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Neue Serie "Maniac"
Die Realität ist heilbar

Die neue Netflix-Serie "Maniac" ergründet die menschliche Psyche indem medizinische Probanden mittels Drogen auf eine Reise in ihr eigenes Unterbewusstsein schickt. Die Serie könnte, was Narration, Experimentierfreudigkeit und Ästhetik angeht, nachhaltigen Einfluss auf zukünftige Produktion haben.

Von Julian Ignatowitsch |
    Actresses Emma Stone (L) and Julia Garner were on the set of the new TV show Maniac on November 27 2017 in Kerhonkson, NY Emma Stone;Julia Garner New York United States PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY 563164
    Die Schauspielerinnen Emma Stone und Julia Garner soielen in der Serie "Maniac" mit (imago stock&people)
    Es ist ein ziemlich verrücktes Experiment.
    Prof. Mantleray: "Wissen Sie wo sie jetzt gerade sind?"
    Annie: "In einer Pharma-Studie."
    …mit ziemlich verrückten Probanden…
    Prof. Mantleray: "Was denken Sie, was nicht mit ihnen stimmt?"
    Owen: "Ich bin krank und ich bin bedeutungslos."
    …und kaum weniger verrückten Wissenschaftlern.
    Wissenschaftler: "Gut, legen wir los, Leute! 3, 2, 1…"
    Annie und Owen nehmen an einer wissenschaftlichen Feldstudie der mysteriösen Firma "Neberdine Pharmaceutical and Biotech" teil, die verspricht, alle Ängste, Neurosen und Traumata heilen zu können. Sie, Annie, leidet unter der kaputten Beziehung zu ihrer Mutter und Schwester, ist impulsiv, ziellos und zynisch. Er, Owen, stammt aus einer reichen New Yorker Industriellenfamilie und hat Minderwertigkeitskomplexe und Symptome von Schizophrenie.
    Owen: "Mein Verstand funktioniert nicht richtig und ich dachte, vielleicht können mich diese Leute in Ordnung bringen. Eine dumme Idee!"
    Annie: "Für mich klingt das überhaupt nicht dumm."
    Die Serie "Maniac" zeigt, wie Annie und Owen, unterschiedliche Pillen mit den Buchstaben A, B, C schlucken und daraufhin in unterschiedliche Traumwelten versetzt werden und sich dabei immer wieder begegnen.
    Zwischen Realität und Traum
    Realität und Traum verschwimmen. Mal sind sie auf einem schicken Empfang in Owens Elternhaus, mal in einem schäbigen amerikanischen Vorort, wo der sogenannte White Trash lebt. Dann plötzlich auf einem politischen Weltkongress, der wie aus Kubricks "Dr. Seltsam" anmutet, oder auf einer Abenteuerreise in weiten, grünen Berglandschaften, wie in "Herr der Ringe".
    Annie: "Das ist so eine Art multireale Gehirnmagie-Scheiße"
    Owen: Ich weiß nicht, was real ist, und was nicht."
    Ständig passieren skurrile Dinge, ein Gemetzel um ein Haustier bricht aus; es tauchen seltsame Gestalten auf, wie der tote Professor Dr. Muramoto; und sonderbare Sätze fallen sowieso die ganze Zeit. Das Chaos wird zur Konstante dieser zweiten Realität.
    Owen: "Mein Verstand will mir einen Streich spielen."
    Mut zum Experiment
    "Maniac" folgt dabei keinem linearen Erzählstrang und keiner konsistenten Charakterzeichnung. So schnell wie die Paralleluniversen und Figurentypen entstehen, fallen sie auch wieder zusammen. Und trotzdem: Nach und nach beginnt man, Zusammenhänge zu erkennen und die Biografie und Psyche der Hauptfiguren kennenzulernen.
    Prof. Mantleray: "Wenn man sie erstmal für sich erschlossen hat, die Struktur des Geistes, gibt es keinen Grund mehr zu glauben, es gebe irgendetwas an uns, dass nicht geändert werden könnte. Der Verstand kann entschlüsselt werden!"
    "Maniac" riskiert viel und gewinnt dabei noch mehr. Schon die, Ausstattung, Kostüm und Inszenierung der Traumwelten und auch der vermeintlichen Realität, ist grandios und extrem abwechslungsreich. Mal sind wir im Designer-Hochglanzschick, dann im geschmacklosen 90s-Trash - als hätten sich Tom Ford und David Cronenberg für das Projekt zusammengetan.
    Prof. Mantleray: "Der Schmerz kann zerstört werden, der Verstand kann entschlüsselt werden."
    Besonders surreal mutet dabei die reale Welt in Form der vermeintlich hochwissenschaftlichen Laborumgebung an: Die Science-Fiction-Instrumentarien, die aussehen wie in den nostalgischen Raumschiff-Enterprise-Folgen der 60er Jahre; der depressive Studiencomputer, der an HAL aus 2001 erinnert; oder der leitende Professor James K. Mantleray, der pseudo-wissenschaftliche Fakten daher stammelt.
    Wissenschaftler: "Wieviele Probanden wurden am Ende katatonisch?"
    Prof. Mantleray: "Nicht einer, grob geschätzt."
    Einzigartige Optik trifft auf verrückten Stil-Mix
    All dieser Irrsinn funktioniert auch wegen der hochkarätigen schauspielerischen Besetzung: Emma Stone als explosive Annie, Jonah Hill als introvertierter Owen und Justin Theroux als trotteliger Professor Mantleray - sie sind jeweils auf ihre Art herausragend. Dazu zeigt Regisseur Cary Fukunaga, dass er auch weniger konventionelle Stoffe, wie sein erstes Erfolgsprojekt "True Detective", perfekt in Szene zu setzen weiß: als konsistent-verrückten Stil-Mix in einzigartiger Optik.
    Die Serie könnte, was Narration, Experimentierfreudigkeit und Ästhetik angeht, nachhaltigen Einfluss auf zukünftige Produktion haben. Es wäre sicher wünschenswert. Und auch inhaltlich gibt es doch kaum einen schöneren Sinnspruch, als der, der gerade auf den Werbeplakaten zur Serie zu lesen ist - und so gut passt: Die Realität ist heilbar!