Juliane Reil: Der Weltraum - unendliche Weiten, mehr muss man eigentlich gar nicht sagen, um zu wissen, dass es um "Star Trek" geht. 1966 hatte die amerikanische Kult-Fernsehserie Premiere. Nacheinander sind seitdem fünf Serien entstanden, und jetzt kehren Captain Kirk, Spock und Co. in neuer Besetzung auf den Bildschirm zurück. Zwölf Jahre nach der letzten Serie namens "Enterprise" folgt die Fortsetzung mit dem Titel "Star Trek: Discovery". Gestern startete sie in den USA, heute in Deutschland bei Netflix. Mein Kollege Benedikt Schulz konnte sich bereits ein Bild machen und ist jetzt bei mir im Studio. Herr Schulz, worum geht es denn überhaupt bei der neuen Serie?
Benedikt Schulz: "Star Trek: Discovery" erzählt vom Beginn eines Krieges zwischen der Föderation und den bekannten Klingonen. Entscheidend ist, dass diese Handlung eben zehn Jahre vor den Ereignissen dieser originalen 60er-Jahre-Serie spielt, mit Kirk, Spock und so weiter, die kennt man ja. Das Ganze ist also eine Prequel-Serie und der rote Faden der gesamten Staffel ist eben der beginnende Krieg.
"Bunte, blinkende Piepsgeräte sehen heute ziemlich albern aus"
Dass das Ganze jetzt aber eine Prequel-Serie ist, das ist allerdings im Vorfeld schon viel kritisiert worden, mit einiger Berechtigung. "Star Trek", das war immer eine Reise zu unbekannten Welten, unbekannte Zivilisationen und jetzt, dass man diesen Konflikt der Klingonen mit der Förderation in den Mittelpunkt stellt - also eigentlich eine Geschichte, die ja schon alt ist - das spricht für eine gewisse Mutlosigkeit. Und das ist auch aus einem anderen Grund problematisch: Wenn sie die Vorgeschichte einer Zukunft erzählen, die man sich ausgedacht hat vor über fünfzig Jahren dann muss man sich schon genau überlegen, wie sieht das Ganze aus, denn die muss ja optisch irgendwie mit der Original-Serie aus den 60ern zusammenhängen. Wenn man aber weiß, wie das 1966 auf der Enterprise noch ausgesehen hat, dann weiß man natürlich auch, dass diese bunten, blinkenden Piepsgeräte ziemlich albern aussehen heutzutage.
Reil: Ja genau, was macht man da? Also Sehgewohnheiten haben sich geändert und die Ansprüche sind gestiegen. Kann Discovery da dann wirklich mithalten?
Schulz: Das ist die große Frage. Optisch, tricktechnisch ist das alles stark. Beeindruckende Raumschlachten zum Einstieg, ganze Weltraumflotten, die da über den Bildschirm flirren. Absolut auf der Höhe der Zeit, aber das ist ja nur die Technik. "Star Trek" in den 60ern das war vom Konzept her radikal neu, das wurde geprägt von den New-Wave-Schriftstellern Harlan Ellison und so weiter. Die neue Serie ist dagegen vergleichsweise konventionell vom Storytelling her. Und Serien haben es heute viel schwerer herauszustechen, und die Frage ist: Ist "Star Trek" 2017 nicht nur eine unter vielen? Ich finde, sie kann mithalten. Der Spannungsbogen ist durchweg hoch. Sie ist vielleicht für die Hardcore-Fans nicht mehr das, was "Star Trek" für sie ausgemacht hat. Aber ich finde, die Serie schafft es, eine wichtige "Star Trek"-Tugend ziemlich gut in die Gegenwart zu retten, nämlich das, was man in der Sekundärliteratur diesen "Sense of Wonder" nennt - also das Staunen angesichts des Wundersamen, man lässt sich Zeit für die großen Weltraumimpressionen, das Auftauchen der Raumschiffe, das wird schon fast ehrfurchtsvoll in Szene gesetzt.
Klingonen als Allegorie auf radikale Islamisten
Reil: Eine andere Tugend, wenn Sie schon gerade von Tugend und "Star Trek" sprechen, ist ja, dass diese Serie unglaublich progressiv gewesen ist, also die Brücke der Original-"Enterprise", die hatte einen schwarzen, weiblichen Offizier, es gab einen schwarzen Captain, einen weiblichen Captain. Wie sieht es da bei der neuen Serie aus?
Schulz: Ja, es gibt einen offen homosexuellen Sterneflottenoffizier. Das Thema Homo-/Transsexualität ist hier und da mal behandelt worden, aber dass eine wiederkehrende Rolle homosexuell ist, das ist relativ neu im All. Aber im 21. Jahrhundert ist das, naja, fast schon ein bisschen spät, möchte ich fast sagen, das muss man nicht mehr überbewerten. Man muss auch sagen, dass diese Progressivität, dieses moderne, gleichberechtigte Nebeneinander von "Star Trek", das ist immer ambivalent. Also das Beispiel, was ich immer nenne, ist: Bei "Star Trek Voyager", da haben wir den weiblichen Captain, eine starke Frauenrolle mit Tiefgang, fernab von diesen ganzen Geschlechterstereotypen - und in der gleichen Serie gibt es eine andere Frauenrolle, die hat man nur eingeführt wegen der Quoten, und die läuft immer in zu engen Klamotten herum und wird eigentlich immer nur auf ihren weiblichen Körper reduziert, also progressiv ja, aber ambivalent.
Reil: Und wie ist das mit Gegenwartsbezügen? Die Serie in den 60er-Jahren hat Bezug genommen auf den Kalten Krieg, wie sieht das heute bei "Star Trek" aus und ähnlichen Allegorien?
Schulz: Die klassische Metapher kennt man bei "Star Trek", die Klingonen standen für das sowjetische Russland. Die Klingonen hier sind ganz anders. Vor allem ist ihr Charakter anders. Hier sehen wir eine rückständige Kriegerkultur, die sich nach vergangener Größe sehnt, ihre kulturelle Eigenständigkeit bedroht sieht von einer anderen Zivilisation. Man muss da vielleicht nicht zu viel hineininterpretieren, aber wenn die Klingonen früher eindeutig die Russen waren, dann stehen sie heute nicht ganz so eindeutig vielleicht für bestimmte Strömungen im Islam in einigen Ländern des Nahen Ostens.
Reil: Benedikt Schulz über die neue "Star Trek"-Serie "Star Trek: Discovery". Ab heute läuft sie, jeden Montag Morgen eine neue Episode, bei Netflix.
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