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Neue Serie: "All Or Nothing"
In der Kabine mit Pep Guardiola

Die neue Amazon-Serie "All Or Nothing“ zeigt einen Blick in das Innenleben des Fußball-Spitzenklubs Manchester City - blendet dabei die kritischen Seiten des Sports aber aus.

Von Julian Ignatowitsch |
    Premiere der neuen Serien "All or nothing" mit Pep Guardiola, Rodolfo Borrell, Xabi Mancisidor, Carles Planchart, Brian Kidd und Lorenzo Buenaventura.
    Premiere der neuen Serien "All or nothing" mit Pep Guardiola, Rodolfo Borrell, Xabi Mancisidor, Carles Planchart, Brian Kidd und Lorenzo Buenaventura. (imago )
    Lange war der Fußballklub Manchester City einfach nur "The Noisy Neighbour", der laute, nervige Nachbar. In der Stadtrivalität mit dem zweiten Verein aus Manchester, Manchester United, hatten die Citizens über Jahrzehnte das Nachsehen, spielten den langweiligeren Fußball, waren weniger erfolgreich und populär. Spätestens seit er, Pep Guardiola, Trainer bei Manchester City ist, hat sich das geändert. Der Verein, der mittlerweile finanziell von Sheikh Mansour gesponsert wird, ist eine der besten Mannschaften der Welt, für Guardiola sogar: die beste Mannschaft der Welt.
    Spieler und Trainer in der Mannschaftskabine
    Die Serie "All Or Nothing", gibt einen Einblick in das Innenleben dieses Spitzenklubs, zeigt Spieler und Trainer in der Mannschaftskabine, bei Taktik-Besprechungen, beim Feiern, Scherzen oder einfach nur zu Hause auf der Couch. Das ist unterhaltsam, man kommt den millionenschweren Stars tatsächlich etwas näher, und lernt auch die Leute, den Alltag hinter dem Erfolg kennen, wie z.B. den witzigen Physiotherapeut oder die verantwortungsbewussten Trikot-Wäscherinnen.
    Gerade für Fußballfans ist dieser Blick hinter die Kulissen etwas ganz Neues. Denn diese Sportart war bislang sehr zurückhaltend, wenn es um Kameras in der Kabine oder Mikrofone auf dem Trainingsplatz ging. Ein Film wie Sönke Wortmanns "Deutschland. Ein Sommermärchen" zur WM 2006 war die absolute Ausnahme - und teilweise auch etwas unbeholfen in Szene gesetzt.
    Negative Seiten des Vereins werden nicht gezeigt
    Für die Serie "All Or Nothing" gilt das Gegenteil. Sie ist an den Formaten aus den USA orientiert, wo Inside-Berichte über NFL- oder NBA-Klubs längst zur Tagesberichterstattung gehören. Unter dem gleichen Seriennamen liefen in den vergangenen drei Jahren bereits Dokus zu American-Football-Teams, die eine Saison lang begleitet wurden, das ganze ist ebenfalls abrufbar auf Amazon. Genauso läuft das jetzt auch bei Manchester City mit Star-Trainer Pep Guardiola. Schauspieler Ben Kingsley erzählt aus dem Off.
    Natürlich zeigt die Serie fast nur die positiven Seiten des Vereins, lässt Trainer und Spieler sympathisch und nah an den Fans erscheinen. Hier hat jetzt also auch der Fußball die Möglichkeit erkannt, sein Image noch gezielter zu steuern, indem man sich vermeintlich transparent gibt. Dabei ist das Gezeigte natürlich wieder nur ein Ausschnitt. Tiefe Einblicke in die Taktik von Trainer Guardiola oder das mentale Innenleben der Spieler darf man nicht erwarten.
    "I feel no pressure at all"
    Wenn ein Spieler wie John Stones, zwischenzeitlich der teuerste Innenverteidiger aller Zeiten, davon spricht, dass er "überhaupt keinen Druck empfindet", tut das fast schon weh. Man muss an ein kürzlich publiziertes Interview von Ex-Nationalspieler Per Mertesacker denken, der ungewohnt offen erzählte, wie er vor sich vor jedem Spiel übergeben musste. Wegen des Drucks. Das brutale Millionengeschäft Fußball blitzt nur zeitweise und eher unfreiwillig auf.
    Keine Krisenpunkte und kritischen Fragen
    "All Or Nothing" zeigt insgesamt eine heile, freudige, actionreiche Fußballwelt, wie sie im Jahr 2018 eigentlich nicht mehr existiert. Der Blick in die Kabine fasziniert anfangs, verkommt aber nach und nach zur endlosen Party, was auch daran liegt, dass die gezeigte Saison die erfolgreichste in der Vereinsgeschichte von Manchester City war. So fehlen die Krisenpunkte, die kritischen Fragen und Einordnungen. Das, was Journalismus leisten muss, in Zukunft wohl noch mehr. Die Serie gleicht eher einem aufwendig produzierten Hochglanz-Imagefilm. Für Fans packend, darüber hinaus aber wenig aufschlussreich.