Es war ein Zeichen der Bescheidenheit: Zur Amtseinführung am 10. Dezember ließ sich Argentiniens neuer Präsident Alberto Fernández nicht in einem Konvoi schwarzer SUVs zum Kongress chauffieren, sondern er fuhr selbst. Und zwar einen grauen japanischen Mittelklassewagen.
Symbolpolitik, die zeigen sollte: Ich bin auf Eurer Seite. Denn Argentinien leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise, die die Armen ebenso trifft wie die Mittelschicht. Ein paar der verheerenden Daten zählte Fernández dann auch gleich auf.
"Wir haben derzeit die höchste Inflation seit 28 Jahren. Seit 1991 hat es in Argentinien keine Inflation von mehr als 50 Prozent gegeben. Die Arbeitslosenquote ist die höchste seit 2006. Der Kurs für einen Dollar ist seit 2015 von 9 auf 63 Pesos gesprungen. In gerade einmal vier Jahren."
Politik der Geschenke an seine Wählergruppen
Kurz nach der Amtseinführung wurde dann klar, wie Fernández vorgehen will: Vor allem mit Zuwendungen an seine Wählergruppen. Hinter der links-nationalen peronistischen Partei stehen nicht zuletzt die mächtigen Gewerkschaften. Ihnen versprach der neue Präsident mehr Geld: Rentner sollen mehr in der Tasche haben, man wolle außerdem die heimische – und im internationalen Vergleich wenig produktive – Industrie vor ausländischen Wettbewerbern schützen. Das Ziel:
"Ein solidarisches Argentinien, ein Argentinien mit weniger Ungleichheit, das sein öffentliches Bildungs- und Gesundheitssystem verteidigt. Ein Argentinien, das diejenigen fördert, die etwas produzieren und die arbeiten.
Opposition fragt: Wer soll das bezahlen?
Auf Seiten der Opposition hieß es prompt, Fernández verfalle in den alten peronistischen Reflex, alle Strukturprobleme mit sozialen Wohltaten zu übertünchen. Dabei sei völlig unklar, wer dies eigentlich bezahlen soll. Zumal Argentinien hoch verschuldet ist.
Auch in der Finanzwelt kommt die Kehrtwende von einem Sparkurs zu einem staatlichen Ausgabenprogramm nicht gut an. Argentinien brauche endlich einmal Strukturreformen, die über den Tag hinaus gingen, so Claudio Cesario, Präsident des Bankenverbandes:
"Es wäre ideal, wenn wir endlich einmal langfristig eine konstante Grundstrategie für unsere Wirtschaft hätten und daran auch festhalten. Egal ob die Regierung wechselt oder nicht. Argentinien fehlt eine solche Politik der Mitte, und das schwächt unsere Produktivität."
"Gemeinwohl-Idee spielt eine sehr untergeordnete Rolle"
Auch im Mittelstand haben viele ihre Zweifel, ob Alberto Fernández mit seiner Politik das Land zukunftssicher aufstellen kann. Etwa der Seifenproduzent Sebastián Sabater aus der Hauptstadt Buenos Aires. Dessen Traditionsunternehmen steckt tief in der Krise, wie viele kleine Firmen. Er würde sich niedrigere Steuern wünschen, weniger Bürokratie und zuverlässige Rahmenbedingungen:
"Ich habe ehrlich gesagt keine großen Erwartungen, dass sich die Lage schnell bessern wird. Denn es liegt an den Strukturen unseres Landes. Ein Freund von mir spricht immer von einem gescheiterten Staat, einem kranken Land. Hier werkelt jeder in seiner kleinen Blase von sich hin. Jeder schaut, dass er und seine Familie irgendwie über die Runden kommen. Aber die Idee eines Gemeinwohles, die spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle."
Eine entscheidende Rolle für Argentiniens Zukunft dürften die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über eine Umschuldung spielen. Sie sollen so bald wie möglich beginnen.