Podcast „Kanal Schnellroda“
Ideologischer Angriff auf den gesellschaftlichen Diskurs

Im Podcast "Kanal Schnellroda" sprechen Protagonisten der Neuen Rechten oft über die deutsche Erinnerungskultur. Ihr Ziel ist, die Schuld der Deutschen an Holocaust und Weltkrieg zu relativieren. Wir haben den Podcast genauer analysiert.

    Deutsche Bomberbesatzung auf Feindflug in einer Junkers JU88 über Russland, 1943.
    Am rechten politischen Rand gelten sie als aufrechte und untadelige Männer: deutsche Soldaten mit Bomber in Russland 1943. (picture alliance / Luftbildarchiv Uwe Moser)
    „Es ist ein mittelspäter Abend in Schnellroda. Wir haben uns gerade von einer sehr fröhlichen Grillparty verabschiedet. Kubitschek hat gesagt: Wir müssen podcasten für Deutschland“: So nahbar leitet Ellen Kositza eine Episode des Podcasts „Kanal Schnellroda” ein.
    Es ist eine Einladung in eine Welt, in der Thesen und Ideologien der Neuen Rechten nicht nur sagbar, sondern völlig normal sind. Der Podcast war ursprünglich Teil des – mittlerweile aufgelösten – "Instituts für Staatspolitik" (IfS) und hat es überlebt. Mitschnitte von Vorträgen und Panels, Literaturbesprechungen und Diskussionsrunden zu aktuellen Themen aus Sicht der Neuen Rechten – für alles ist Platz im "Kanal Schnellroda".

    Die Neue Rechte und die Erinnerungskultur

    IfS-Gründer Götz Kubitschek ist einer der wichtigen neurechten Vordenker in Deutschland. Die Neue Rechte verfolgt eine Reihe von Zielen: Sie reichen von der Förderung eines völkisch-nationalistischen Weltbildes über die Ablehnung der liberalen Demokratie bis hin zur gezielten Veränderung der deutschen Erinnerungskultur.

    Weitere Recherchen zum Thema

    Kubitschek argumentiert, dass die aktuelle Erinnerungskultur Deutschland in einem Zustand permanenter Schuld halte. Im „Kanal Schnellroda“ bringt er diese Sichtweise deutlich zum Ausdruck:

    Was uns Deutschen durch und nach dem Zweiten Weltkrieg widerfahren ist: Das wir das absolute Tätervolk, das schuldige Kollektiv sind. Das ist im Grunde eines der Hauptthemen, gegen das wir mit unseren Publikationen und unserer Art nachzudenken angehen.

    Götz Kubitschek
    Die Neue Rechte betrachtet die deutsche Erinnerungskultur als hinderlich für ihre Vorstellung von einer völkisch-nationalen Identität. Sie versucht daher, die erinnerungskulturelle Deutungshoheit zu erlangen. Dafür setzt sie geschichtsrevisionistisch aufgeladene Begriffe und Ideen ein, die die Erinnerungskultur infrage stellen und die Geschichte der NS-Diktatur zumindest in Teilen relativieren sollen. Unsere Analysen zeigen: Im „Kanal Schnellroda“ ist diese Strategie allgegenwärtig.

    Wie wir „Kanal Schnellroda“ analysiert haben

    Um den Podcast „Kanal Schnellroda“ systematisch zu untersuchen, haben wir über 140 Stunden Audiomaterial ausgewertet. Dafür haben wir 222 Episoden transkribiert, um den Text durchsuchbar zu machen.
    Zudem haben wir eine Liste mit Begriffen rund um das Thema Erinnerungskultur erstellt. Auf dieser Liste finden sich beschreibende Begriffe wie zum Beispiel „Holocaust“ oder „Konzentrationslager“, aber auch solche, die oft in geschichtsrevisionistischen Kontexten verwendet werden, wie etwa „Schuldkult“ oder „Vogelschiss“.
    Diese Begriffe ließen wir anschließend von einer künstlichen Intelligenz in den Transkripten suchen. Dabei fanden wir mindestens 115 Stellen, an denen diese Begriffe auftauchen. In mehr als einem Viertel aller Episoden taucht mindestens eines der gesuchten Schlagworte auf.
    Im nächsten Schritt haben wir jede einzelne Fundstelle analysiert, um festzustellen, in welchen Kontexten diese Begriffe verwendet werden. So konnten wir ein klares Bild davon gewinnen, wie im „Kanal Schnellroda“ über Erinnerungskultur gesprochen wird und welche Absichten dahinterstehen.

    "Schuldkult", "Umerziehung" und "Tätervolk"

    Im „Kanal Schnellroda“ wird die Erinnerungskultur immer wieder mit stark wertenden Begriffen beschrieben, die die Sichtweise der Neuen Rechten auf die deutsche Geschichte verdeutlichen. Die inhaltliche Auseinandersetzung zeigt, dass vor allem Begriffe wie „Schuldkult“, „Umerziehung“ und „Tätervolk“ zentrale Begriffe sind.
    Sie werden regelmäßig und teilweise synonym verwendet, um die bestehende Erinnerungskultur als Unterdrückungsmechanismus darzustellen. In vielen Diskussionen um erinnerungspolitische und historische Themen spielen diese Schlagworte selbst dann eine Rolle, wenn sie nicht direkt fallen. IfS-Mitgründer Erik Lehnert etwa beschreibt die Erinnerungskultur Deutschlands so:

    Warum sind wir nicht souverän? Nicht unbedingt, weil wir den Zweiten Weltkrieg verloren haben, sondern weil wir in den Folgen nicht wieder auf die Füße gekommen sind, sondern uns haben einreden lassen, dass wir an allem schuld sind, um es mal jetzt ganz platt zu sagen.

    IfS-Mitgründer Erik Lehnert
    Durch die Verwendung dieser Begriffe versucht die Neue Rechte, die historische Schuld zu relativieren und die öffentliche Diskussion in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie sind nicht nur Ausdruck einer ideologischen Position, sondern ein gezieltes Mittel, um den gesellschaftlichen Diskurs zu verschieben und revisionistische Ansichten zu normalisieren. Das geht so weit, dass auch Positionen wie zum Beispiel die „Präventivkriegsthese“, die für eine rechtsextreme Weltanschauung zentral sind, im Podcast diskutiert werden.

    Mehr Geschichtsrelativierung – auch auf TikTok

    Seit Sommer 2023 hat sich der Umgang mit der deutschen Erinnerungskultur im „Kanal Schnellroda“ noch einmal verschärft. Ein zentrales Thema dabei ist ein TikTok-Video des AfD-Politikers Maximilian Krah, in dem er behauptet: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher […] Wir haben allen Grund, stolz auf unser Land zu sein.“
    Es war der Beginn des Wahlkampfes zur Europawahl, der für die AfD besonders auf TikTok zum großen Erfolg wurde. Zentrales Thema immer wieder: die Erinnerungskultur. Im Podcast wird Krahs Erfolg als Beispiel dafür hervorgehoben, wie revisionistische Botschaften gezielt an ein junges Publikum vermittelt werden können.
    Spätestens seit dem IfS-Sommerfest 2023 werden erinnerungskulturelle Themen im Podcast aggressiver verhandelt, die Intensität und Offenheit geschichtsrelativierender Aussagen nimmt zu. Die vermeintlichen Spielregeln zum Umgang mit Erinnerungskultur und Geschichte – für Erik Lehnert sind sie in seiner Abschlussrede zum Fest hinfällig. Es sei klar geworden, "dass, wenn man sich an diese Regeln hält, am Ende nur immer einer gewinnt", so Lehnert: "Und das sind nicht wir, sondern das sind die anderen."

    Die Gefahr einer veränderten Erinnerungskultur

    Im Podcast „Kanal Schnellroda“ wird deutlich, wie die Neue Rechte versucht, die Erinnerungskultur zu untergraben und die Verbrechen der NS-Zeit zu relativieren. Durch die gezielte Umdeutung von Begriffen und das Infragestellen bisheriger Tabus soll das Unsagbare wieder sagbar werden.
    Die Angriffe gegen die Erinnerungskultur sind ein zentraler Teil des Kulturkampfes der Neuen Rechten. Götz Kubitschek hat das in einer Rede auf den Punkt gebracht:

    Wir müssen uns unseren Platz und unsere Machtanteile erkämpfen. […] Wir müssen vergiftete Wörter entgiften und neue Begriffe setzen. […] Wir müssen der Realität, die sich von selbst nicht durchsetzen wird, auf die Sprünge helfen.

    Götz Kubitschek