch nicht einmal mit unseren 16 Bundesländern zurecht und sind ein ausgesprochen schlechtes Beispiel für Europa."
Ob neue Befugnisse wirklich ein Mehr an Sicherheit bedeuten, ist heiß umstritten. Eine absolute Sicherheit gebe es ohnehin nicht, sagt Tobias Singelnstein, der Bochumer Kriminologe.
"Das ist eine Realität, mit der wir uns abfinden müssen, so traurig wie das ist. Und ich glaube, deshalb ist diese Befugniserweiterung sogar ein Stück weit gefährlich, weil sie diese Illusion nährt, es könnte eine absolute Sicherheit geben, man könnte einen Anschlag in jedem Fall verhindern.