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Neue Stadt Oberzent
Hoffen auf den Aufschwung

Mit einem Festakt wurde in Hessen die neue Stadt Oberzent gegründet - ein Zusammenschluss aus vier verschuldeten und schrumpfenden Gemeinden. Dadurch gibt es mehr finanziellen Spielraum. Doch die typischen Probleme einer Stadt auf dem Land bleiben.

Von Ludger Fittkau |
    Zwölfröhrenbrunnen - Mümlingquelle in Beerfelden im Odenwald.
    Beerfelden, hier der Zwölfröhrenbrunnen, im Odenwald fusioniert mit den Gemeinden Hesseneck, Rothenberg und Sensbachtal und wird zu Oberzent (imago/Martin Werner)
    Fröhliche Stimmung gestern Abend im Veranstaltungszentrum "Alte Turnhalle" in Beerfelden im Odenwald. Live-Musik einer örtlichen Blas-Kapelle, Kabarett, feierliche Reden und sogar Landesorden für scheidende Bürgermeister – das alles bildete den festlichen Rahmen für etwas, das es in Hessen seit vier Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat: die Gründung einer ganz neuen Stadt, Oberzent im Odenwald.
    Wie nennt man die Einwohner?
    Der humoristisch begabte Moderator aus Frankfurt am Main spekulierte auf der Bühne unter dem Wappen der neuen Stadt darüber, wie man die Einwohner von Oberzent nun eigentlich bezeichnen soll:
    "Ansonsten spricht man dann wahrscheinlich von den Oberzentern als den Einwohnern, nicht die Oberzentner - Oberzentner sind vielleicht die korpulenteren"
    Rund 300 Kommunalpolitiker und Verwaltungsbeamte der künftigen Stadt Oberzent feierten das, was ihnen in den letzten beiden Jahren gelungen war: Aus vier verschuldeten und schrumpfenden Gemeinden im südlichen hessischen Odenwald ein neues Gemeinwesen zu formen, das künftig wieder mehr finanziellen Spielraum haben wird.
    Weil drei von vier Bürgermeisterposten eingespart werden, weil Oberzent aufgrund der größeren Einwohnerzahl mehr Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich des Landes Hessen bekommen wird. Und: Weil das Land die Fusion mit einem millionenschweren Schuldenerlass versüßt, der die Pro-Kopf-Verschuldung der Oberzenterinnen und Oberzenter auf einen Schlag halbiert.
    Den Scheck brachte der hessische Innen- und Kommunalminister Peter Beuth (CDU) gestern Abend gleich mit:
    "Ich überreiche Ihnen nun im Einvernehmen mit dem hessischen Finanzministerium eine Entschuldungshilfe zur Fusion 4,5 Millionen Euro aus dem Landesausgleichsstock"
    Beim Sektempfang im Foyer des Festsaals wurde schnell klar, wie sehr sich die Lokalpolitiker im Odenwald auf die neue Stadt freuen, die offiziell ab dem 1.1.2018 existieren wird.
    Schlechter Anschluss
    Doch Jörg Eckard, Mitglied im Ortsbeirat des künftigen Oberzent-Stadtteils Hetzbauch erinnert auch daran, dass gerade die Kernstadt Beerfelden in den vergangenen Jahren viele Industriearbeitsplätze verloren hat. Und dass es nicht ganz einfach sein wird, diese Arbeitsplätze zurückzuholen und damit den Bevölkerungsschwund zu stoppen:
    "Das hat mit der Anbindung zu tun, die Verkehrslage ist immer noch das Problem. Dass man diese großen Firmen nicht hier her bekommt. Neue Plätze werden ja geschaffen, Industriegebiete. Aber halt der Anschluss, ins Neckartal runter, da kommt man halt überall nur sehr schwer hin."
    Gut eine Stunde dauert die Fahrt aus dem weitläufigen Stadtgebiet von Oberzent nach Heidelberg, Mannheim oder Darmstadt. Nach Frankfurt am Main muss man sogar anderthalb Stunden einplanen – ob mit dem Auto oder dem Zug. Doch das schnelle Internet, für das der Odenwaldkreis gesorgt hat, sieht Jörg Eckard als große Chance:
    "Ja gut, das ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, wie das Netz ja ausgebaut ist. Wir haben auch junge Leute, die Medien-Designgeschäfte hier aufbauen. Auch das geht hier bei uns in der Region, auf jeden Fall."
    Weder Gastststätte noch Lebensmittelgeschäft
    Doch das Internet ist für die neue Stadt im Odenwald nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Denn schon jetzt stehen gerade in der Kernstadt Beerfelden schon viele Landeslokale leer und der Trend geht ja auch in diesem Weihnachtsgeschäft weiterhin zum Online-Handel. Damit haben gerade ländliche Regionen überall in Deutschland zu kämpfen –auch die neue Stadt Oberzent:
    "Weil die Jugend, die ist ja voll auf den Internet-Einkauf abgefahren. Für die älteren Leute ist es halt schlecht, weil die nicht mehr so mobil sind."
    Etwa ein Rentner in Hesseneck, einem weiteren künftigen Ortsteil von Oberzent:
    "Die Geschäfte hier, Katastrophe. Wir haben keine Gaststätte mehr und kein Lebensmittelgeschäft mehr und keine Metzgerei. Und die Bäcker, die müssen alle mit dem Auto hier her kommen und die müssen ihre Brötchen und ihr Fleisch hier verkaufen."
    Daran wird sich wohl auch in der neuen Stadt Oberzent zunächst nicht viel ändern. Obwohl: Im Stadtteil Untersensbach gibt es einen Lichtblick. Dort entsteht gerade ein neuer Dorfladen. In einigen Monaten wird er eröffnet, erzählt ein handwerklich versierter Nachbar, der gerade die Ladentheke zimmert:
    "Ich schätze mal, so in drei Monaten."
    Reporter: "Das heißt, ein Geschenk für die neue Stadt?"
    Mann: "Richtig."
    Reporter: "Damit begrüßt man Oberzent."
    Mann: "Ich finde es ja auch wunderbar. Vor allem – ich wohne ja hier. Habe ich es nicht weit bis zum Laden."
    Neuer Schwung mit der neuen Stadt Oberzent– im Odenwald hofft man, dass er lange anhalten wird.