Eigentlich hätten sie längst ausgerottet sein können, trotzdem sind in den USA vor kurzem wieder die Masern ausgebrochen. Der "Spiegel" berichtete außerdem vom angeblich ersten Fall seit rund 30 Jahren, in dem ein Kind in Oregon an Tetanus erkrankt ist. Sechs Wochen lang sei der Junge künstlich beatmet worden. Seine Eltern hätten eine Impfung abgelehnt.
Die beiden Beispiele zeigen, wie gefährlich Falschinformationen zum Impfen sind. Vor allem in den sozialen Netzwerken verbreiten sie sich rasant. Das ist nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland ein Problem.
Algorithmen denken nicht mit
Reißerische Meldungen rund um die Risiken und Gefahren des Impfens werden weit häufiger geklickt und geteilt als fundierte medizinische Empfehlungen. Leider bekämen oft die falschen Inhalte die Aufmerksamkeit, sagte Hinnerk Feldwisch-Drentrup von der gemeinnützigen Organisation MedWatch im Dlf, zum Beispiel Videos, "die völlig unwissenschaftlich Nebenwirkungen stark überbetonen oder sogar sagen, dass Impfungen umbringen würden".
Die Suchalgorithmen der großen Plattformen sorgen dafür, dass viel beachtete Inhalte noch mehr Aufmerksamkeit bekommen: Sie listen Artikel von Impfgegnern an prominenten Stellen auf, empfehlen sie weiter und machen passende Suchvorschläge. Zwischen richtig und falsch unterscheiden sie dabei nicht.
Natürlich habe YouTube Interesse an vielen Klicks, sagte Feldwisch-Drentrup. "Andererseits wollen sie auch ihre Werbekunden, die eben Anzeigen oder Werbevideos schalten, nicht vergraulen." In den USA haben die großen Tech-Konzerne auf die Kritik eines Politikers inzwischen mit technischen Maßnahmen reagiert, allerdings vorrangig auf den englischsprachigen Plattformen. In deutschsprachigen Portalen sind Falschmeldungen rund ums Impfen weiterhin gut platziert.
Plattformen planen konkrete Schritte
MedWatch hat deswegen schriftliche Anfragen an Facebook, Google, YouTube und Pinterest gerichtet, deren Antworten dem Deutschlandfunk vorliegen. Das Ergebnis: Alle Plattformen sind für das Problem zumindest sensibilisiert, konkrete Schritte stehen in den meisten Fällen allerdings noch aus. Um staatliche Zensur handele es sich dabei nicht, sagte Feldwisch-Drentrup: "Es geht ja nur darum, dass die Reichweite eingeschränkt wird. Die Beiträge bleiben ja weiterhin online."
Ein Überblick über die einzelnen Plattformen:
Google
Der Praxistest
Die Suchanfrage "Impfen" listet ganz oben Portale der Pharmaindustrie und von Impfgegnern auf. Erst danach folgen Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Die Autovervollständigung schlägt als ersten Treffer "nein danke" vor.
Was die Betreiber sagen
Wie Google in einem Blogbeitrag erklärt, vervollständigt der Algorithmus Suchanfragen basierend auf Anfragen, die andere Nutzer häufig gestellt haben. Bei Milliarden von Suchanfragen täglich ist es für Google unmöglich, die generierten Vorschläge inhaltlich zu prüfen. Allerdings gibt es eine Meldefunktion für unpassende Suchvorschläge. Auf Anfrage von MedWatch berichtet Google, die gemeldeten Inhalte würden händisch von Mitarbeitern bearbeitet.
Facebook
Der Praxistest
Impfgegner nutzen die Plattform zur Vernetzung: Die Gruppe "Gegen Impfen – IMPFormier Dich" hat über 18.000 Mitglieder. In der Suchleiste vervollständigt die Plattform die Eingabe "Impfen" automatisch mit "nein danke".
Was die Betreiber sagen
Anfang März hat Facebook in seinem Blog angekündigt, Falschinformationen zum Thema Impfen zu reduzieren. Entsprechende Anzeigen würden abgelehnt, Gruppen und Seiten von Impfgegnern sollen nicht mehr in Empfehlungen und Suchvorschlägen auftauchen. Auf Anfrage von MedWatch gab der Konzern an, diese Schritte bisher auf englische, spanische und französische Inhalte anzuwenden. Wann sie auch für deutsche Seiten gelten, könne man noch nicht sagen. Zusätzlich will Facebook gezielt geprüfte Informationen zum Thema verbreiten.
Pinterest
Der Praxistest
Beim Thema Impfen hat die Plattform die Suchfunktion schon 2018 deutlich eingeschränkt: Für das englische Wort "vaccination" ist die Suche blockiert, bei Suchwörtern wie "Impfung" gibt es keine Autovervollständigung. Über den Suchergebnissen findet sich der Hinweis, dass einige Treffer gemeldet und anschließend entfernt wurden.
Was die Betreiber sagen
Englische Suchbegriffe zum Thema Impfung hat Pinterest bereits blockiert. Auf Anfrage von MedWatch kündigt die Plattform an, auch weitere Sprachen zu überprüfen. Die Plattform greife ein, wenn eine Suche vor allem negativ belastete Ergebnisse ausspiele, zum Beispiel auch bei Themen wie Krebs und Essstörungen.
YouTube
Der Praxistest
Wer in die YouTube-Suchleiste "Impfungen" eingibt, bekommt als zweiten Suchvorschlag "angriff mit einer tödlichen waffe" vorgeschlagen und als dritten "machen krank". Davon abgesehen scheint YouTube inzwischen aufgeräumt zu haben: Die Suchanfrage "Impfungen" listet an erster Stelle Inhalte aus öffentlich-rechtlichen Sendern. Selbst wer gezielt Videos von Impfgegnern anschaut, bekommt danach nur wenige ähnliche Videos empfohlen.
Was die Betreiber sagen
Schon im Januar hat der Betreiberkonzern Google in seinem Blog angekündigt, Videos von Impfgegnern nicht mehr aktiv zu empfehlen. Löschen oder sperren will der Konzern sie aber nicht. Für Kanäle von Impfgegnern hat der Konzern nach eigenen Angaben die Funktion blockiert, Werbung zu schalten.