Archiv

Neue Staffel des US-Podcasts "Serial"
Ein Popkultur-Phänomen und die Wirklichkeit

Millionen Zuhörer saßen Ende 2014 wie gebannt vor den Lautsprechern und hörten den US-Podcast "Serial". Darin wird die Geschichte von Adnan Syed erzählt – einem Schüler, der vor 16 Jahren für den Mord an seiner Ex-Freundin verurteilt wurde. Mittlerweile läuft die zweite Staffel von "Serial". Es geht um einen anderen Fall, und das Interesse der Zuhörer ist deutlich kleiner. Doch die Geschichte von Adnan könnte das ändern.

Von Sara Weber |
    (Anfangsmusik des Podcast "Serial")
    Für die Fans des Erfolgspodcasts "Serial" ist diese Musik untrennbar mit Adnan Syed verbunden. Adnan war der Protagonist der ersten Staffel, der Junge, der seine Ex-Freundin umgebracht haben soll. "Serial" wurde durch ihn zum Netzphänomen, in Internetforen recherchierten Fans den Fall nach, es gab sogar Podcasts über den Podcast. Doch als die erste Staffel zu Ende ging, waren viele unzufrieden. Denn eine Auflösung der Frage, ob Adnan wirklich ein Mörder ist, gab es nicht.
    Mittlerweile läuft die zweite Staffel von "Serial". Und in der geht es um etwas völlig Anderes. Nicht um einen Mordfall, sondern um einen Soldaten. Genauer gesagt um Bowe Bergdahl, der 2009 unter mysteriösen Umständen seinen Stützpunkt in Afghanistan verlassen hat und dann fast fünf Jahre lang von den Taliban gefangen halten wurde. Seine Geschichte ist viel bekannter als die von Adnan, und viel politischer. Doch die Zuhörer sind nicht begeistert – nicht mal die, die die Fan-Podcasts machen:
    "Ich glaube, es ist immer noch einer der beliebtesten Podcasts, in der Top 10 bei iTunes, aber macht er noch so süchtig. Naja, da ihn keiner mehr hier im Büro hört – vermutlich nicht.
    Adnans Fall wird noch einmal überprüft
    Doch jetzt, auf einmal, sprechen wieder alle über "Serial". Der neue Hype liegt allein an einer Person: Adnan Syed. Seit Mittwoch läuft in Baltimore eine Anhörung, die entscheiden soll, ob sein Fall neu aufgerollt wird. Wenn es gut läuft für ihn, könnte er sogar in einem neuen Prozess freigesprochen werden.
    Dass Adnans Fall noch einmal überprüft wird, war seit Monaten klar. Dass es aber auch neue "Serial"-Folgen über Adnan geben würde – nämlich eine pro Prozesstag – das war eine Überraschung. "Serial"-Reporterin Sarah Koenig ist im Gerichtssaal dabei. Aufnehmen darf sie dort nichts, nur mitschreiben. Jeden Abend ruft sie deshalb ihre Kollegin Dana Chivvis an und berichtet ihr, was passiert ist – aus ihrem improvisierten Studio: dem Kleiderschrank.
    Chivvy : "Hi, where are you? Koenig: I'm in a hotel room, I'm in a closet of the hotel room and I got some pillows behind my back but then I'm flanked by these very racy bathrobes, one is like a leopard print and one is a zebra print and they are hanging on either side of me, but it's making a good little sound studio here."
    Chivvy: "Hey, wo bist du?" Koenig: "Ich bin in einem Hotelzimmer, im Schrank des Hotelzimmers, mit Kissen im Rücken und neben mir hängen zwei Bademäntel, einer mit Leopardenmuster, einer mit Zebramuster. Aber so hab ich hier ein nettes kleines Tonstudio."
    Solche Ausschmückungen sind typisch für Sarah Koenig – und die Fans lieben sie dafür. Die erste Staffel von "Serial" war sehr nah und persönlich. Sarah Koenig und Adnan Syed hatten während der monatelangen Recherchen eine Beziehung zueinander aufgebaut. Mit Bowe Bergdahl aus der zweiten Staffel hingegen hat Sarah Koenig noch nie gesprochen. Alle Aufnahmen von ihm stammen aus dritter Hand. Damit fehlten dem Podcast charmante Momente wie dieser:
    Sarah Koenig: "Ganz ehrlich: Ich habe mich für dich interessiert. Du bist ein wirklich netter Typ, ich unterhalte mich gerne mit dir. Und das wirft die Frage auf: Was bedeutet das?"
    Neuer Welle: Serien über echte Kriminalfälle
    Genau diese Nähe zwischen Sarah Koenig und Adnan Syed kennt jeder im Gerichtssaal. Jeder, der sich mit seinem Fall beschäftigt, hat auch den Podcast gehört. Die Zeugen, die vor Gericht aussagen, haben auch mit Sarah Koenig gesprochen. Viele Zuhörer waren so gefesselt von der Geschichte, dass sie ganz vergessen haben, dass tatsächlich eine junge Frau ermordet wurde. Jetzt treffen das Popkultur-Phänomen und die Wirklichkeit aufeinander – im Gerichtssaal.
    Die Macher des Podcasts springen damit auf eine Welle auf, die sie selbst mit-erschaffen haben: True Crime, also Serien über echte Kriminalfälle. In den vergangenen Wochen haben die US-Serien "Making a Murderer" und "The Jinx" für viel Aufsehen gesorgt. Dass Adnans Fall genau jetzt neu geprüft wird, ist deshalb Glück für "Serial": Der Podcast kann so zu seinen Wurzeln – und den alten Zuhörern – zurückkehren, und wieder mal für Schlagzeilen sorgen.