Warum die EU eine Neuregelung plant
WhatsApp ist auf fast jedem Smartphone installiert. Wer online bestellen will, nutzt mit großer Wahrscheinlichkeit Amazon. Und das Wort "googlen" ist längst zum Synonym für die Suche im Internet geworden. All das zeigt, welche Marktmacht die Tech-Giganten aus den USA auch in Europa haben.
Diese Macht will die EU-Kommission mit einem neuen Gesetzespaket einschränken. Gleichzeitig will sie den Plattformen mehr Verantwortung für ihre Inhalte auferlegen. Heute hat die Kommission einen entsprechenden Gesetzesvorschlag präsentiert. Denn die bislang gültige E-Commerce-Richtlinie, die Online-Plattformen und digitale Dienste reguliert, ist inzwischen 20 Jahre alt.
Der Entwurf besteht aus zwei Teilen: Der Digital Markets Act (DMA) soll den Wettbewerb zwischen den US-Konzernen und kleineren Digitalunternehmen fairer gestalten. "Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die großen Unternehmen immer größer und größer geworden sind, ohne dass dabei bessere Leistungen erzielt wurden", sagte Andreas Schwab, Binnenmarktexperte für die CDU im Europaparlament, dem Dlf.
Der Digital Services Act (DSA) zielt darauf ab, dass Facebook, Google und Co. mehr Verantwortung für die Inhalte auf ihren Plattformen übernehmen, zum Beispiel beim Umgang mit Werbung, Hetze und Falschmeldungen. Erklärtes Ziel ist auch, dass das Internet für die Nutzerinnen und Nutzer sicherer und transparenter wird.
Die Vorschläge umfassen ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die soziale Netzwerke wie Facebook und YouTube ebenso regulieren sollen wie Online-Marktplätze wie Amazon, den Tech-Giganten Apple oder das Buchungsportal Airbnb. Neu ist, dass die EU-Kommission dabei spezielle Regeln für besonders große Plattformen einführen will. Dazu zählen laut Entwurf alle Anbieter, die in der EU mehr als 45 Millionen Nutzerinnen und Nutzer haben.
Das steht im Entwurf für den Digital Services Act
Für ihre Inhalte sollen US-Konzerne den Kommissionsplänen nach sehr viel stärker unter Aufsicht gestellt werden. Bislang hatte die EU hier auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen gesetzt. Haften sollen die Plattformen für illegale Inhalte auch in Zukunft nicht, sie müssen aber, wenn sie davon erfahren, tätig werden und sie schneller als bisher löschen.
Gleichzeitig sollen die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer gestärkt werden, zum Beispiel wenn fälschlicherweise Inhalte gelöscht oder Konten gesperrt werden. Sie sollen außerdem mehr Transparenz darüber bekommen, warum ihnen personalisierte Informationen oder Werbeeinblendungen angezeigt werden. Gleichzeitig sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen besseren Zugang zu Daten bekommen, um beispielsweise die Auswirkungen von politischer Wahlwerbung erforschen zu können.
Um die Umsetzung der Neuregelung zu gewährleisten, sollen die sehr großen Plattformen so genannte Compliance Officer ernennen, die die Einhaltung überwachen. Aber auch externe Kontrollen sollen in Zukunft möglich sein: Einmal im Jahr soll in einem Audit geprüft werden, ob eine Plattform alle Vorgaben einhält. Bei Verstößen der großen Plattformen soll die Kommission Strafen von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes verhängen können.
Für kleinere Plattformen sollen die Mitgliedsstaaten über die Höhe von Geldstrafen entscheiden und diese in nationalen Gesetzen veranken. Jeder Mitgliedsstaat soll außerdem einen eigenen Verantwortlichen benennen, der die Umsetzung durchsetzt.
Eine zunächst diskutierte zentrale EU-Behörde, die die Plattformen überwachen sollte, taucht in dem Entwurf nicht mehr auf. Stattdessen soll es einen Europäischen Datenausschuss geben. Auch die Kommission soll gegen eine Plattform vorgehen können.
Das sind die Hintergründe
Bis der Entwurf in Kraft tritt, müssen noch die EU-Staaten und das Europarlament zustimmen. Bis es zu einer Einigung kommt, könnten mehrere Jahre vergehen. Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen hatte angekündigt, das nächste Jahrzehnt zu einem "digitalen Jahrzehnt" machen zu wollen. Ihr zufolge müsse Europa die Führung im digitalen Bereich übernehmen.
Die großen US-Plattformen geraten derzeit auch in den USA weiter unter Druck. Die US-Verbraucherschutzbehörde FTC hat zusammen mit fast allen Bundesstaaten eine Klage gegen Facebook eingereicht. Die Kläger werfen dem Unternehmen vor, einen freien Wettbewerb zu verhindern und fordern die Zerschlagung des Konzerns. Sie vermuten, dass die Übernahmen des Messenger-Dienstes WhatsApp und der Plattform Instagram illegal gewesen seien. Auch der Suchmaschinen-Betreiber Google muss sich in den USA wegen seiner marktbeherrschenden Stellung seit Oktober vor Gericht verantworten.