Archiv

Neue Studie
Zweifel am MSC-Siegel für nachhaltige Fischerei

FSC, Fairtrade, Bio und Blauer Engel. Wer als Verbraucher sozial und ökologisch bewusst einkaufen will, kann sich an solchen Siegeln und Logos orientieren. Auch für Fisch gibt es ein Zertifikat, das MSC-Siegel für nachhaltige Fischerei. Allerdings hält eine internationale Studie das blaue Logo für praktisch wertlos.

Von Peter Kaiser |
    Fischprodukte mit dem MSC-Siegel (Marine Stewardship Council) aus dem Supermarkt.
    Fischprodukte mit dem MSC-Siegel. (picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild)
    Pro Jahr fangen hier etwa am Greifswalder Bodden bei Rügen die Fischer der "Deutschen Erzeugergemeinschaft Nord- und Ostsee" 7.500 Tonnen Hering. Das sind etwa 70 Prozent der deutschen Fangmenge. Seit dem letzten Jahr ist der Hering mit dem blauen MSC-Zertifikat versehen, das eine umweltverträgliche Fischerei bescheinigt. Was das heißt, erklärt Vivian Kudelka, Fischexpertin beim MSC, eine internationale Organisation, die Fische und Meeresfrüchte aus nachhaltiger Fischerei zertifiziert.
    "Die Fischerei wird nach drei Prinzipien zertifiziert. Prinzip Eins: der Zustand des Bestandes, Prinzip Zwei: das Ökosystem, und Prinzip Drei: das Management der Fischerei. Alle drei müssen die Kriterien des MSC für Nachhaltigkeit erfüllen."
    Sieben Bestände waren der Studie nach überfischt
    MSC heißt abgekürzt: marine stewardship council. Dabei wird der Bestand einer Fischart ermittelt, und daraus der Fischfangdruck errechnet, also jene Menge, die diesem Bestand entnommen werden darf. Wird das eingehalten, ist alles gut. Das dass nicht so ist, zeigt eine neue Studie des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung, der Christian-Albrechts-Universität, beide in Kiel, und internationale Kollegen. Dabei wurden 31 nordeuropäische Fischbestände im Nordostatlantik, die im MSC-Rahmen befischt werden, untersucht. Mit ernüchternden Ergebnissen, sagt Rainer Froese vom Geomar-Helmholtz-Zentrum am Telefon, und bezieht sich auf den Wert des Fangdrucks.
    "Wir haben festgestellt, dass bei sieben beim MSC zertifizierten Beständen in unseren Gebieten hier der Fischereidruck über dem Wert lag. Also die werden überfischt."
    Sieben Bestände waren der Studie nach überfischt, bei drei Beständen wurde über 50 Prozent mehr als erlaubt gefischt. Die Forscher haben sich auch angesehen, ob die sogenannte sichere biologische Grenze der Bestände eingehalten wurde, jene Grenze also, die ein Bestand braucht, um zu bestehen.
    Die Pressesprecherin des MSC-Büro widerspricht der Studie
    "Also wir haben uns wieder angesehen, welche Bestände unter diesen Wert fallen. Das waren fünf Bestände."
    Andrea Harmsen, Pressesprecherin beim MSC-Büro in Berlin, widerspricht der Geomar-Studie.
    "Das können wir so nicht unterschreiben, und wir sind der festen Überzeugung, und haben auch die wissenschaftlichen Belege dafür, dass der Verbraucher dem Siegel durchaus vertrauen kann."
    Denn ...
    "Was die Studie macht, ist, dass sie immer nur einen dieser Faktoren, also zum Beispiel nur die Fangmenge, oder nur die Bestandsgröße betrachten, und anhand dessen dann die Fischerei bewerten. Und viele Fischereien, die in der Studie kritisiert wurden, wären nach unserer Herangehensweise keine Fischereien, die in der Kritik stehen, sondern nachhaltig arbeiten."
    Lenkt der Streit die Aufmerksamkeit auf die Fischbestände?
    Martin Quaas, Mitautor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe Nachhaltige Fischerei an der Christian-Albrecht-Universität meint, dass es keine effektiven Kontrollen der Fänge gäbe, was mit dem Anspruch einer vorbildlichen Fischerei nur schwer vereinbar sei.
    "Im Prinzip sollte eigentlich ein Verein, der Öko-Siegel vergibt darauf achten, dass seine Bestände weder überfischt werden, noch zu klein sind. Und das war bei diesen Beständen nicht der Fall."
    Ob nun die Kabeljau-, Wolfsbarsch- oder Heringsbestände überfischt sind oder nicht, scheint Ansichtssache bei den Forschern und den MSC-Aktivisten zu sein. Der Streit allerdings könnte die Aufmerksamkeit beider Parteien erneut auf die Fischbestände lenken.