Claudia Wehrle: Der DAX ist den ganzen Tag im Plus. Herr Kater, wie passt das alles zusammen?
Ulrich Kater: Nun, das wird ja nicht das letzte Wort der Börse sein über Herrn Trump und seine Zölle, zumal er wahrscheinlich weitermachen wird. Diese Runde allerdings war gut angekündigt und eigentlich in den Erwartungen der Börsianer und damit auch in den Börsenkursen enthalten. In China sind die Kurse auch gestiegen. Da war die Überlegung, dass die chinesische Regierung neue Aufträge zur Stützung der Wirtschaft in Gang setzen wird. Das hat dort die Märkte gestützt. Aber noch mal: Es ist eher die Frage, was passiert jetzt, und bei Trump heißt es ja vor allen Dingen, nach der Handelsrunde ist vor der Handelsrunde.
Auswirkungen auf den Welthandel
Wehrle: Nun streiten sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Welche Auswirkungen könnte das Ihrer Meinung nach auf den Welthandel haben?
Kater: Rein rechnerisch sind die Volumina nicht sehr groß, die jetzt betroffen sind. Wir haben ein Handelsvolumen, das jetzt verzollt wird, von 200 Milliarden US-Dollar. Der gesamte Welthandel liegt bei 17 Billionen US-Dollar. Wir sind bei einem Prozent des Welthandels. Rein rechnerisch ist das noch in Relation zu setzen. Aber die Frage ist, wo geht die Reise hin. Das ist ein schleichendes Gift. Wenn diese neue Form der Weltwirtschaft Schule macht, dann bleibt von der alten Organisation der Welt als eine einzige Fabrikhalle nicht mehr viel übrig, und das wird dann Konsequenzen haben – Konsequenzen, die sich nicht von heute auf morgen ergeben. Genauso wie der Aufbau dieser Fabrikhalle ja auch 30, 40 Jahre gedauert hat, wird auch der Abbau lange sein. Und das ist auch ein Grund, warum die Märkte nicht von heute auf morgen völlig neue Welten einpreisen. Das ist eine schleichende Entwicklung, die aber sehr gefährlich sein kann.
Wehrle: Könnte es irgendwann mal soweit kommen, Trump gegen den Rest der Welt?
Kater: Das wird jetzt sehr spannend sein. Solange der Rest der Welt am Freihandel festhalten, sind immer noch 75 Prozent in der bisherigen liberalen Freihandelsordnung, und nur die Amerikaner scheren gegen die Chinesen aus und anders herum.
Auf der anderen Seite muss man auch ganz klar sehen, dass die Europäer viele Interessen mit den Amerikanern teilen. Es sind politische Interessen, sind aber auch wirtschaftliche Interessen. Die Probleme, die die amerikanische Regierung ja vielleicht richtigerweise gegenüber China anspricht, die haben auch europäische Unternehmen. Deswegen ist es jetzt sehr wesentlich, wie der Rest der Welt sich entwickelt. Aber zur Zeit ist es in der Tat ein bilaterales Thema zwischen China und den Vereinigten Staaten.
Zukunft der amerikanischen Wirtschaft
Wehrle: Könnte sich Trump letztendlich nicht selbst schaden? Die Amerikaner sind ja eingebunden in den Welthandel.
Kater: Natürlich ist das überhaupt die Voraussetzung, wie Trump diese Maßnahmen umsetzen kann, nämlich darüber, dass die schädlichen Wirkungen auf die amerikanische Wirtschaft sich erst in einiger Zeit zeigen werden, in einem, zwei Jahren, wenn sich nämlich herausstellt, dass die Preise steigen, dass deswegen amerikanische Konsumenten sich nicht mehr so viel leisten können, dass auch die Arbeitsplätze nicht in dem Umfang kommen, weil die Arbeitsplätze, die vielleicht nach Amerika verlagert werden, auf der anderen Seite auch wieder abwandern, weil andere Länder, insbesondere China ja auch Zollmauern erhoben hat. Das Beispiel Harley-Davidson gegen Europa war ja dementsprechend. Und bis diese negativen Effekte kommen, wird es einige Zeit dauern, und in der Zeit redet die Welt schon wieder über ganz andere Dinge und Trump wird sich andere Geschichten ausgedacht haben, warum es schlecht läuft. Das ist die Mechanik, die er anwendet, um überhaupt diese Maßnahmen ergreifen zu können.
Wehrle: Kurz zum Schluss mit der Bitte um eine kurze Antwort. Welche Auswirkungen hat das auf die Finanzmärkte?
Kater: Wenn es so weitergeht – die nächsten Runden werden ebenfalls Schocks an den Aktienmärkten auslösen. Ich würde sagen, die Aktienmärkte in Europa gerade haben ein größeres Potenzial, von der Konjunktur her, von der Ertragskraft her. Die politischen Risiken und insbesondere die Handelsrisiken sorgen dafür, dass dieses Potenzial nicht ausgespielt werden konnte in diesem Jahr. Wenn es keine Einigung gibt, dann können sie auch im nächsten Jahr nicht ausgespielt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.