Lennart Pyritz: Die Kathedrale in Pisa, das Opernhaus in Oslo oder der der Kölner Dom teilen ein Problem: Den Bauwerken machen Regen, Sonne und Luftschadstoffe zu schaffen. Das Gestein wird porös und zerfällt. Im Rahmen eines kürzlich abgeschlossenen, internationalen Projekts namens Nano-Cathedral haben Forschungsteams in den vergangenen drei Jahren Gesteinsproben von den genannten und anderen berühmten Bauwerken genommen. Daran wurden sogenannte Nanomaterialien getestet, die Natursteine vor dem Zerfall retten sollen. Über das Projekt habe ich vor der Sendung mit Max Rahrig gesprochen, Restaurierungs-Wissenschaftler an der Universität Bamberg. Meine erste Frage war: Was sind diese Nanomaterialien und wie sollen sie den Stein schützen?
Max Rahrig: Die Nanomaterialien haben im Vergleich zu gängigen Konservierungsmitteln den Vorteil, dass sie halt um ein Vielfaches kleiner sind, also wir reden da von vielleicht einem Hundertstel oder noch kleiner eines Haares, eines menschlichen Haares. Und dadurch, dass diese Materialien so unfassbar klein sind, können die im Gestein tiefer in die Gesteinsstruktur eindringen und dadurch schon kleinste Mikrorisse festigen und damit halt einfach die Struktur des Steins stärken. Das sind Materialien, die auf die Oberfläche appliziert werden, da gibt es verschiedene Verfahren, ob die mit dem Pinsel aufgestrichen werden oder ob die zum Beispiel aufgesprüht werden, das ist also situationsabhängig.
Fotos von Gesteinen offenbaren schonend Schäden
Pyritz: Sie haben jetzt im Rahmen dieses Projekts ein neues Bildgebungsverfahren entwickelt, das sogenannte Opto-Technical Monitoring. Mit dem kann überprüft werden, ob eine Konservierungsmethode wie diese Nanokur, nenne ich es mal, tatsächlich funktioniert. Solche Bildgebungsverfahren werden ja schon länger in der Denkmalpflege eingesetzt. Was ist jetzt das Neue an Ihrem Ansatz?
Rahrig: Bisher gängige Untersuchungsmethoden, um gefährdete Gesteinsoberflächen zu untersuchen, ist zum Beispiel die Entnahme von Bohrkernen für Untersuchungen in Laboren. Damit kriegt man immer nur einen Einblick in diesen kleinen Bereich, wo man diesen Bohrkern beispielsweise gezogen hat.
Mit dem Bildgebungsverfahren, was wir jetzt entwickelt haben, mit dem Opto-Technical Monitoring haben wir die Möglichkeit, eine größere Fläche einfach mit einer Aufnahme zu erfassen. Wir kombinieren verschiedene Formen der Fotografie, das ist die Farbfotografie, um Veränderungen in der Gesteinsfarbigkeit zu erfassen, dazu kommt die UV-Fluoreszenz-Fotografie und die Infrarot-Reflektografie, die beiden Methoden werden angewendet, um zum Beispiel biogenen Bewuchs, Algen, Flechten und Ähnliches, oder auch die Bildung von Krusten, zum Beispiel Gipskrusten, auf der Oberfläche zu detektieren. Und diese drei Fotovarianten kombinieren wir mit einem hochauflösenden 3D-Scan, wo wir so mit einer Genauigkeit von etwa 0,3 Millimeter die Oberflächen aufnehmen und so also schon Informationen der einzelnen Messkampagnen bekommen.
Und durch das wiederkehrende Messen beispielsweise im Abstand von einem Jahr, zwei Jahren oder fünf Jahren kann man diese ganzen Daten exakt übereinanderlegen und die Unterschiede wunderbar herausarbeiten, sodass man direkt sieht, gibt es Farbveränderungen zwischen den Jahren oder im 3D-Scan Oberflächenverluste, bröselt mir die Fläche vielleicht nach und nach weg, was wir natürlich verhindern wollen.
"Marktreif ist es noch nicht"
Pyritz: Ist diese Kombination aus Behandlung mit Nanomaterialien und Überprüfung des Effekts mit diesem neuen Bildgebungsverfahren denn schon im Einsatz, ist das schon marktreif, wird das schon irgendwo eingesetzt, zum Beispiel bei einer Dombauhütte?
Rahrig: Marktreif ist es noch nicht. Wir haben jetzt den Test an fünf Kathedralen in Europa vorgenommen und in Oslo am Opernhaus so als jüngstes Objekt. Man muss bei Konservierungsmitteln einfach bedenken: Die Objekte sind einige hundert Jahre alt. Wir können also nach drei Jahren Forschungsprojekt jetzt noch nicht direkt sagen, okay, das Material ist marktreif und wir können es vertreiben. Wir gucken jetzt erst noch eine Weile unter Laborbedingungen und an unseren Musterflächen, wie sich die Materialien verhalten und wenn das positive Ergebnisse sind, dann können die Materialien auch auf den Markt.
Pyritz: Sie haben dieses Bildgebungsverfahren auch schon an jahrhundertealten Wandmalereien in Sri Lanka erprobt. Lässt sich der Einsatz der Methode da einfach übertragen?
Rahrig: Ja, das lässt sich eigentlich ganz gut übertragen. Wir haben an den Wandmalereien in Sigiriya in Sri Lanka jetzt gerade ein Forschungsprojekt der Gerda-Henkel-Stiftung, und da geht es darum: Da wurden in den 60er- und 70er-Jahren Konservierungsmittel verwendet, die jetzt zu Problemen an den Oberflächen führen. Und um die besser zu detektieren auf der Oberfläche, macht dieser Einsatz dieser verschiedenen Bildgebungsverfahren halt auch Sinn, um einfach zu sehen: Wo sind die Knackpunkte, an denen die srilankischen Restauratoren dann ansetzen müssen?
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