Duisburg-Rheinhausen. Im Containerterminal des Hafens wird es laut, wenn die bunten Stahlboxen aufeinander gestapelt werden. Sonst ist nur das Summen der mehr als 40 Meter hohen Containerbrücke zu hören. Zügig entlädt der Kranführer ein Schiff, das am Pier liegt.
Bis 1993 gab es hier noch Schwerindustrie. Auf dem Gelände direkt am Rhein stand ein Stahlwerk von Thyssen-Krupp, das Ende der 80er-Jahre bundesweit bekannt wurde. Damals protestierten Tausende Arbeiter gegen die geplante Schließung. Mit Menschenketten, Hausbesetzungen und Eier-Würfen – aber das Aus für ihr Stahlwerk konnten sie nicht verhindern.
Heute wird das Gelände wieder genutzt – als Hafen und Logistikdrehscheibe:
"Wenn aufs Jahr gerechnet 20.000 Schiffe und 25.000 Züge abgefertigt werden, können Sie sich vorstellen, dass immer viel los ist im Hafen. Und was besonders erwähnenswert ist, ist natürlich, dass die Zahl der Züge kontinuierlich steigt und zunimmt", erzählt Hafen-Chef Erich Staake.
Ein großgewachsener Mann, qualmende Zigarre in der Hand, der seit 20 Jahren den Hafen führt und damit die Entwicklung der Stadt – von Stahl zu Logistik – mitprägt.
25 Züge pro Woche aus China
Die Güterzüge, von denen Staake spricht, kommen immer öfter aus China. 25 sind es pro Woche, die von der 30-Millionen-Metropole Chongqing ins Ruhrgebiet fahren. In bis zu 60 Containern pro Zug ist alles drin, was der Westen will: Elektronik, Textilien, Spielzeug.
Etwa halb so viele Waren gehen in die andere Richtung. Und spätestens seit dem Hafen-Besuch des chinesischen Staatschefs vor vier Jahren blicken auch Duisburger Politik und Wirtschaft nach Fernost, sagt Staake stolz:
"Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping ist ja nicht umsonst hierher gekommen. Wahrscheinlich hätten unsere ehemalige Ministerpräsidentin und unser Oberbürgermeister ihn nie zu Gesicht bekommen, wenn wir das nicht gemacht hätten, uns so zu engagieren und der Start- und Zielpunkt der Seidenstraße zu werden."
Die Seidenstraße! Das Stichwort, bei dem Logistik-Manager und Politiker leuchtende Augen bekommen. Mit dem Projekt will China den Welthandel verändern. Dazu baut das Land ein globales Netz aus Häfen, Eisenbahnlinien und Transportwegen auf, um Absatzmärkte zu generieren und abzusichern.
"Ich bekam neulich ein Bild zugeschickt, vom Flughafen in Shanghai. Da sehen Sie eine Landkarte – Europa, Asien – und auf europäischer Seite sind vier Städte eingetragen: Paris, London, Berlin eher kleiner. Und in der Mitte groß Duisburg."
Die Ruhrgebietsstadt ist ein zentraler Punkt auf der Seidenstraße. Aber profitiert Duisburg selbst auch davon? Eine Stadt, die hart vom Strukturwandel getroffen wurde und noch immer mit einer Arbeitslosigkeit von zwölf Prozent kämpft?
SPD-Oberbürgermeister Sören Link ist zuversichtlich:
"Ich erwarte mir zunächst mal ein weiterhin steigendes Interesse von Duisburg als Wohnungsstandort für chinesische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Firmen, für chinesische Studierende, für Chinesen im Allgemeinen. Ich erwarte, dass Duisburg als Investitionsstandort für chinesische Firmen attraktiv wird, sodass unterm Strich für Duisburg einerseits Arbeitsplätze, andererseits Wirtschaftswachstum zu erwarten sind."
Markus Taube bestätigt das. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Duisburg-Essen hat sich intensiv mit der Seidenstraßen-Strategie befasst und die Folgen für Duisburg untersucht.
"Wir haben zeigen können, dass Investitionen getätigt worden sind, dass Arbeitsplätze geschaffen worden sind, im Kontext dieser Seidenstraßeninitiative. Das heißt, wir reden von mehr als nur Containern, die in Duisburg ankommen und dann hier verschifft werden. Sondern hier ist eine kleine Industrie drumherum entstanden, die Steuereinnahmen für die Stadt bringt, Arbeitsplätze schafft und insgesamt eben das Renommee und die Bedeutung der Stadt stärkt."
Die Zusammenarbeit steht noch am Anfang
Aber Hafen-Chef Staake, Bürgermeister Link und Experte Taube sind sich einig: Ein langer Atem ist gefragt, das Projekt "Duisburg und die Seidenstraße" steht noch am Anfang. Zwar gibt es einzelne Investitionen chinesischer Firmen, aber das sind bislang Leuchtturmprojekte.
Viel wichtiger als China wäre den Bürgern die umstrittene Shopping-Mall am Stadtrand und der MSV Duisburg, heißt es.
Am windigen Innenhafen – dem jahrhundertealten und einst stolzen Handelszentrum der Stadt – gehen einige Menschen spazieren. Die meisten haben schon mal von dem China-Projekt gehört. Wie finden sie diese Entwicklung?
"Sehr interessant und auch wichtig, denke ich, für Duisburg. Allgemein hat Duisburg nicht den besten Ruf."
"Also, ich sage mal, reger Handel zwischen Städten ist ja sowieso nicht verkehrt."
"Wir sind hier ansässig in Duisburg, wir produzieren Schmierstoffe und versenden viel Richtung China – derzeit immer über Luftfracht oder Seefracht – und von daher ist auch Zugstrecke massiv interessant, sag ich jetzt mal."
"Arbeitsplätze… Das ist ein Input, auf jeden Fall."
Mehr Handel bringt auch mehr Lkw
Etwa 40.000 Menschen sind hafenabhängig beschäftigt, viele davon kommen aus Duisburg.
Aber es gibt auch Ärger: Die vielen Lkw, die zum Hafen fahren, sind laut und verstopfen die Straßen, Staus gehören zum Alltag, die Anwohner sind genervt. Die Gewerkschaften beklagen die niedrigen Logistik-Löhne. Das alles wird Thema bleiben. Und: China verfolgt mit der Seidenstraße natürlich auch geopolitische Interessen.
Bürgermeister Sören Link weiß das. Er sieht aber keine Abhängigkeiten und Gefahren, wenn man weiterhin auf Augenhöhe miteinander kommuniziere:
"China ist für Duisburg ein echter Diamant. Daran wollen wir mit Verve und Engagement weiter arbeiten."