Es war eines der wichtigen Flexibilisierungs-Instrumente für den Arbeitsmarkt, das die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder eingeführt hatte: Das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Mit dieser Reform wurde im Jahr 2001 auch die Arbeit auf Abruf ermöglicht, die besonders flexible Verträge für Teilzeitbeschäftigte erlaubt, wonach Arbeitnehmer entsprechend dem Arbeitsanfall im Unternehmen zur Verfügung stehen.
Wurde in den Verträgen die Arbeitszeit nicht festgeschrieben, dann galten zehn Stunden pro Woche als fest vereinbart und mussten bezahlt werden. Eine Obergrenze ist in dem Gesetz nicht enthalten. Die Teilzeitkräfte sollten zudem nur dann zum Erscheinen verpflichtet sein, wenn der Arbeitgeber sie mindestens vier Tage im Voraus angefragt hatte. Soweit die Rechtslage. Doch die betriebliche Praxis sah bald anders aus: Die Flex-Kräfte wurden zu einem gern gesehenen oder eingesetzten Instrument:
"Es gibt Monate, da arbeitet man tatsächlich nur 40 Stunden. Dann gibt es Monate dann arbeitet man 90, 100, manchmal sogar bis zu 150 Stunden im Monat. Also es ist wirklich sehr oft auch so, dass die anrufen und sagen: 'Du, morgen könntest Du da für eine Frühschicht oder auch eine Spätschicht mal kommen?' Und man hat meist auch keine andere Wahl, weil man die Schichten ja auch haben möchte. Also, es ist ja auch so, dass man damit sein Gehalt auch erhöht", erzählt eine namenlose H&M-Mitarbeiterin in einer zwei Jahre alten ZDF-Reportage.
Menschen werden hin und her geschoben
Mindestens 1,8 Millionen Menschen arbeiteten 2016 nach Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung auf Abruf und die Kritik wurde mit der Zeit immer lauter: "Das ist ein Arbeitsverhältnis, in dem gerade im Handel aber auch in der Gastronomie, in anderen Branchen, Menschen hin und her geschoben werden, die wenig Sicherheit für ihre Einkommensperspektive haben oder Planbarkeit, was den Tag betrifft - sondern allein hinten an dem Wohl und Wehe des Unternehmens hängen", sagt die stellvertretende DGB-Vorsitzende Annelie Buntenbach.
Die große Koalition hat darauf reagiert und will mit der zum Jahreswechsel in Kraft getretenen Reform die Sicherheit und die Planbarkeit für die Beschäftigten erhöhen. So gelten für die gesetzlich angenommene Mindeststundenzahl fortan 20 statt zehn Stunden als fest vereinbart, wenn keine abweichende Regelung getroffen wird. Und der Korridor der abrufbaren Stunden wurde der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angepasst.
Demnach dürfen jeweils höchstens 20 Prozent weniger oder 25 Prozent mehr als die vereinbarte Arbeitszeit pro Woche abgerufen werden. Also nicht weniger als 16 Stunden oder maximal 25 Stunden, wenn tatsächlich 20 Stunden vereinbart oder auch wenn nichts festgeschrieben wurde. Die Verpflichtung, die Arbeitnehmer mindestens vier Tage im Voraus zu informieren, wurde beibehalten.
Sozialversicherungspflicht schnell erreicht
Die neuen Beschäftigungsgrenzen bringen aber erhebliche Risiken gerade für Minijobber mit, betont Sandra Warden, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes DeHoGa. Die neue 20-Stunden-Regel sprengt schnell die Grenze für geringfügig Beschäftigte:
"Das bedeutet zum Beispiel für Minijobber, selbst wenn sie nur zum Mindestlohn beschäftigt sind, dass sie damit automatisch über die 450-Euro-Grenze kommen würden und das will in der Regel weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber."
Denn die Sozialversicherungspflicht beginnt automatisch, sobald die 20-Stunden-Grenze einmal überschritten wurde. Der Hotel- und Gaststättenverband empfiehlt Gastwirten daher in jedem Fall fest vereinbarte vertragliche Regelungen zur Mindeststundenzahl. Eine längerfristige Flexibilität könne auch für Minijobber deshalb nur über Arbeitszeitkonten gewährleistet werden.
"Das heißt, der Mitarbeiter bekommt einen gleichbleibenden Betrag pro Monat gezahlt und die tatsächliche geleistete Arbeitszeit wird dann über Mehr- und Minderstunden in einem Arbeitszeitkonto erfasst und am Ende eines Abrechnungszeitraums wird dann geguckt: stimmt das überein, oder ist da noch was auszugleichen?"
Anrufe am selben Tag: Dieses Problem bleibt
DGB-Vize Annelie Buntenbach bleibt jedoch skeptisch was die versprochene höhere Sicherheit für die Beschäftigten unter der neuen Regelung angeht:
"Wir wissen, dass wir eben auch bei den zehn Stunden eine Menge Umgehungstatbestände hatten und das wird bei 20 Stunden nicht anders sein. Dass diese Vorankündigungsfristen oft nicht eingehalten werden, die Menschen oft am selben Tag angerufen werden und dann auch laufen müssen - weil sie den Job ja nicht verlieren wollen. Und hier haben wir jetzt auch keine bessere Kontrolle, die wir brauchen würden, um hier wirklich nachvollziehen zu können: wird es denn eingehalten, wirkt sich das zum Vorteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denn wirklich aus?"