Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo spricht zu den Abgeordneten des polnischen Parlaments. Sie fasst die Wirtschaftspolitik ihrer Regierung so zusammen:
"Wir haben ein Programm, das die polnischen Familien unterstützt. Und wir werden es konsequent verfolgen. Denn wir unterstützen lieber polnische Familien, als ausländische Konzerne. Woher wollen wir das Geld dafür nehmen? Wir werden konsequent die Einnahmen im Haushalt steigern. Wir werden die Steuern eintreiben, die dem Staat zustehen und die heute viele nicht zahlen."
Die Regierung will also Geld umverteilen. Von April an wird das Kindergeld steigen, außerdem will sie das Renteneintrittsalter wieder absenken und den Steuerfreibetrag erhöhen.
Aber nicht die reichen Polen sollen dafür etwas abgeben, sondern ausländische Konzerne. In der Wahrnehmung vieler überzeugter PiS-Anhänger sind das vor allem deutsche Konzerne. So schrieb das regierungstreue Internetportal wpolityce.pl vor wenigen Tagen: Deutsche Konzerne hätten in den vergangenen Jahren 30 Milliarden US-Dollar aus Polen - so wörtlich - "herausgesaugt". Der westliche Nachbar habe aus Polen eine - wieder wörtlich - "Halbkolonie" gemacht, heißt es im gleichen Text.
Polen bekommt höchste Bankensteuer Europas
Einer der maßgeblichen Redakteure von wpolityce.pl, Michal Karnowski, hält solche Formulierungen für vertretbar.
"Ohne Zweifel sind wir aus dem deutschen Blickwinkel vor allem ein Absatzmarkt für deutsche Produkte. Und es gibt Polen, denen tut es weh, dass in Polen kein einziges polnisches Auto gebaut wird, nicht einmal ein Lieferwagen, nicht einmal ein ganz kleiner Lieferwagen. Keine der einstigen großen polnischen Werften ist mehr in Betrieb - im Gegensatz zu den Werften auf dem Gebiet der ehemaligen DDR."
Ein Mittel, um ausländische Konzerne zur Kasse zu bitten, hat das Parlament schon beschlossen: eine Bankensteuer. Knapp 60 Prozent des Kapitals im polnischen Bankensektor gehören ausländischen Institutionen.
Banken und Versicherungen führen künftig jährlich 0,44 Prozent ihrer Bilanzsumme in den Haushalt ab. Polen hat damit die höchste Bankensteuer in der EU bekommen. Und während etwa in Großbritannien eine ähnliche Steuer dazu dient, das Bankensystem zu stabilisieren, gehen die Einnahmen in Polen an Familien und damit in den Konsum. Ein ähnliches Modell gibt es in der EU im Moment nur in Ungarn.
Finanzexperte: Steuer schadet der Wirtschaft
Experten halten dies für ein riskantes wirtschaftspolitisches Instrument, so Stanislaw Gomulka, langjähriger Dozent der Londoner School of Economics.
"Die Leute machen sich nicht klar, dass es nicht zur erhofften Umverteilung kommen wird. Die Banken werden die Kosten dieser Steuer auf ihre Kunden abwälzen. Und das sind polnische Bürger und polnische Unternehmen. Die Steuer schadet also der Wirtschaft."
Das gilt selbst dann, falls die Banken die neue Steuer nicht voll abwälzen können, wie die Regierung meint. Denn dann bleibt ihnen weniger Geld, um Kredite zu vergeben. Auch dadurch werden polnische Unternehmen weniger investieren können, meinen Experten. Stanislaw Gomulka:
"Das alles sendet außerdem nicht das allerbeste Signal an ausländische Investoren. Wir bräuchten sie, heißt es auf der einen Seite. Aber andererseits seien zu viele Auslandsinvestitionen wiederum schädlich. Diese Rhetorik ist nicht gut für Polen."
Auch die Art, wie die Bankensteuer beschlossen wurde, macht auf Beobachter keinen seriösen Eindruck. Denn ursprünglich sollte sie etwas niedriger ausfallen. Erst kurz vor der Abstimmung hoben die Abgeordneten den Prozentsatz an, um Staatsanleihen von der Steuer ausnehmen zu können. Die Regierung hatte bemerkt, dass sie sich sonst mit der Steuer selber schaden würde.
Als nächstes plant die Regierung eine Steuer für Supermärkte. Auch in diesem Segment sind deutsche Unternehmen in Polen stark vertreten, mit Ketten für Lebensmittel, Kosmetika, Elektronik und Baustoffe.