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Neue Strategien in der Ausbildung

Die Hörsäle an den Unis platzen aus allen Nähten; eine angemessene akademische Ausbildung kann vielerorts kaum noch geboten werden. Die Wirtschaft hat bereits reagiert und entwickelt neue, attraktive Ausbildungsgänge in Handwerk und Industrie. So auch die Berliner Firma System 180.

Von Dorothea Jung |
    Berlin Schöneberg, in der Werkshalle von System 180. Mit einem Mausklick befördert der Techniker ein langes Rohr aus dem Magazin in die Rohrpresse. Die Maschine schneidet das Rohr in gleich lange Abschnitte und presst die Teile an ihren Enden zusammen. Jetzt können die flachen Rohrenden übereinandergelegt und zusammengeschraubt werden. Diese verschraubbaren Rohre sind die Basis von System 180.

    "Sie können die unterschiedlichsten Elemente tragen", erklärt Dirk Uptmoor, der im Unternehmen für die Produktentwicklung zuständig ist:

    "Das ist im Prinzip eine universelle Verbindung, die skalierbar ist; wir können damit sowohl Möbel bauen, als auch Dächer, Treppen und Messestände - bis hin zu ganzen Fassaden und Gebäuden."

    Dirk Uptmoor hat an der Kunsthochschule Industrial Design studiert und arbeitet schon seit den 90er-Jahren im Unternehmen. Er kann sich noch an die ersten Schritte der Firma erinnern, als das besondere Engagement der Stammmannschaft das geringe Eigenkapital ausgleichen musste. Heute liegt der Umsatz des Unternehmens bei mehr als drei Millionen Euro. In der Werkshalle zeigt Dirk Uptmoor, welche Entwicklung die Firma in den 20 Jahren ihres Bestehens gemacht hat.

    Allein in der Produktion begegnet man 22 Arbeitsplätzen. Hier werden Rohre bearbeitet, dort entstehen Griffe, Scharniere und Adapterteile. Es wird gefräst, gebohrt und geschliffen oder für den Versand verpackt. Jüngste Errungenschaft der Firma ist eine computergesteuerte Fräse für Holz- oder MDF-Platten. Damit kann man Regalböden und -wände, Arbeits- und Tischplatten und alle flachen Komponenten des Modul-Baukastens von System 180 präzise, schnell und effizient genau nach Kundenwunsch herstellen. Facharbeiter Fritz Schramm zeigt auf seinem Rechnermonitor, welches Element die Maschine gerade in Angriff nimmt:

    "Hier erscheint jetzt gleich das Teil, das ich bearbeiten will; das hat seitlich Bohrungen und Fräsungen, und halt hier werden Schlitze gesägt, und außen 'rum wird's bearbeitet; und jetzt, wenn ich das losstarte, wird 's relativ schnell recht laut."

    Wie von Geisterhand bewegt sich das Brett unter der Fräse. Die Maschine wendet es, stellt es auf und dreht es - und dabei macht sie jedes Mal etwas Anderes. Azubi Lisanne Bieber sieht der Fräse bei der Arbeit zu:

    "Die Maschine hat gesägt, sie hat gebohrt, sie hat und den anfallenden Staub weggepustet, Phasen hat sie geschliffen, Bohrungen gesetzt für die Stifte, die dann an den Geraden sitzen, damit es auch festsitzt."

    Lisanne Bieber ist 20 Jahre alt und seit einem viertel Jahr Auszubildende bei System 180. Später wird die junge Frau diese Holzfräse nicht bedienen, aber die Programme dafür schreiben müssen. Ihre Fachrichtung nennt sich technische Produktdesignerin. Ausbilder Dirk Uptmoor sieht in diesem neuen Fachgebiet mehr als nur das konventionelle technische Zeichnen:

    "Wir haben hier jemanden gesucht, der nicht nur zeichnet, sondern auch ein bisschen mitdenkt und auch in Detailfragen selbst gestalten kann. Das war bisher in der Ausbildung des technischen Zeichners gar nicht vorhanden und beim technischen Produktdesigner ist es jetzt ein bisschen mehr - also Schwerpunkt ist da schon auch das 3-D-Zeichnen - aber auch ein bisschen Gestaltung."

    Ästhetik und klares, schnörkelloses Design ist für das Unternehmen maßgebend. Die Einrichtungs-Programme von System 180 konnten bereits Designpreise ernten. Deswegen könnte nach Meinung von Dirk Uptmoor in der schulischen Ausbildung der jungen Leute ruhig noch mehr Wert auf Gestaltung gelegt werden - auf Stilkunde und Ergonomie, auf Designgeschichte und -methodik. Aber der 45-Jährige Designer ist froh, dass die neue Fachrichtung gestalterische Aufgaben zumindest im Blick hat:

    "So kann dann später der technische Produktdesigner auch mal eine Aufbauanleitung machen, die dann im Zweifelsfall auch bis zum Kunden gehen kann. Oder selbst ein Bohrbild gestalten; es ist uns auch wichtig, dass wir auch in den verdeckten Teilen eine durchgängige Gestaltung haben."

    "System 180, guten Tag."

    Volker Maier ist bei System 180 für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Sein Arbeitsplatz liegt im zweigeschossigen Bürotrakt des Unternehmens gegenüber der Werkshalle.

    "Wir legen hier Wert auf qualifizierten beruflichen Nachwuchs", betont der Marketing-Experte:

    "Im Moment beschäftigen wir ungefähr 50 Mitarbeiter hier in den einzelnen Bereichen Entwicklung, Produktion, Montage, Vertrieb, Marketing. Von den rund 50 Mitarbeitern sind ungefähr acht bis zehn Auszubildende in den verschiedenen Ausbildungsberufen; auch in Metallverarbeitung, Vertrieb und kaufmännische Berufen. Wir sind ein relativ starker Ausbildungsbetrieb."
    Lisanne Bieber arbeitet in aller Regel ebenfalls im Bürotrakt - im sogenannten Kreativraum. Dort sitzt die Auszubildende an der Seite der Produktentwickler meistens am Bildschirm. Sie deutet auf ihren Monitor, wo die technische 3D-Zeichnung einer kleinen Rohrkonstruktion zu sehen ist:

    "Hier sieht man Trapezmodule, da passe ich zurzeit die Größen an, und die werden dann in eine Excelliste eingetragen, damit man eine Übersicht bekommt."

    Lisanne Bieber hatte mit ihrem Fachabitur bereits einen Abschluss als technische Produktdesignassistentin in der Tasche. Als sie sich im Frühjahr bei System 180 für ein Praktikum bewarb, bot ihr das Unternehmen einen Ausbildungsplatz an.

    "Dabei hatte ich eigentlich eher Erfahrungen im Freihandzeichnen als im technischen Zeichnen", gesteht die junge Frau - und strahlt:

    "Also ich fühl mich echt wohl hier; ich hab echt einen Glücksgriff hier gelandet! Und ich denke, wenn jemand dieses Freihandzeichnen lieber mag als das technische Zeichnen und da keinen Beruf findet, sollte er vielleicht die Berufsrichtung ändern. Also ich hab total Gefallen daran gefunden am technischen Zeichen. Umdenken lohnt sich immer!"