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Neue Sicht auf den Preußenkönig

Aus der Flut an Publikationen zum Friedrich-Jahr 2012 ragen zwei heraus, die mit steilen Thesen den Diskurs um den Preußenkönig beleben: Während Jürgen Luh in seinem Buch Friedrichs Tun und Trachten aus dessen Streben nach Ruhm erklärt, widmet sich Wolfgang Burgdorf vor allem der Homosexualität des preußischen Monarchen.

Von Tilman Krause | 22.01.2012
    Ist Friedrich nicht seit Langem ausgeforscht? Kann man aus Anlass seines 300. Geburtstags noch etwas Neues über ihn schreiben? Alle verfügbaren Quellen über ihn und seine Zeit sind längst erschlossen. Friedrich ist seit nunmehr 250 Jahren ein Königsthema der Geschichtsschreibung. Vor allem im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde er für eine national ausgerichtete Historiografie die deutsche Orientierungsfigur schlechthin. Was also vermag die Flut von Publikationen, die das sogenannte Friedrich-Jahr 2012 hervorgerufen hat, uns über diesen König zu vermitteln, was wir noch nicht wüssten? Nun, schaut man sich die Bücher an, die seit dem vergangenen Herbst zu Friedrich erschienen sind, so lässt sich schnell die Spreu vom Weizen trenne. In der überwiegenden Mehrzahl bestätigen sie seinen Ruf als "der Große", ein Etikett, dass ihm übrigens als letztem europäischen Herrscher überhaupt verliehen wurde. Nach Friedrich kamen offenbar keine "großen" Könige mehr. Und es ist ja auch nicht zu leugnen: Am Ende seiner ungewöhnlich langen Regierungszeit – Friedrich hatte den Thron 46 Jahre inne, von 1740 bis 1786 – war Preußen nicht mehr das Land, das er von seinem Vater, dem Soldatenkönig, übernommen hatte. Es war zur europäischen Großmacht aufgestiegen. Es hatte dank Nieder- und Oberschlesien einen bedeutenden Gebietszuwachs zu verzeichnen. Es war durch seine Rechts- und Verwaltungsreformen ein im Kontext der Zeit moderner, effizienter Staat geworden. Die ungeheure Armut, in die Friedrich sein Land vor allem durch den Siebenjährigen Krieg gestürzt hatte, der 1763 für Preußen mit Ach und Krach siegreich zu Ende ging, hatte der große König, dem nun noch 23 Friedensjahre blieben, in einen mäßigen Wohlstand verwandeln können.

    Freilich, und das verschweigen die neueren Publikationen nicht, ist die Bilanz des friderizianischen Zeitalters keineswegs rein positiv. Der Aderlass durch drei willkürlich vom Zaun gebrochene Kriege, einzig und allein, um Schlesien zu erobern beziehungsweise zu sichern, waren auch für das in diesen Dingen unbedenklichere 18. Jahrhundert ein völkerrechtswidriger Akt allererster Güte. Preußens Aufstieg zur Großmacht war durch Raub erkauft. Der Monarch, der sich so gern als Humanist und Intellektueller präsentierte, hat ungezählte Menschenleben auf dem Gewissen. Überdies war er ein Verächter des Bürgertums, des dritten Standes also, der im Laufe des Jahrhunderts immer stärker seine Rechte auf politische Mitsprache forderte, wofür Friedrich nicht das geringste Verständnis hatte. Was sein Verhältnis zu den Künsten anging, wird man ihm die Liebe zur Musik und die Kennerschaft in Sachen Architektur nicht absprechen können. Jedoch seine Denkschrift zur deutschen Literatur, die er 1780 vorlegte, bezeugte vor allem seine grenzenlose Voreingenommenheit und bestätigte die Tatsache, dass er die Entwicklung der letzten 30 Jahren in Deutschland vollkommen verschlafen hatte.

    Schaut man sich darüber hinaus den Menschen Friedrich näher an, so muss man auch hier sagen: Er, der als Kind und Jugendlicher so unglaublich unter der brutalen Dressur durch den stumpfen, autoritären, jähzornigen Vater gelitten hatte, legte schließlich selbst eine unnachgiebige Härte gegenüber seinen Nächsten an den Tag. Die Verwandlung von einem liebenswürdigen, umgänglichen Menschen erfolgte praktisch schlagartig mit dem Tag der Thronbesteigung. Von nun an zeigte der König unmissverständlich seiner näheren Umgebung, dass er allein das Sagen hatte. Seine Frau verstieß er, Kinder wollte und bekam er keine. Alle seine Geschwister hat er schlecht behandelt und auf Distanz gehalten. Vor allem mit dem Thronfolger August Wilhelm sprang er schrecklich um, verstieß den Soldaten mit Leib und Seele unter einem durchsichtigen Vorwand aus dem Heer, worauf der 36-jährig 1758 an gebrochenem Herzen starb. Auch den Prinzen Heinrich, den viele Militärhistoriker heute für den erfolgreicheren Feldherrn halten als Friedrich, ließ er nicht hochkommen. Und sogar die Künstler und Gelehrten, die ihm angeblich so am Herzen lagen, quälte er solange mit seiner herabsetzenden, hämischen Art, dass sie ihn schließlich alle verließen, der prominenteste unter ihnen vorneweg: Voltaire. Er verließ nach drei Jahren mit Schimpf und Schande Preußen 1753, nicht ohne das, was er dort unter Friedrich erlebt hatte, als eine einzige "Ostgoten- und Vandalengeschichte" zu bezeichnen. Friedrich war einfach kein zivilisierter Mensch, sollte das heißen.

    Diese Gemengelage – politische Größe hier, menschliche Kleinheit dort – hat sich in den letzten 50 Jahren als Topos der deutschen Friedrich-Biografik etabliert: Von Rudolf Augstein 1968 über Theodor Schieder 1986 bis hin zu Johannes Kunisch 2004 hat man sich angewöhnt, Friedrichs Königreich als eines der Widersprüche, seine Persönlichkeit als eine hochkomplexe, disparate zu deuten. Umso bemerkenswerter ist es also, dass nunmehr zwei Historiker versuchen, Friedrich – im Grunde wie im 19. Jahrhundert – noch einmal aus "einem Punkte" zu erklären.

    Jürgen Luh: "Der Große"
    Diesen Versuch unternimmt prononciert Jürgen Luh. Der knapp fünfzigjährige Historiker arbeitet in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Wissenschaftsreferent in der Schlösser- und Gärtenabteilung zu Potsdam. Er hat in seinem gut lesbaren Buch auf einen chronologischen Gang durch das Leben Friedrichs verzichtet. Luh vertritt die These, Friedrichs gesamtes Tun und Trachten sei auf ein einziges Ziel ausgerichtet gewesen, nämlich Größe zu erwerben oder besser gesagt, weil er ja französisch sprach und in seinen Augen Frankreich nun mal das Maß aller Dinge war: gloire.

    Das Kapitel über den Ruhm ist das erste und längste in diesem Buch, denn Ruhm zu erlangen war Friedrichs wesentliche Antriebskraft. Fast alle Schriftsteller, die sich mit seiner Person auseinandersetzten, haben das festgestellt – wenn auch nicht mit der Unbedingtheit und Ausschließlichkeit, mit der es hier geschieht. Oft und gern wurde seine Sucht nach Ruhm als Ausdruck jugendlichen Leichtsinns und ersten Überschwangs gedeutet, dagegen war man nur widerwillig bereit, darin ein Zeichen seiner Rationalität zu sehen. Denn mit seinem Streben nach "gloire" verbindet man allein Friedrichs Reputation als Feldherr, was für ihn ob seiner Erfolge schmeichelhaft ist, aufgrund des dafür in Kauf genommenen Blutzolls aber weniger vorteilhaft. Friedrich schrieb an den Berater und Vertrauten Charles Etienne Jordan am 3. März 1741, also nach dem Einfall in Schlesien und einen Monat vor seiner ersten Feldschlacht: "Meine Jugend, die Glut der Leidenschaft, der Ruhmesdurst, ja selbst die Neugier, um Dir nichts zu verhehlen, kurz ein geheimer Instinkt hat mich den Freuden der Ruhe entrissen, die ich genoss. Die Genugtuung, meinen Namen in den Zeitungen und später in der Geschichte zu sehen, hat mich verführt." Das wird gern zitiert, doch man nimmt die Worte gar nicht ernst. Auch seine Sätze aus der "Geschichte meiner Zeit" werden immer gern angeführt: "Der Ehrgeiz, mein Vorteil, der Wunsch, mir einen Namen zu machen, gaben den Ausschlag, und der Krieg ward beschlossen." Selbst Sebastian Haffner wollte alles das "nicht ganz ernst nehmen. Selbstironie und Selbstverspottung", meinte Haffner, "gehörten zu Friedrichs Eigenarten."

    Das ist nur zum Teil richtig. Denn Friedrich karikierte oder verspottete nicht zweckfrei, sich selbst schon gar nicht und erst recht nicht öffentlich. Die gelegentliche Ironie seiner selbst sollte die Wahrheit nur verschleiern; sie sollte verdecken, wie bitter ernst er nahm, was er dachte und sagte – gerade über "gloire". Weisheiten wie Ruhm sei "eitel" und "nur schöner Schein", die er bald verkündete und später immer wieder zum besten gab, dienten dazu ebenso wie sein Ausspruch, den Joseph II. überliefert hat: In seine Jugend hätte er Ehrgeiz besessen und sogar schlecht gehandelt, aber die Zeiten seien vorüber, und er dächte jetzt viel ernster. All dies hat die Sichtweise bestärkt, die Ruhm als ständiges und bestimmendes Motiv von Friedrichs Handlungen auszublenden – obgleich gerade solche Sätze, wie wir sehen werden, ihm den Ruhm sichern sollten: den des Philosophen. Man hat dabei übersehen, dass Friedrich sein Leben lang zielstrebig, verbissen fast, an seinem Ansehen arbeitete – und zwar nicht nur am Ansehen als Feldherr. "Ich glaube, seine größte Leidenschaft ist Ruhm und guter Ruf", hat Ulrich Friedrich von Suhm 1740 geschrieben, ein Mann, der Friedrich von Jugend an kannte. Suhm hat recht gehabt. Ruhm zu erlangen und diesen dann zu bewahren, war Friedrichs persönlichstes, höchstes Ziel, war der Kitt seines Seins – zeitlebens. Und es ist ja durchaus nicht verwerflich, Ruhm zu erstreben und seinen Namen ins Buch der Geschichte eintragen zu wollen. Dieses Streben ist heute wie damals sehr weit verbreitet. Es ist ein wichtiger Antrieb des Menschen für Veränderung und Entwicklung – zum Positiven wie zum Negativen. Ohne dieses Streben des Menschen nach Veränderung gäbe es keine Entwicklung. Friedrich jedenfalls wird man ohne seinen Willen zum Ruhm, ohne seinen Willen zur Größe nicht verstehen können.

    Mit dem Wort "Philosoph" ist hier also noch ein weiterer Schlüsselbegriff für Friedrichs Selbstverständnis gefallen. Alles, was er für die Welt der schönen Künste tat, vor allem sein unermüdliches eigenes Schreiben, aber natürlich auch die Stärkung seiner preußischen Akademie durch die Berufung klingender Namen aus dem Ausland, nicht zuletzt die Tatsache, dass er seit der Kronprinzenzeit versuchte, Voltaire an seinen Hof zu ziehen: all das diente in der Tat dem Ziel, seinen Ruf und Ruhm als "Philosoph" zu befestigen. Denn "Philosoph" im Verständnis des 18. Jahrhunderts bezeichnet nicht so sehr den Mann, der sich den Fragen von Sein und Zeit, Ethik oder Metaphysik widmet; nein, mit "Philosoph" war der denkende, schreibende Mensch generell gemeint. Der Intellektuelle, wenn man unter einem Intellektuellen einen Menschen nicht nur des analytischen Denkens, sondern auch der ästhetischen Praxis versteht.

    Und Friedrich übte sich nicht nur im Verfassen von Gedichten, Tragödien, Opernlibretti, Essays, er betätigte sich bekanntlich auch als Stadtplaner, fertigte Entwurfszeichnungen für Schlösser an, war sein eigener Innenarchitekt. Als erstes Gebäude überhaupt ließ er die Oper Unter den Linden bauen. Einer der schönsten Plätze in Berlin geht auf ihn zurück: der Gendarmenmarkt, gleichfalls um ein Theater herum konzipiert (das damals noch die Französische Komödie war). Und wie man weiß tragen sogar Schloss Sanssouci und das Neue Palais in Potsdam Friedrichs Handschrift. Insofern war er also nicht nur Philosoph. Er war auch Dilettant, in dem positiven Sinne, den auch dieser Begriff im 18. Bezeichnung besaß: Liebhaber nämlich. Friedrich war im sogenannten aufgeklärten Absolutismus wahrlich nicht der einzige Herrscher, der sich als Philosoph und Dilettant gerierte. Aber er war derjenige unter ihnen allen, dessen erklärter Ehrgeiz es war, damit Ruhm zu erringen. Er wollte tatsächlich als Schriftsteller in einem Atemzug mit Voltaire genannt werden! Und solange das Verhältnis dieser beiden hochbegabten, eitlen Herren noch ein gutes war, tat der französische Dichter alles, um Friedrich darin zu bestätigen. Alle diese Ambitionen breitet Jürgen Luh in seinem anregenden, kenntnisreichen Buch sehr anschaulich und eindringlich vor dem Leser aus. Aber ein Aspekt des Menschen Friedrich kommt auch bei ihm zu kurz. Es ist der Aspekt, der vor allem in Frankreich seit Langem jedem Gebildeten als Erstes einfällt, wenn von Friedrich die Rede ist, während in Deutschland noch immer allenfalls darüber gemunkelt wird. Gemeint ist Friedrichs Homosexualität.

    Wolfgang Burgdorf: "Friedrich der Große"
    An dieses Thema hat sich hierzulande im Grunde seit den zwanziger, dreißiger Jahren, in denen Werner Hegemann seine diesbezüglichen Studien vorlegte, kein ernst zunehmender Historiker mehr herangetraut. Da schafft jetzt Wolfgang Burgdorf Abhilfe. Burgdorf, gleichfalls um die 50, lebt und lehrt in München. In seinem jetzt erschienenen, wie es im Untertitel heißt: "biografischen Porträt" geht er das einstige Tabu-Thema ganz offensiv an. Er ist der erste Historiker überhaupt, der systematisch die "Galerie der Geliebten", wie Thomas Mann gesagt hätte, Revue passieren lässt. Vom Hauptmann Hans Hermann von Katte, der so tragisch unter dem Fallbeil endete, über Michael Fredersdorf, die "preußischen Pompadour", wie man ihn genannt hat, bis hin zu den vielen Pagen und Vorlesern, die sich bis in die späten Jahre der Gunst des Königs erfreuen durften, reicht diese Galerie – wenn man denn Friedrichs Zuneigung oder auch Begierde eine Freude für die Betroffenen nennen darf. Der wenig sympathische Zug Friedrichs, auch Freunde und Liebhaber gnadenlos der Lächerlichkeit preiszugeben, sie öffentlich bloßzustellen und auf alle möglichen Arten seelisch zu quälen, hat auch hier verhängnisvoll gewirkt und viele Männer in die Flucht geschlagen beziehungsweise, für den König noch schlimmer, in die weit geöffneten Arme seines Bruders Heinrich getrieben, der ein offen schwules Leben führte und schon immer die hübscheren Pagen für sich einnehmen konnte, wie Friedrich in seinen Briefen mehrmals beklagt. Doch Burgdorf geht noch weiter. Er macht Friedrichs Homosexualität auch verantwortlich für seine militärische Risikobereitschaft, seinen Bellizismus, das, was Luh seine "Ruhmsucht" nennt: Burgdorf sind dies sämtlich "kompensatorische Handlungen", die Mit- und Nachwelt von seiner als Defizit empfundener Veranlagung ablenken sollten:

    Entscheidend für die Erklärung von Friedrichs Persönlichkeit ist seine sexuelle Orientierung. Friedrich war homophil. Fast alle Friedrich-Biografen gehen davon aus, dass der Konflikt mit dem Vater für seine Persönlichkeitsbildung entscheidend war. Aber neben dem Religionspunkt, dem Konflikt zwischen militärischer Orientierung und geistreicher Eleganz bestand in der sexuellen Orientierung Friedrichs der Hauptgegensatz zum Vater. Friedrich Wilhelm, der seinen Sohn so intensiv ausspionieren ließ, wird die Sache nicht entgangen sein. Friedrich wusste, dass dies für seinen Vater wie für die Mehrheit der damaligen Gesellschaft nicht akzeptierbar war. Wenn Friedrich Wilhelm während Friedrichs Küstriner Haft nach der Katte-Katastrophe wiederholt wünschte, dass sein Sohn "dem Satan aus den Klauen gerissen werden" solle, scheint es dabei nicht allein um die Prädestinationslehre gegangen zu sein. Auch verschiedene ausländische Gesandte berichteten ihren Höfen über Friedrichs "unnatürliches Laster". Sie hätten dies kaum getan, wenn es nicht so gewesen wäre, denn sie waren Experten im Beobachten und Ausforschen. Keiner von ihnen kam auf die für das Zeitalter des Rokoko typische Idee, die Politik des preußischen Hofes durch die Lancierung einer neuen Mätresse zu beeinflussen. Während der ebenfalls homophile Prinz Eugen es liebte, sich mit schönen Frauen zu schmücken, legte Friedrich keinerlei Wert auf weibliche Gesellschaft. Sein Lieblingsschloss Sanssouci in Potsdam war zu seiner Regierungszeit eine vollkommen frauenfreie Zone.

    Friedrichs Homosexualität allein erklärt nicht seine Politik. Es gab viele homosexuelle Monarchen in der Geschichte, die auf die eine oder andere Weise für den Fortbestand ihrer Dynastien sorgten oder sorgen ließen oder Land und Krone an Bruder oder Schwester oder eine Nebenlinie fallen ließen. Anderen war auch dies egal. Friedrichs Homosexualität wurde durch seinen unstillbaren Ehrgeiz, einer der größten Könige aller Zeiten zu werden, zum Problem. Die ständigen Vorhaltungen des Vaters, er sei unfähig und ungeeignet, sowie das Bewusstsein seiner Unfähigkeit oder seiner Unwilligkeit, einer der ersten königlichen Pflichten nachzukommen, nämlich für den Nachfolger und Erhalter der Dynastie zu sorgen, führten bei Friedrich zu kompensatorischen Handlungen, die in den gewagten Schritt von 1740, den Überfall auf Schlesien, mündeten und sein ganzes weiteres Leben dominierten. Dadurch beeinflusste Friedrichs Homosexualität indirekt die deutsche und mitteleuropäische Großwetterlage bis über 1866 hinaus, denn sie schuf den deutsch-österreichischen Dualismus. Österreich war es ja, das durch die drei Kriege um Schlesien beraubt wurde, und Österreich war es noch 1866, das der "kleindeutschen" Lösung, also der Schaffung eines deutschen Reiches unter preußischer Vorherrschaft, im Wege stand. Am Beginn dieses Dualismus aber stand ein Mann, der seine Homosexualität nicht akzeptieren konnte und sie durch Kriegsruhm zu kompensieren geradezu verzweifelt bemüht war.

    Steile Thesen, wird man sagen. Steile Thesen, sowohl bei Jürgen Luh als auch bei Wolfgang Burgdorf. Aber steile Thesen beleben den Diskurs. Nicht zuletzt zeugen sie davon, dass Friedrich noch immer der große König des 18. Jahrhunderts ist, an dem man sich bis heute reiben kann. Nach menschlichem Ermessen wird das auch anlässlich der nächsten Centenar-Feier für Friedrich im Jahre 2112 nicht anders sein.

    Jürgen Luh: Der Große. Siedler, München 2011. 288 Seiten, 19,99 Euro

    Wolfgang Burgdorf: Friedrich der Große, ein biografisches Porträt. Herder, Freiburg/Br. 2011. 224 Seiten, 12,95 Euro


    Sammelportal dradio.de: Friedrich der Große - 300. Geburtstag