In rund 100 Millionen Haushalten weltweit wird ein Netflix-Account genutzt, für den nicht bezahlt wird. Die Zuschauer nutzen dieselben Zugangsdaten wie Freunde und Familienangehörige, die dafür zahlen. Das sind gut 230 Millionen Haushalte. Das hat Netflix jahrelang toleriert, auch wenn es laut den Geschäftsbedingungen verboten war. Weil der Streamingmarkt aber nicht wie erwartet gewachsen ist, will Netflix dagegen vorgehen und Leute, die ohnehin schon schauen, zu zahlenden Kunden machen. Als ein Haushalt gilt künftig der Ort, an dem mehrere Geräte regelmäßig Netflix nutzen.
Statt direkt Zugänge zu sperren, versucht es das Unternehmen erst einmal mit einer Mail an die Mitglieder. Darin gibt es unter anderem Hinweise dazu, wie Nutzende einen Account auch weiter außerhalb ihres Haushalts teilen können: „Mit einem Profiltransfer kann jede Person, die Ihr Konto nutzt, ihr Profil in ein neues Konto übertragen, für das sie im Rahmen einer eigenen Mitgliedschaft bezahlt. Für einen Aufpreis von 4,99 € pro Monat können Sie Netflix mit einer Person teilen, die nicht mit Ihnen zusammenwohnt.“
Netflix: Positive Erfahrungen in Kanada
Wer ohnehin schon den teuersten Netflix-Tarif hat, kann zwei externe Personen mit dem genannten Aufpreis hinzufügen. Bei der Stufe darunter ist es immerhin noch eine Person. Wer aber nur den Basis-Tarif oder den mit Werbung hat, kann niemanden zusätzlich hinzufügen. Medienökonom Christian Zabel von der technischen Hochschule in Köln rechnet trotzdem damit, dass sich dieses neue Modell für Netflix lohnt.
Er Begründet das mit Tests des Streamingdiensts in anderen vergleichbaren Märkten: „In Kanada war das Ergebnis ja durchaus, dass man zwar zunächst Kunden verloren hat, dann aber ein Teil davon zurückgekommen ist. Oder die, die halt davon profitiert hatten, dass sie kostenfrei mitschauten, sich dann ein Abonnement besorgen. Wenn von diesen 100 Millionen auch nur ein relativ kleiner Teil sagt: ‚Na gut, dann hol ich es mir halt doch‘, macht sich das wieder bezahlt.“
Ein aussagekräftiges Ergebnis könne es erst in etwa einem Jahr geben. Andere Streamingdienste sind noch einmal strenger als Netflix.
So halten es DAZN und Amazon
Beim Sportstreamingdienst DAZN darf offiziell nur die Person einen Account nutzen, die ihn auch erstellt hat. Allerdings kann sie sich mit bis zu sechs Geräten gleichzeitig einloggen. Die registrierten Geräte können beliebig oft verändert werden. Das ist eine Sicherheitslücke, die das Teilen von Accounts zumindest erleichtert.
Auch Amazon erlaubt beim Streamingangebot Prime Video nur eine Person pro Account. Die kann auf bis zu drei Geräten gleichzeitig schauen und muss nur bei der Anmeldung ihre Identität bestätigen. Das geht zum Beispiel mit einem Sicherheitscode, aber den könnten Nutzende ja auch an andere weitergeben.
Amazon gibt aber zu bedenken, dass dann auch Zugriff auf alle anderen Dienste besteht – also jemand auch Waren bestellen könnte, die der Account-Inhaber bezahlen müsste: „Wahrscheinlich aus den finanziellen Risiken, die sich aus einem solchen Verhalten für Einzelne ergäben, ist das Teilen von Accounts kein prominentes Phänomen, von dem Amazon und Prime Video betroffen sind.“
Disney: Teilen als Geschäftsmodell – noch
Bei einem anderen Streaming-Riesen gehört das Teilen eines Abos fast schon zum Geschäftsmodell. Bis zu sieben unterschiedliche Zugänge pro Account können Nutzende bei Disney+ erstellen. Zehn Geräte können Inhalte von dort herunterladen. Das ist besonders Familienfreundlich und passt deshalb zur Strategie von Disney.
Medienökonom Christian Zabel glaubt aber, dass sich bald auch andere Dienste eher Netflix anpassen: „Jetzt könnte man natürlich als ein kleinerer Streamingdienst sagen: Das ist jetzt unser Vorteil, bei uns dürft ihr auch eure Freunde und Familie noch mitsurfen lassen, sosagen als Nischenstrategie. Netflix denkt offensichtlich, dass es das machen muss. Und Netflix steht ja in der Kette natürlich ganz oben. Ich gehe schon davon aus, dass die kleineren Dienste sich dem langfristig nicht entziehen können.“