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Neue Serie "The Witcher“
Auf Monsterjagd

Die heiß erwartete Netflix-Serie „The Witcher“ hat vordergründig das Potenzial zum epischen TV-Blockbuster. Steht hier ein neues "Game of Thrones" vor der Tür? Die erste Staffel überzeugt allerdings nur teilweise und lässt viele Fragen offen.

Von Julian Ignatowitsch |
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Hat diese Serie den gleichen Effekt wie "Game of Thrones"? (www.imago-images.de)
Eine Krabbenspinne, so groß wie eine Büffelherde oder eine verfluchte Prinzessin, die Menschen bei lebendigem Leib erst ihr Herz herausreißt und es dann gierig verschlingt? Für Hexer Geralt von Riva sind solche Monster, was für unsereins das überlaufende Email-Postfach im Büro ist. Ein tägliches Ärgernis, ja, aber nichts woran wir verzweifeln würden.
Hexer Geralt von Riva: "Heute ist wohl nicht dein Tag…"
Another day at the office, heißt für Geralt: Monster töten. Denn genau dafür werden Hexer in der phantastischen Welt von "The Witcher" von normalen Menschen angeheuert…
"…und bezahlt wird mit Gold."
Die "Conditio humana"
Wirklich dankbar für ihre Dienste ist ihnen aber niemand! Hexer sind Aussätzige, sogenannte "Mutanten", die für ihre magischen Fähigkeiten geächtet werden.
"Wir wollen Eure Art hier nicht, Hexer. Sag mir, wo er ist und ich bin sofort weg."
"Du gibst hier keine Befehle, du Mutanten-Sohn einer Hure!"
Man kann darin den aktuellen Flüchtlingsdiskurs, einen gegen Minderheiten hetzenden Mob oder ganz allgemein die "Conditio humana" erkennen. Jede Zeit interpretiert solche fantastischen Epen ja auf eigene Weise.
"Geht! Freiwillig oder an einem Strick."
"The Witcher" ist ein typischer Fantasy-Epos mit einer typischen Fantasy-Welt zwischen Mittelalter und Mittelerde – ganz offensichtlich, dass Tolkins "Herr der Ringe" Vorbild für die Geralt-Saga des polnischen Autors Andrzej Sapkowski war. Solche monumentalen Werke zu verfilmen ist ja immer ein riskantes Unterfangen und geht oft schief, so wie bei der polnischen Adaption von "The Witcher" 2001.
"Wenn ich ein richtiger Hexer bin..."
Das Computerspiel, das aus dem Buch hervorging, war ein großer Erfolg. Jetzt also Netflix, auch hier hatten die Macher zunächst einen Film geplant, entschieden sich dann aber aus dem umfangreichen Material besser eine Serie zu machen. Eine gute Entscheidung, die ersten Eindrücke sind durchaus positiv: opulente Animationen, actionreich inszenierte Schwertkämpfe und unterschiedliche Storylines.
Hexer Geralt von Riva: "Weißt du noch mein erstes Monster? Es war keine 50 Meilen vor Killmorane. Es war riesig, stank, hatte keine Haare und faulige Zähne."
Schwäche in den Dialogen
Die Welt zieht einen in ihren Bann. Schwächen sind dagegen bei den oft allzu pathetischen Dialogen und dem stellenweise sehr flachen Humor zu erkennen.
"Kommt schon, ihr wollt einen Mann mit Brot in der Hose bestimmt nicht warten lassen."
Auch die Charaktere sind noch entwicklungsfähig und dürften – gerade den Witcher-Neulingen – anfangs wenig zugänglich sein. Da ist zum Beispiel die Hexe Yennefer, die sich von einer misshandelten Außenseiterin zur aufreizend-selbstbewussten Weggefährtin und Geliebten Geralds wandelt.
Oder die junge Prinzessin Ciri, die über einen alten Brauch in Geralts und Yennefers Obhut gelangt und ihre übersinnlichen Fähigkeiten entdeckt.
"Du bist ein Elf!"
So oder so, man merkt schnell, dass Netflix "The Witcher" als ein langfristiges Projekt angelegt hat. Entsprechend basiert die erste Staffel nur auf einer Kurzgeschichtensammlung Sapkowskis, die erst noch zur Hauptstory hinführt. Die Serie nimmt sich Zeit, die vielen Charaktere, fremden Wesen und Länder einzuführen. Eine Notwendigkeit, die aber nur teilweise aufgeht. Manches zieht sich in die Länge.
"So ist es nicht gewesen, wo ist euer neu entdeckter Respekt?"
Die zweite Staffel ist bereits bestellt. In gewisser Weise ist der Streaming-Dienst auf einen Erfolg angewiesen, nachdem die Marvel-Serien zu Disney abwandern und man im Bereich "Science-Fiction" und "Fantasy" keinen wirklichen Fan-Magneten im Programm hat. "Reichet Gold Eurem Hexer, ihr gütigen Menschen…" So ein Serien-Flaggschiff soll also "The Witcher" werden. Ob man jedoch wirklich mit Blockbustern wie "Game of Thrones" konkurrieren kann, ist nach den ersten fünf Preview-Folgen nur schwer zu beurteilen.
Optische Stärken
Fazit: Eher zweifelhaft, weil die narrativen Schwächen gegenüber den optischen Stärken bislang überwiegen. Weil ein Phänomen wie "Game of Thrones" sowieso die Ausnahme in einer von Neuerscheinungen überfluteten Serienwelt ist. Und weil ein erfolgreiches Videospiel, wie im Falle von "The Witcher", noch lange keinen Serienhit macht. Wo man beim Game interagieren, lernen, überleben und sterben kann, ist man bei der TV-Produktion zum Zuschauen verdammt. Und das kann trotz riesiger Monster eben viel schneller langweilig werden.